Dansk Melo­di Grand Prix 2022: Solan­ge er nur groß genug ist

Es ist amt­lich: Däne­mark und ich wer­den in die­sem Leben kei­ne Freun­de mehr. Wie immer hat­te der Sen­der Dansk Radio (DR) für sei­nen gest­ri­gen Vor­ent­scheid Melo­di Grand Prix (DMGP) acht Bei­trä­ge kom­mis­sio­niert, und wie immer konn­ten die­se weich­ge­spül­ter und kan­ten­lo­ser nicht daher­kom­men. Und zwar in einem der­ar­ti­gen Aus­maß, dass sich dage­gen selbst die sechs deut­schen Varia­tio­nen von beige aus unse­rem Kata­stro­phen­flop Ger­ma­ny 12 Points wie musi­ka­li­sche Offen­ba­run­gen aus­neh­men. Was mal wie­der zeigt: schlim­mer geht immer! So star­ke ästhe­ti­sche All­er­gien rie­fen die däni­schen Songs bei mir her­vor, dass ich mir (mit einer Aus­nah­me) kei­nen von ihnen bis zum Ende anhö­ren oder anse­hen konn­te, weil ein­fach jede Faser mei­nes Kör­pers dage­gen revol­tier­te. Gera­de­zu trau­ma­tisch bei­spiels­wei­se das in sei­ner hyg­ge­li­gen Hei­le-Welt-Harm­lo­sig­keit extrem beängs­ti­gen­de Folk-Pop-Geplin­ker ‘En skøn­ne Dag’ (‘Ein schö­ner Tag’) des Toch­ter-und-Vater-Duos Emma Pi und Ras­mus Hede­boe ali­as Der var Engang, des­sen Insze­nie­rung mit eigens für den Auf­tritt bru­tal abge­säg­ten und auf die Büh­ne ver­frach­te­ten Bäu­men und mit zwei nach­ge­ra­de aggres­siv bie­der ange­zo­ge­nen Men­schen in jeder Sekun­de laut­hals “Ach­tung, gehirn­wa­schen­de evan­ge­li­ka­le Sek­te! Lauf, Jun­ge, lauf um dein Leben!” schrie.

Eine ein­zi­ge rote Flag­ge: die Hede­boes. Ich bin mir ein­hun­dert­pro­zen­tig sicher, dass die zuhau­se in der Scheu­ne Kin­der­skla­ven halten.

Die bei­den Men­schen­fän­ger schei­ter­ten jedoch in der ers­ten von wie immer zwei Abstim­mungs­run­den und zogen nicht ins Super­fi­na­le der ödes­ten Drei wei­ter. Genau so wenig wie der ein­zi­ge erträg­li­che Bei­trag des dies­jäh­ri­gen DMGP-Line-ups, die augen­zwin­kernd prol­li­ge Spaß­num­mer ‘Rave med de hår­de Dren­ge’ (‘Mit den har­ten Jungs raven’) des EDM-Rap-Quar­tetts Fuld Effekt. Die ging schön auf die Zwölf und pro­pa­gier­te das poli­tisch abso­lut unkor­rek­te Ver­gnü­gen eines ille­ga­len Wald­ra­ves mit auf­ge­pump­ten, kurz­ge­scho­re­nen Jungs mit dicken Ober­ar­men und BMWs mit getön­ten Fens­ter­schei­ben, in denen man auf dem Vor­der­sitz Sex haben muss, weil die Rück­bank mit Bass­laut­spre­chern belegt ist. Also alles, was auch die deut­schen Elek­tro­punk-Kol­le­gen von Deich­kind als ‘Lei­der geil’ bezeich­nen wür­den. Dazu spran­gen die vier selbst gar nicht sooo hart wir­ken­den Jungs in metal­lic glit­zern­den Trai­nings­an­zü­gen über die Büh­ne, als ob es kein Mor­gen gäbe. Müss­te ich an dem gut zwei­ein­halb­mi­nü­ti­gen, ener­gie­ge­la­de­nen Auf­tritt über­haupt etwas bemän­geln, dann aller­höchs­tens, dass die Pyro-Show bei wei­tem nicht so mas­siv wirk­te wie im Vor­feld unter Bezug auf das Band-Vor­bild The Pro­di­gy versprochen.

Mit dem mit der Base­ball­cap teil­te ich mir ger­ne den Vor­der­sitz eines BMW: Fuld Effekt.

