Türk­vi­zyon

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Türk­vi­zyons-Logo © TMB

Eine der erfolg­reichs­ten Grand-Prix-Natio­nen der rei­nen Tele­vo­ting-Ära, die Tür­kei, nimmt seit 2013 lei­der nicht mehr am Euro­vi­si­on Song Con­test teil. Offi­zi­ell dekla­rier­te Anka­ra das Fern­blei­ben bei den euro­päi­schen Fest­spie­len als (durch­aus ver­ständ­li­chen) Pro­test gegen das Big-Five-Pri­vi­leg und die Wie­der­ein­füh­rung der Jury, die von der EBU nach bestän­di­gem Gequen­gel der Westeuropäer:innen über das Block­vo­ting als Gegen­maß­nah­me zum Dia­spora­stim­men­ef­fekt re-instal­liert wur­de und seit­her aus­wan­de­rungs­star­ke Natio­nen wie Alba­ni­en, Grie­chen­land oder Polen, aber eben auch die Tür­kei, vor­sätz­lich flei­ßig her­un­ter­vo­tet. Außer­dem füh­le sich das bevöl­ke­rungs­rei­che Land inner­halb der EBU nicht aus­rei­chend reprä­sen­tiert: unter den 300 EBU-Mitarbeiter:innen befin­de sich kein ein­zi­ger Tür­ke, und auch in den dor­ti­gen Gre­mi­en sei man nicht ver­tre­ten, so das Lamen­to des Staats­sen­ders TRT. Also schuf man sich einen eige­nen Spiel­platz: Ende Dezem­ber 2013 fand erst­ma­lig ein eige­ner Song Con­test des osma­ni­schen Kul­tur­krei­ses statt, die Türk­vi­zyon. Bei der grund­sätz­lich alle Natio­nen, (Teil-)Republiken oder Land­krei­se mit­ma­chen dür­fen, in denen Turk­völ­ker leben, und sei es als noch so klei­ne Min­der­heit. Zwei wei­te­re Aus­ga­ben folg­ten 2014 und 2015, danach sorg­ten diver­se poli­ti­sche und recht­li­che Ver­wick­lun­gen für eine lan­ge Zwangs­pau­se, aus wel­cher die Show trotz etli­cher anders­lau­ten­der Zwi­schen­an­kün­di­gun­gen erst im Dezem­ber 2020 wie­der zurück­kehr­te. Und sogleich erneut bewies, wie sehr sie uns fehl­te, denn wie schon bei den drei vor­an­ge­gan­ge­nen Türk­vi­zyonen bestach sie – trotz Coro­na-Ein­schrän­kun­gen – durch einen aus­ge­spro­chen hohen Unter­hal­tungs­wert.  

