Welch eine Ausnahmetalent sich das litauische Fernsehen 2020 und 2021 mit The Roop geangelt hatte und wie sehr das LRT weiß, ließ sich am gestrigen Abend im Finale der diesjährigen Vorentscheidung Pabandom iš naujo! wunderbar erkennen. Gleich drei Mal kam die Formation im Rahmenprogramm zum Einsatz, neben ihren beiden Eurovisionstiteln durften sie auch ihre neue Single ‘Let’s get naked’ vorstellen: leider ein leeres Versprechen, wie sich herausstellen sollte, denn die drei Jungs performten im coronakonform menschenleeren TV-Studio vollständig bekleidet zum Vollplayback. Schade! Daneben saß der charismatische Frontmann Vaidotas Valiukevičius, wie bereits in den meisten der fünf Vorrunden und Semis, in der Jury, wobei er in seinem gelbblauen Bühnenkostüm mit gigantischen goldenen Epauletten aussah wie ein Faschingsprinz. Aber einen schönen Mann entstellt ja bekanntlich nichts! Von den ursprünglich 36 Kandidat:innen hatte sich das Feld in besagten Vorrunden auf handhabbare acht Finalbeiträge reduziert, von denen sich die meisten in der ein oder anderen Form in die Kategorie “Elektro” einsortieren ließen, ohne dass es dadurch eintönig ausfiel. Dafür sorgte bereits die erste Starterin des Abends, die gehörnte Drag Queen Lolita Zero.
Ein bisschen beruhigt es mich ja, dass Lolita nicht meine Mutter sein möchte, auch wenn ich natürlich verehre!
Das Bühnen-Alter-Ego des Schauspielers Gytis Ivanauskas überzeugte mit einem minimalistischen Techno-Track und einer gegenüber dem Semi deutlich stringenteren, sehr viel selbstsicherer performten Show. Dabei bewegte sich die auf einem kleinen Podest festzementierte Lolita praktisch gar nicht – wie auch, bei diesen gigantischen Glitzerhörnen und in diesen Hufschuhen! Das Tanzen übernahmen ihre vier Silberfische, Zero sorgte stattdessen mit einem zwischendurch überraschend eingestreuten “Eins! Zwei! Drei! Vier!” (auf deutsch!) für einen kleinen ‘Lasha Tumbai’-Moment. Das begeisterte auch ihre Landsleute: mit knapp 21.000 Anrufen sammelte sie im Televoting doppelt so viele Stimmen ein wie alle acht hinter ihr Platzierten gemeinsam. Sowie das dreitausendfache der litauischen Eurovisionsvertreterin von 2018, Ieva Zasimauskaitė, die mit der sehr, sehr zaghaften Ballade ‘I’ll be there’ diesmal zu Recht Letzte wurde. Zumal sie, anders als damals, keinen Ehemann dabei hatte, den sie verliebt anschmachten konnte. Noch 2.000 Stimmen mehr als Frau Zero sowie die Höchstpunktzahl bei den Jurys kassierte Monika Liubinaitė. Wenig überraschend, denn die Jazz-Studentin führte mit ihrem exquisiten landessprachlichen Neo-Chanson ‘Sentimentai’ bereits in allen Vorrunden klar. Wieso also hätte das diesmal anders sein sollen?
Frisur: Mireille Mathieu. Rückenfreies Kleid: Ireen Sheer. Disco-Effekte: Tommy Seebach. Zusammen. Monika Liu.
Immerhin noch rund 4.000 Anrufe und einen sehr soliden zweiten Platz bei den Jurys konnte die im Jahre 2005 durch ihre Teilnahme an einer Reality-Show bekannt gewordene Augustė Vedrickaitė bei ihrem mittlerweile sechsten Vorentscheidungsversuch für ihr sehr solides Poprocklied ‘Before you’re 6ft under’ auf sich vereinen. Reicht leider noch nicht ganz für die kulturelle Unsterblichkeit! Mit den großen Sinnfragen beschäftigte sich auch ihre Kollegin Justė Kraujelytė, die in ihrer düsteren Elektroballade wissen wollte: ‘How to get my Life back’? Dazu pinnte sie sich eine Art von Solarkollektor auf den Kopf und ließ sich von zwei hünenhaften Kerlen im schwarzen Gestapomantel eindrucksvoll umtanzen. Als genau so vorhersagbar wie Monikas Sieg entpuppte sich der letzte Platz für das tolle Trash-Trio Queens of Roses. Dabei hatten auch sie an ihre Performance und ihren wunderbar billigen Plastikpop-Titel ‘Washing Machine’ nochmal ordentlich durchgeschrubbt, der mit einem runderneuerten Refrain geradezu blitzsauber und aprilfrisch daherkam. Half nix: die Jurys hassen Spaß, und besonders gut war’s ja nun auch nicht. Aber unterhaltsam, und dafür gibt es ja die Vorentscheide.
Mit Perwoll gewaschen: die Zöpfe der drei Rosenköniginnen.
Vorentscheid LT 2022
Pabandom iš Naujo! Samstag, 12. Februar 2022, aus den LRT-Sendestudios in Vilnius, Litauen. Acht Teilnehmer:innen. Moderation: Giedrius Masalskis, Ieva Stasiulevičiūtėm Richardas Jonaitis. 50% Jury, 50% Televoting.# | Interpreten | Songtitel | Televote | Jury | Platz |
---|---|---|---|---|---|
01 | Lolita Zero | Not your Mother | 20.929 | 57 | 03 |
02 | Ieva Zasimauskaitė | I’ll be there | 729 | 33 | 07 |
03 | Rūta Loop | Call me cold | 1.830 | 51 | 04 |
04 | Gebrasy | Into your Arms | 1.404 | 42 | 05 |
05 | Justė Kraujelytė | How to get my Life back | 1.164 | 37 | 06 |
06 | Queens of Roses | Washing Maschine | 1.108 | 21 | 08 |
07 | Monika Liu | Sentimentai | 23.604 | 84 | 01 |
08 | Augustė Vedrickaitė | Before you’re 6ft under | 4.147 | 60 | 02 |
Pabandom iš naujo 2023 >
Ach menno, nach den Globusen sehen wir nun auch nicht die Lolita-Hörner in Turin 🙁
Neben der Show fand ich tatsächlich auch die Musik deutlich fesselnder als Monikas wirklich elegante, aber auch etwas einschläfernde Nummer
Ich habe mich bereits nach den Vorrunden als Fan von La Liu geoutet und bin natürlich entzückt, daß wir diesen schönen Beitrag aus Synthiesound und Chanson à la Cabaret in Turin erleben dürfen. Hochprofessionell ´, zudem ein lyrischer Text (es geht auch um ein litauisches Märchen). Litauen auch diesmal in der vorderen Hälfte ? Würde mich sehr freuen, Ich werte mit 10 von 12 Punkten und bislang hinter Italien mein zweiter Platz.
Drei erfreuliche Entscheidungen am Samstag, der Jahrgang kommt in Fahrt…
Italien 11/12
Litauen 10/12
Ukraine 9/12
Estland 8/12
Tschechien 7,5/12
Moldau 6,5/12
Spanien 5/12
Albanien 4,5/12
Nordmazedonien 3,5/12
Bulgarien 2,5/12
Israel 2/12
Irland 1/12
Lettland 3/12