Mal­ta Euro­vi­si­on 2022: I’m done with the Kit­chen Table, Baby

Die zwei­ma­li­ge mal­te­si­sche Euro­vi­si­ons­ver­tre­te­rin Ira Losco ver­kauft jetzt schi­cke Küchen. Und das Eiland Gozo ist das Sei­ten­ba­cher Müs­li unter den Urlaubs­de­sti­na­tio­nen: mir nun allei­ne schon auf­grund der nerv­tö­tend pene­tran­ten Rekla­me ver­hasst. Die­se bei­den Erkennt­nis­se blei­ben von den zwei Aben­den des Mal­ta Euro­vi­si­on Song Con­test (MESC) 2022 zurück, dem heu­er wie­der zurück­ge­kehr­ten klas­si­schen Vor­ent­schei­dungs­for­mat des Sen­ders PBS, das aus schät­zungs­wei­se 60% Wer­be­un­ter­bre­chun­gen bestand. Zwi­schen die­sen aus­ge­dehn­ten Refi­nan­zie­rungs­flä­chen durf­ten ins­ge­samt 22 Künstler:innen um das Ticket nach Turin kämp­fen, von denen eine Jury im Halb­fi­na­le am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag bereits gan­ze sechs (!) Acts aus­sor­tier­te. Und weil die­ses Ein­damp­fen des Kon­kur­renz­fel­des den Ver­ant­wort­li­chen als zu mas­siv erschien (bezie­hungs­wei­se weil PBS zusätz­li­che Ein­nah­men durch das Tele­vo­ting gene­rie­ren woll­te), durf­te das Publi­kum im Anschluss eine Wild­card ver­ge­ben. Die ging an Jes­si­ka Mus­cat, die sich 2018 die Euro­vi­si­ons­teil­nah­me über die fischi­ge san-mari­ne­si­sche Vor­ent­schei­dung 1in360 erkauft hat­te. Die Rache der Jury für ihr dama­li­ges Fremd­ge­hen folg­te auf dem Fuße: im MESC-Fina­le erhielt sie nicht ein ein­zi­ges Pünkt­chen von den sechs Abstimmungsberechtigten.

Ein klas­si­scher Vel­la-und-Borg-Bau­kas­ten­schla­ger, von einer ehr­gei­zi­gen Sän­ge­rin kom­pe­tent prä­sen­tiert: so ken­nen wir Malta.

Die hat­ten sich ohne­hin zu einem klar kon­zer­tier­ten Voting ver­ab­re­det und ver­ga­ben ihre jewei­li­gen Dix und Dou­ze Points kom­plett ein­heit­lich. Womit das ohne­hin nur zu einem Sieb­tel zäh­len­de Tele­vo­ting noch mehr zur ein­zig und allei­ne dem Geldschef­feln die­nen­den Far­ce ver­kam, denn selbst bei einem abwei­chen­den Abstim­mungs­ver­hal­ten der Zuschauer:innen hät­ten die­se gegen die sechs Juror:innen kei­ne Chan­ce gehabt. Aller­dings ver­hielt sich das hei­mi­sche Publi­kum kon­form und votier­te eben­falls mehr­heit­lich für Emma Mus­cat und ihre schnarch­lang­wei­li­ge Mid­tem­po-Kla­vier­bal­la­de ‘Out of Sight’. In die­ser spricht die 22jährige mit ihrem Kind­heits-Ich. So lässt es sich jeden­falls aus den sehr weni­gen eini­ger­ma­ßen ver­ständ­li­chen Text­zei­len ablei­ten, wel­che Emma nicht voll­stän­dig ver­nu­schel­te oder durch Über­be­to­nung unhör­bar mach­te. Bezie­hungs­wei­se durch die per­ma­nen­te Ein­blen­dung eines klei­nen Mäd­chens auf den LED-Screens, das den glei­chen Sam­ra-Gold­la­mée-Gedächt­nis­bo­dy trug wie unse­re Inter­pre­tin. Und das am Schluss sogar auf die Büh­ne spa­zier­te und mit sei­nem Erwach­se­nen-Ich Händ­chen hielt, zur Rüh­rung der Zuschauer:innen und zum Punk­te­ab­grei­fen bei den Jurys.

Beim ech­ten ESC aus Fair­ness­grün­de ver­bo­ten: der Ein­satz von Kin­dern als Punk­te­waf­fen auf der Büh­ne. Nicht so in Malta.