1. Türk­vi­zyon, 19. und 21.12.2013, Eskişe­hir, Türkei

Türk­vi­zyon 2013: die Teilnehmerliste

1. Song Con­test des tür­ki­schen Kul­tur­rau­mes. 19. und 21.12.2013 in Eskişe­hir, Türkei.
Land / Repu­blikTeil vonInter­pretSongÜber­set­zung
AltaiRUArtur Mar­lu­jo­kovAltayım MeninMein Altai
Aser­bai­dschanAZFərid Həsə­novYaşaLeben
Bal­ka­ri­enRUEldar Zha­nikaevAdam­dı Biz­ni AtıbızSein Name ist Adam
Basch­kor­to­stanRUDia­na IshniyazovaKuray Şar­kısıDas Qurai-Lied
Bos­ni­enBAEmir & the fro­zen CamelsTers Bosan­kaZän­ki­sche Bosnierin
Cha­kas­si­enRUVla­di­mir DorjuTus çirin­deTraum
Gag­au­si­enMDLud­mi­la TukanVer­nis LubovKomm, mein Schatz
Geor­gi­enGEEynar Bal­a­kişi­yev + Afik NovruzovKal­bi­ni Saf TutHal­te dein Herz rein
IrakIQAhmed Duz­luKer­kü­k’­ten yola ÇıkakVon Kir­kuk aus
Kasach­stanKZRin’­GoBir­lik­pen AlğaGemein­sam voran
Keme­ro­woRUÇıl­dız TannakeşevaŞoriya’nın UnuDer Klang Bergschoriens
Kir­gi­si­enKGÇoroKay­gır­baSei unbe­sorgt
Koso­voKO (RS)Ergin Karaha­sanŞu Priz­renNach Priz­ren
KrimUAElvi­ra SarihalilDağların EllarıBerg­pfa­de
Maze­do­ni­enMKİlk­ay YusufDüş­ler­de YaşamakLeben in Träumen
Nord­zy­pernCYGom­ma­larHavalanıyorAuf­stei­gend
Rumä­ni­enROGenghiz Erhan CutcalaiAy Ak ShatırWei­ße Linie
Sacha (Jaku­ti­en)RUOlga Spi­ri­do­no­vaSulus Uon­na TuunFlie­gend
Tatar­stanRUAli­na ŞaripjanovaÜpkel­emimIch bin nicht nachtragend
Tür­keiTRMan­ev­raSen, Ben, BizDu, ich, wir
TuwaRUSai­lyk OmmunCavi­dakOhne Sat­tel
Ukrai­neUAFazi­le IbraimovaElmalımMein Apfel
Usbe­ki­stanUZNilü­fer UsmanovaUnut­ginVer­giss mich
Weiß­russ­landBYGunesh Aba­so­vaSon hati­ra­larLetz­te Erinnerungen

Wenn dir dein Hin­ter­mann kom­plett die Show stiehlt: der milch­büb­chen­haf­te Sie­ger der Türk­vi­zyons-Pre­miè­re von 2013, Fərid Həsə­nov (AZ), und sein voll­bär­ti­ger Begleittän­zer, sei­nes Zei­chens Sie­ger in der Kate­go­rie “angst­ein­flö­ßen­ds­ter Mas­sen­mör­der-Blick bei einem Musikwettbewerb”.

Kon­zi­piert war die Türk­vi­zy­ion ursprüng­lich als Ver­an­stal­tungs­rei­he der tür­ki­schen Kul­tur­haupt­städ­te. Wes­we­gen die Pre­miè­re, an der 24 Län­der und Regio­nen teil­nah­men, aus dem ana­to­li­schen Eskişe­hir kam, Part­ner­ge­mein­de mei­ner Hei­mat­stadt Frank­furt am Main. Sie unter­hielt mit einem herr­lich bizar­ren Mix aus ellen­lan­gen Funk­tio­närs­an­spra­chen, patrio­ti­schen Trou­ba­dou­ren, Kehl­ge­sang, asia­ti­schen Boy­bands und einer völ­lig undurch­schau­ba­ren Jury-Wer­tung, aus wel­cher Aser­bai­dschan als Sie­ger her­vor­ging. Was ange­sichts der aus­ge­spro­chen brü­der­li­chen Ban­de der bei­den Natio­nen, des Invol­viert­seins aser­bai­dscha­ni­scher Eurovisionsteilnehmer/innen in die Orga­ni­sa­ti­on und Prä­sen­ta­ti­on der Sen­dung sowie des eher durch­schnitt­li­chen Songs und der ziem­lich unter­durch­schnitt­li­chen voka­len Fähig­kei­ten des Inter­pre­ten Fərid Həsə­nov ein, um es mal vor­sich­tig aus­zu­drü­cken, klei­nes Geschmäck­le hat­te. Den­noch ging es 2014 nicht nach Baku: anders als beim ESC ver­knüpf­te sich wegen der Bin­dung an die Kul­tur­haupt­stadt­rei­he mit dem Sieg kei­ne Gast­ge­ber­pflicht im Fol­ge­jahr. Als Aus­tra­gungs­ort des zwei­ten Wett­be­werbs fun­gier­te daher die tata­ri­sche Metro­po­le Kasan. Vier der Erst­teil­neh­mer­län­der kehr­ten der Ver­an­stal­tung den Rücken, näm­lich die rus­si­schen Repu­bli­ken Altai (die angeb­lich kei­ne neu­er­li­che Ein­la­dung erhal­ten haben will) und Keme­ro­wo, das Koso­vo und Weiß­russ­land. Nord­zy­pern schei­ter­te an der Büro­kra­tie: Russ­land – und damit auch Tatar­stan – erkennt die de-fac­to-Repu­blik im tür­kisch besetz­ten Nord­teil der Mit­tel­meer­in­sel nicht an, daher durf­te die bereits aus­ge­wähl­te Ver­tre­te­rin İpek Amber nicht einreisen.