Womög­lich geriet es den Fun­tas­ti­schen Vier zum Ver­häng­nis, dass sie ange­kün­digt hat­ten, ihren Song im Fal­le eines DMGP-Sie­ges in Turin auf eng­lisch vor­tra­gen zu wol­len? Egal wie: die Dän:innen sind in ihrer brei­ten Mas­se schlicht­weg zu bie­der und zu lang­wei­lig, um ein der­ar­tig auf­fäl­li­ges Par­ty-Brett zu ent­sen­den. Obwohl wir natür­lich genau die­ses in genau die­sem Jahr so drin­gend benö­tigt hät­ten wie nie­mals zuvor! Statt­des­sen wähl­ten sie drei glei­cher­ma­ßen ega­le Lie­der ins Super­fi­na­le wei­ter und ver­teil­ten dort ihre Anru­fe fast gleich­mä­ßig auf die Ange­bo­te. Am Ende sieg­te mit einem leich­ten Vor­sprung das Damen­quar­tett Red­di. Deren Bei­trag ‘The Show’ ver­knüpf­te die bei­den furcht­bars­ten musi­ka­li­schen Grand-Prix-For­ma­te mit­ein­an­der: er begann als ster­bens­öde Kla­vier­bal­la­de und kipp­te nach knapp der Hälf­te in einen uner­träg­lich seich­ten Pose­rin­nen-Rock über. Von der gesam­ten Dar­bie­tung bleibt jedoch als ein­zi­ges im Gedächt­nis, dass die am Pia­no sit­zen­de blon­de Sän­ge­rin sich eine (an die­ser Stel­le not­wen­di­ger­wei­se mit dem Hals zu Boden zei­gen­de) Gitar­re umge­schnallt hat­te, so dass die Fest­zurr­schnal­le des Gur­tes auf ihrer Schul­ter lager­te. Mit­samt zwei­er bedroh­lich frei­lie­gen­der Metall­dräh­te, nur Zen­ti­me­ter von der Hals­schlag­ader ent­fernt. Lei­der jedoch blieb ein Blut­bad aus.

Der Platz 40 ist gefun­den: Reddi.

Vor­ent­scheid DK 2022

Dansk Melo­di Grand Prix. Sams­tag, 5. März 2022, aus dem Boxen in Her­ning. 8 Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Tina Mül­ler und Mar­tin Bryg­mann. Tele­vo­ting mit Superfinale
#Inter­pre­tenSong­ti­telTele­vo­tingPlatz
01Patrick Dor­ganVin­den suser indn.b.n.b.
02Con­fes­si­onsHal­le­lu­jah32%02
03Der var EngangEn skøn­ne dagn.b.n.b.
04Fuld EffektRave med de hår­de drengen.b.n.b.
05Josie Eli­nor + Jack WarrenLet me go31%03
06Mor­ten FillipsenHap­py go luckyn.b.n.b.
07Red­diThe Show37%01
08Jun­ckerKom­met for at bliven.b.n.b.

 

Schaf­fen die däni­schen Rock­chicks in Turin den Ein­zug ins Finale?

  • Nicht in ein­hun­dert Jah­ren. Das ist so unter­halt­sam wie ein wei­ßes Blatt Papier. (52%, 32 Votes)
  • So oder so: ich habe mei­ne Pin­kel­pau­se gefun­den. (26%, 16 Votes)
  • Na klar. Das ist eine leicht­be­kömm­li­che Mélan­ge aus Bal­la­de und Power­pop, die Mas­se mag das. (21%, 13 Votes)

Total Voters: 61

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2 Comments

  • Ich stim­me auch hier dem Haus­herrn zu, ein belang­lo­ses Lied­chen aus Däne­mark und das gab es bekannt­lich schon öfter. Aller­dings hat mich die Vor­ent­schei­dung dort gene­rell wenig interessiert.

    Bei mir bis­lang auf dem vor­letz­ten Platz mit 1,5/12. Nur die Dra­ma Queen aus Down Under fin­de ich noch schwächer.

  • Ich war ja drauf und dran, Oli­ver zu wider­spre­chen, war doch der däni­sche Vor­ent­scheid 1000 Mal pro­fes­sio­nel­ler als der Deut­sche. Aaa­aber: pro­fes­sio­nell bedeu­tet in dem Fall lei­der auch glat­ter und (noch) lang­wei­li­ger, zumal die 8 Bei­trä­ge tat­säch­lich kei­nen Deut bes­ser waren als die Deut­schen. Und als Inter­val­lacts ein Abba-Med­ley und Vola­re – wie originell.
    Letzt­lich war der deut­sche Vor­ent­scheid mit sei­nen Car­crashs am lau­fen­den Band dann doch tat­säch­lich der Unterhaltsamere…

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