Den Kür­ze­ren zog bei die­ser offen­sicht­li­chen Schie­bung der in inter­na­tio­na­len Fan-Umfra­gen über­all füh­ren­de Aidan Cas­sar und sein in mal­te­si­scher Mut­ter­spra­che dar­ge­bo­te­ner, infek­tiö­ser Lati­no-Pop-Schla­ger ‘Rit­mo’. Ihm geriet womög­lich sei­ne Büh­nen­gar­de­ro­be und Insze­nie­rung zum Ver­häng­nis, weck­ten die Cow­boy­fran­sen an sei­ner Jeans­ja­cke doch kol­lek­tiv ver­dräng­te Erin­ne­run­gen an den eben­falls ver­mut­lich tra­gisch ver­an­lag­ten Kol­le­gen Rena­to Mical­lef (1975) und sei­nen legen­dä­ren Fran­sen­pul­li. Auch ins­ge­samt ver­ström­te die Cho­reo­gra­fie und das Büh­nen­set­ting trotz des vor­sichts­hal­ber erfolg­ten Ein­sat­zes von zwei Tän­ze­rin­nen ein unüber­seh­ba­res Bro­ke­back-Moun­tain-Fee­ling: ein­deu­tig zu viel für das katho­lisch gepräg­te und dem­entspre­chend unter­schwel­lig homo­pho­be Mal­ta, das sich lie­ber sei­ne Chan­ce auf einen Final­ein­zug in Turin durch die Lap­pen gehen ließ. Klar, Wer­be­kun­den wie die mal­te­si­sche Medi­rect Bank dür­fen in den Rekla­me­pau­se ger­ne ziel­grup­pen­ge­recht ein schwu­les Pär­chen zei­gen, das man auf­grund der opti­schen Ähn­lich­keit aber auch für Brü­der hal­ten konn­te, um die eige­ne Kom­fort­zo­ne nicht ver­las­sen zu müs­sen. Aber ein sexy Cow­boy als Reprä­sen­tant? Eher nicht.

Nach­her, wenn die bei­den Sand­prin­zes­sin­nen im Kuh­fell-BH wie­der weg sind, geht’s zu dritt in Zelt: Aidan und die Village-People-Tänzer.

Ansons­ten gab es die aus Mal­ta gewohn­te Mischung aus viel zu wenig lus­ti­gem Trash und viel zu viel hoch­glanz­po­lier­tem Mit­tel­maß zu sehen. Für ers­te­res zeich­ne­te bei­spiels­wei­se das ein­schlä­gig vor­be­straf­te Dance-Pro­jekt Bak­la­va ver­ant­wort­lich, das mit ‘Elec­tric Indi­go’ einen beat­be­ton­ten Eth­no-Dis­co-Stamp­fer aus der Feder des noto­ri­schen Song­schrei­ber­du­os Vel­la & Borg zu Gehör brach­te, von dem vor allem die glä­ser­ne Gei­ge und das auf dem LED-Screen ein­ge­blen­de­te Coro­na­vi­rus in Erin­ne­rung blie­ben. Oder der einst­mals auf den Namen Matthew Antho­ny hören­de Matt Blxck, ein erstaun­li­cher­wei­se irgend­wie gleich­zei­tig but­cher wie sehr cam­per Rap­per in einem schwar­zen Latex-Onsie, der sein neu­es Pseud­onym in sei­nem Bei­trag ‘Come around’ eigens buch­sta­bier­te und in gro­ßen Let­tern auf den Hin­ter­grund schrei­ben ließ, damit wir es uns auch ja mer­ken. Ist gelun­gen! Einen schon tau­send Mal gehör­ten Stan­gen­wa­ren-Schwe­den­schla­ger hat­te sich Nico­le Azzo­par­di mit ‘Into the Fire’ beim Team Boström ein­ge­kauft. Memo­ra­bel blieb an ihrem Auf­tritt vor allem die Kos­tü­mie­rung als gül­de­ne Meerjungfrau/Seeungeheuer, inklu­si­ve der bis zum Kinn durch­ge­zo­ge­nen Bema­lung mit rep­ti­len Schup­pen. Und die bei­den breit­schult­ri­gen Tänzer.

I’m down on my Kne­es […] a Hel­lu­va Licker”: Matt ver­ton­te hier sein Gayromeo-Profil.