2. Türk­vi­zyon, 19. und 21.11.2014, Kasan, Tatarstan

Türk­vi­zyon 2014: die Teilnehmerliste

2. Song Con­test des tür­ki­schen Kul­tur­rau­mes. 19. und 21.11.2014 in Kasan, Tatar­stan (Auto­no­me rus­si­sche Republik).
Land / Repu­blikTeil vonInter­pretSongÜber­set­zung
Alba­ni­enALXho­a­na BejkoZjarr dhe AjërFeu­er und Luft
Aser­bai­dschanAZElvin Ordub­ad­liDiv­lərin yalqızlığıEin­sam­keit der Riesen
Bal­ka­ri­enRUEldar Zha­nikaevBara­maGeh
Basch­kor­to­stanRUZamanKubairEpos
Bos­ni­enBAMen­sur SalkićŠutimIch bin still
Bul­ga­ri­enBGİsm­ail MatevYol­la­ra, TaşlaraStra­ßen, Steine
Cha­kas­si­enRUDmit­riy Saf’yanov + Say­a­na SobirovaOshik­baFeh­ler
Deutsch­landDEFah­ret­tin GüneşSev­diğimMei­ne Geliebte
Gag­au­si­enMDMari­ya TopalAala­dımIch wein­te
Geor­gi­enGEAysel Məm­mə­do­va + Ayla ŞiriyevaTen­ha­yamIch bin allein
IrakIQAhmet Duz­luCal Kal­bi­miMein Herz gestohlen
IranIRBarışHeydar BabaVater Heydar
Kasach­stanKZZha­nar DugalovaІzіn kөremIch sehe sei­ne Spur
Kir­gi­si­enKGNon-StopSeze BilRhyth­mus der Jahreszeiten
KrimUADar­i­na SiniçkinaSuya giderWenn sie gehen
Maze­do­ni­enMKKaan Maz­harYolu­mu BulurumIch fin­de mei­nen Weg
Rumä­ni­enROCen­giz Erhan + Gafar Alev SibelGen­clik basa bir gelirMan ist nur ein­mal jung
Russ­landRUKazan WorldSon kөtəmAuf dich zu warten
Sacha (Jaku­ti­en)RUVlad­le­na IvanovaKynTag
Tatar­stanRUAydar Suley­ma­novAtlar Cha­baRen­nen­de Pferde
Tür­keiTRFun­da KılıçHop­paLeicht­fer­tig
Turk­me­ni­stanTMZüley­ha KakayevaShik­ga-Shik­ga bilerzikSchütt­le das Armband
TuwaRUAyas Kul­larSub­e­deiSubu­t­ei
Ukrai­neUANata­li DenizSän BenimDu bist mein
Usbe­ki­stanUZAzi­za NizamovaDun­yo bol­sin OmonWelt sei unser

Feu­ri­ges Fun­ken­ma­rie­chen: die Sie­ge­rin der zwei­ten Aus­ga­be von 2014, Zha­nar Duga­lo­va (KZ).

Dafür gin­gen in Kasan gleich sechs neue (Teil-)Nationen an den Start: Alba­ni­en, Bul­ga­ri­en, der Iran, der “Stadt­kreis Mos­kau” (was auch immer das sein soll), Turk­me­ni­stan – und, als größ­tes tür­ki­sches Sied­lungs­ge­biet außer­halb des Mut­ter­lan­des nur fol­ge­rich­tig, Deutsch­landWäh­rend unser Ver­tre­ter Fah­ret­tin Güneş, aus­ge­wählt von einem Köl­ner Satel­li­ten­sen­der, mit einem aus­ge­spro­chen faden Bei­trag im Semi­fi­na­le zu Recht schei­ter­te, gewann dort der Inter­pret des Heim­bei­trags, Aydar Sue­ly­ma­nov, mit einer mit­rei­ßen­den, packend prä­sen­tier­ten Num­mer über ‘Ren­nen­de Pfer­de’. Über­ra­schen­der­wei­se – in bei­den Sen­dun­gen stimm­ten die sel­ben 25 Juro­ren ab – reich­te es für ihn im Fina­le aber nur für den zwei­ten Platz, es sieg­te Zha­nar Duga­lo­va aus Kasach­stan, die ihren nicht min­der fan­tas­ti­schen Titel ‘Izin kөrem’ eben­falls mit einer spek­ta­ku­lä­ren und hoch pro­fes­sio­nel­len Show unter­stütz­te. Über­haupt ließ sich in der zwei­ten Aus­ga­be des Wett­be­werbs eine deut­li­che Ver­bes­se­rung des musi­ka­li­schen und tech­ni­schen Niveaus fest­stel­len. Nur am Abstim­mungs­ver­fah­ren hak­te es deut­lich: nicht nur, dass man das voll­mun­dig ange­kün­dig­te Tele­vo­ting aus tech­ni­schen Grün­den kurz­fris­tig can­cel­te. Hin­zu kamen Addi­ti­ons­feh­ler und Unge­reimt­hei­ten bei der Jury­ab­stim­mung im Semi sowie offen­sicht­li­che Rache­wer­tun­gen im Fina­le, denen bei­spiels­wei­se der tür­ki­sche Bei­trag ‘Hop­pa’ von Fun­da Kılıç (Zwei­te im Semi, Letz­te im Fina­le) zum Opfer fiel.

Tra­di­ti­on ohne Moder­ne: der deut­sche Türk­vi­zyons-Bei­trag von 2014 unter­strich die kon­ser­va­ti­ve Grund­hal­tung der meis­ten hier­zu­lan­de leben­den tür­kisch­stäm­mi­gen Mitbürger/innen.

Die drit­te Aus­ga­be der Türk­vi­zyon wur­de über­schat­tet von einem poli­ti­schen Kon­flikt zwi­schen Russ­land und der Tür­kei, der sich am Abschuss eines rus­si­schen Kampf­jets über tür­ki­schem Hoheits­ge­biet ent­zün­de­te. Der erbos­te Des­pot Putin ver­häng­te nicht nur Wirt­schafts­sank­tio­nen, son­dern wies sämt­li­che Teil­re­pu­bli­ken und Oblas­ten sei­nes Rei­ches an, der Ver­an­stal­tung im ver­fein­de­ten Istan­bul fern­zu­blei­ben. Elf Regio­nen stor­nier­ten dar­auf­hin ihren Auf­tritt. Die boy­kott­be­dingt redu­zier­te Teil­neh­mer­zahl dien­te den Ver­an­stal­tern als will­kom­me­ne Aus­re­de für den Aus­fall der Qua­li­fi­ka­ti­ons­run­de: wie Dr. Irving Wol­ther, als Teil der deut­schen Dele­ga­ti­on vor Ort, berich­te­te, schraub­ten die Tür­ken an dem Don­ners­tag, an dem das Semi statt­fin­den soll­te, noch immer hek­tisch am Büh­nen­auf­bau. Das orga­ni­sa­to­ri­sche Cha­os folg­te einer kurz­fris­ti­gen Ver­le­gung: denn nach der ursprüng­li­chen Logik, dass die jewei­li­ge aktu­el­le Kul­tur­haupt­stadt der tür­ki­schen Welt die Türk­vi­zyon beher­bergt, wäre die­se Ehre eigent­lich dem turk­me­ni­schen Städt­chen Mary zuge­fal­len. Dort ließ sich aller­dings angeb­lich kei­ne geeig­ne­te Hal­le fin­den, so dass der Wett­be­werb zunächst in die Haupt­stadt Aşga­bat ver­legt wer­den soll­te. So jeden­falls der Wunsch der dor­ti­gen Macht­ha­ber. Turksoy, den Aus­rich­tern der Ver­an­stal­tung, schmeck­te das nicht: flugs ent­schied man im August 2015, das Gan­ze nun in der tür­ki­schen Metro­po­le statt­fin­den zu las­sen, prak­ti­scher­wei­se die offi­zi­el­le Part­ner­stadt von Mary.