Für einen kur­zen Schreck­mo­ment sorg­te die Sän­ge­rin Raquel Gal­des Brif­fa, die den Auf­takt ihrer von Aidan Cas­sar kom­po­nier­ten, tod­lang­wei­li­gen Tren­nungs­schmerz­bal­la­de ‘Over you’ auf dem Büh­nen­bo­den sit­zend into­nier­te. Wobei sie in ihrem rosa­far­be­nen Tüll­kleid aus­sah wie eine lang­sam weg­schmel­zen­de Hoch­zeits­tor­ten-Mar­zi­pan­fi­gur auf einer hei­ßen Herd­plat­te. Die ein wenig mager­süch­tig wir­ken­de Bal­la­desse Sarah Bon­ni­ci hat­te offen­sicht­lich alle vom San-Remo-Fes­ti­val übrig­ge­blie­be­nen Blu­men­sträu­ße güns­tig auf­ge­kauft und mit den noch ansehn­li­chen Res­ten ihr Büh­nen­pia­no beschmückt. Das mach­te ihre Mid­tem­po­bal­la­de ‘Hea­ven’ aber auch nicht ansehn­li­cher. A pro­pos: der ent­ge­gen aller frü­he­ren Beteue­run­gen bereits zum neun­ten Mal am MESC teil­neh­men­de Richard Edwards sah auch schon mal leben­di­ger aus. Sein Bei­trag ‘Hey Litt­le’ klang mum­for­desk wie immer. Die Mut­ter­milch ein­schie­ßen ließ mir schließ­lich der ehe­ma­li­ge X‑Factor-Con­tes­tant Mark Antho­ny Bar­to­lo. Des­sen selbst­ge­schrie­be­ne Covid-Bal­la­de ‘Sere­ni­ty’ ver­moch­te in ihrer Harm­lo­sig­keit zwar nicht zu über­zeu­gen. Dafür strahl­te der etwas mumps­ba­cki­ge Sän­ger soviel tap­si­ge Wel­pen­haf­tig­keit und grund­gü­ti­ge See­len­haf­tig­keit aus, dass man ihn umge­hend adop­tie­ren woll­te. Oder wenigs­tens auf­mun­ternd in die Wan­gen kneifen.

Da stehst du wie­der mal / mit Dei­nem Hun­de­blick: Mark Antho­ny Bartolo.

Vor­ent­scheid MT 2022

Mal­ta Euro­vi­si­on Song Con­test. Sams­tag, 19. Febru­ar 2022, aus dem Ta’ Qali Fairs and Con­ven­ti­ons Cent­re in Val­let­ta. 17 Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Ste­pha­nie Spi­teri, Qui­ton Scer­ri, Ron Brif­fa. Sechs­köp­fi­ge Jury (85,7%), Tele­vo­ting (14,3%).
#Inter­pre­tenSong­ti­telJuryTele­vo­tePlatz
01Bak­la­va + NicoleElec­tric Indigo060115
02Nor­bert BondinHow spe­cial you are300404
03Matt BlxckCome around150307
04Gia­daReve­la­ción070114
05Jes­si­ka MuscatKalei­do­sko­pe000117
06Raquel Gal­desOver you080013
07Nico­le HammetA Lover’s Heart150108
08Miria­na ConteLook what you’­ve done now270106
09Nico­le AzzopardiInto the Fire310503
10Sarah Bon­ni­ciHea­ven090112
11Enya MagriShame120309
12Deni­se MerciecaBoy280305
13Emma Mus­catOut of Sight722001
14Janice Man­gi­onArmy060116
15Mark Antho­ny BartoloSere­ni­ty100111
16Aidan Cas­sarRit­mu601202
17Richard EdwardsHey Litt­le120110

Was denkst Du? Schafft Mal­ta mit Emma Mus­cat den Final­ein­zug in Turin?

  • Natür­lich nicht. Da schläft einem ja alles ein. (59%, 29 Votes)
  • Mir doch egal. Ich bestel­le gera­de eine neue Küche. (31%, 15 Votes)
  • Ja. Das ist eine schö­ne Bal­la­de, sie ist eine tol­le Sän­ge­rin, das The­ma berührt. (10%, 5 Votes)

Total Voters: 49

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3 Comments

  • Ganz klar eine Fehl­ent­schei­dung, “Rit­mu” wäre schon ganz gut gewe­sen für den ESC. Die­ses süß­li­che Schnarch­teil ist nicht der Rede wert und wur­de nur wegen der Optik und dem Bekannt­heits­grad von Frau Mus­cat gewählt. Bis­lang mein letz­ter Platz und 2 von 12 Punkten,

  • Merk­wür­di­ges Ergeb­nis, zumal ich das Lied von Frau 0 Punk­te Mus­cat genau­so gut bzw. schlecht fin­de, wie das der Frau 72 Punk­te Mus­cat. Rit­mo Aiden hat mich aller­dings lei­der auch nicht überzeugt.

  • Naja, der Sie­ger­song hat für ne Bal­la­de zumin­dest einen gewis­sen Zug nach vorne.
    Beim deut­schen VE hät­te es sicher Sieg­chan­cen, aber in Turin ist es höchs­tens ein Bor­der­li­ner im Semi.

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