3. Türk­vi­zyon, 19. Dezem­ber 2015, Istan­bul, Türkei

Türk­vi­zyon 2015: die Teilnehmerliste

3. Song Con­test des tür­ki­schen Kul­tur­rau­mes. Sams­tag, 19.12.2015, 15:30 Uhr MEZ, in Istan­bul, Türkei.
Land / Repu­blikTeil vonInter­pretSongÜber­set­zung
Alba­ni­enALXho­a­na Bej­ko (Xhoi) + Visar RexhepiAdi Has­retGemein­sa­mer Wunsch
Aser­bai­dschanAZMeh­man TagiyevIstan­bulIstan­bul
Bos­ni­enBAAdis Škal­joPa štaNa und?
Bul­ga­ri­enBGBig Star LifeIstan­bul­dayızWir sind Istanbul
Deutsch­landDEDerya Kap­tanSes­siz ÇığlıkStil­ler Schrei
Gag­au­si­enMDValen­tin OrmanjiSev beni sevLie­be mich, Liebe
Geor­gi­enGEAnar AskerovTen­ha yürekEin­sa­mes Herz
IrakIQOğuz Sır­malıSere­natStänd­chen
IranIRReza Esbi­la­niMənim arz­umMein Traum
Kasach­stanKZOrdaOla­ya EmesaSo nicht
Kir­gi­si­enKGJiidesh İdi­riso­vaKim biletWer weiß
Koso­voKO (RS)Tol­ga KazazSev­mek Günah mıdır?Ist Lie­be eine Sünde?
Maze­do­ni­enMKKaan Maz­harBöyle Olm­amalıy­dıEs hät­te so nicht sein sollen
Nord­zy­pernCYİpek AmberSes­siz GidişStil­ler Abschied
Rumä­ni­enROEdvin Rad­cifSevi­yo­rum, AnlasanaIch lie­be Anlasana
San­džakRSAlme­din VarošaninTragSpur
Syri­enSYAdil ŞanGelişAnkunft
Tür­keiTRGör­kem DurmazHırcın SularZäh­mung des Wassers
Ukrai­neUAAnna Mitio­gloBaaş­la banaVer­zei­he mir
Usbe­ki­stanUZKaa­P­lya + HurdonaAzad­lıqFrei­heit
Weiß­russ­landBYAlek­san­dra KazimovaAzad­lıqFrei­heit

https://youtu.be/4FSVsQevqGg

Ita­li­en ist über­all: lecke­re ‘Pa šta’ gibt es auch in Bos­ni­en, wie uns Adis Škal­jo im Auf­trag des hei­mi­schen Tou­ris­mus-Minis­te­ri­ums informiert.

Die deut­sche Ver­tre­te­rin Derya Kap­tan (Schwes­ter der tol­len Come­di­en­ne Mel­tem Kap­tan) erhielt für ihre außer­ge­wöhn­li­che Bal­la­de mit wenig Text und viel Aus­drucks­tanz, die sie den Opfern eines Bom­ben­an­schlags auf eine Demons­tra­ti­on in Anka­ra im Okto­ber 2015 wid­me­te, den Son­der­preis der Jury für den “anspruchs­volls­ten Bei­trag”. Die glei­che Jury wer­te­te sie jedoch nur auf Rang 11 im Wett­be­werb und demons­trier­te so, wel­chen Stel­len­wert der “Anspruch” bei der Türk­vi­zyon ein­nimmt: kei­nen all­zu gro­ßen offen­bar. Erneut sieg­te ein zen­tral­asia­ti­sches Land: nach den Vor­jah­res­sie­gern Kasach­stan, die mit per­fekt prä­sen­tier­tem Boy­band-Pop dies­mal die Sil­ber­me­dail­le hol­ten, ging die Kro­ne heu­er an die Nach­barn aus Kir­gi­si­en: Jiidesh İdi­riso­va, eine der weni­gen Türk­vi­zyons‑Teilnehmerinnen, die sich über einen Vor­ent­scheid qua­li­fi­zier­te, konn­te mit einem Rus­la­na-Gedächt­nis-Act die Trau­ben ern­ten. Ins­ge­samt lag durch das Feh­len der rus­si­schen Regio­nen das musi­ka­li­sche Niveau etwas nied­ri­ger als 2014, und die Gast­ge­ber­schaft der Tür­kei mach­te sich erneut durch über­lan­ge Anspra­chen zahl­lo­ser Funk­tio­nä­re bemerk­bar. Der Boy­kott Putins ermög­lich­te aller­dings auch die Teil­nah­me völ­ker­recht­lich umstrit­te­ner Gebie­te wie dem Koso­vo oder Nordzypern.

Wild Dances: die Sie­ge­rin der drit­ten Aus­ga­be von 2015 (KG).

Aus und vorbei?

Im Anschluss ver­ab­schie­de­te man sich auch offi­zi­ell von der Ver­knüp­fung der Türk­vi­zyon mit dem jähr­lich ver­lie­he­nen Ehren­ti­tel der Kul­tur­haupt­stadt der tür­ki­schen Welt, der in die­sem Jahr an das aser­bai­dscha­ni­sche Städt­chen Şəki (64.000 Ein­woh­ner) ging. Trotz der engen Bin­dung der bei­den Län­der gab der nun­mehr dau­er­haft ver­ant­wort­li­che Musik­sen­der TMB im April 2016 bekannt, dass die vier­te Aus­ga­be der Türk­vi­zyon im Dezem­ber des glei­chen Jah­res in der Tür­kei statt­fin­den sol­le. Anfang Juli 2016 mel­de­ten sich die rus­si­schen Teil­re­pu­bli­ken (von den Fans lie­be­voll “die ‑stans” genannt) zurück, nach dem sich der von meh­re­ren Anschlä­gen und dem Zusam­men­bruch des für das Bos­po­rus-Land wirt­schaft­lich wich­ti­gen Tou­ris­mus gebeu­tel­te Sul­tan von Istan­bul wider­wil­lig bei Putin für den Kampf­jet-Abschuss ent­schul­dig­te. Im Zei­chen der innen­po­li­ti­schen Dau­er­kri­se rund um den fehl­ge­schla­ge­nen Putsch­ver­such gegen Erdoğan im Som­mer 2016 gin­gen die Ver­an­stal­ter aller­dings auf Tauch­sta­ti­on und das Jahr ver­strich ohne jeg­li­ches Lebens­zei­chen von Türksoy gegen­über der Öffent­lich­keit oder den Dele­ga­tio­nen, so dass die ers­ten Län­der ihre Teil­nah­me wie­der stor­nier­ten. Lan­ge Zeit war vage vom “Früh­ling 2017” die Rede, im Febru­ar 2017 hieß es dann, dass der Wett­be­werb nun­mehr nach Kasach­stan ver­legt wer­de, wo er als Begleit­pro­gramm der im Som­mer in der dor­ti­gen Reiß­brett-Haupt­stadt Ast­a­na statt­fin­den­den Welt­aus­stel­lung Expo 2017 über die Büh­ne gehen sollte.

Das Bür­ger­kriegs­land Syri­en über­zeug­te bei sei­nem Türk­vi­zyons-Debüt mit einer fan­tas­ti­schen Kos­tü­mie­rung und einem mit­rei­ßen­den Song.

Geplant war die vier­te Türk­vi­zyon mit einer neu­en Rekord­zahl an Partizipant:innen, dar­un­ter die alba­ni­sche Euro­vi­si­ons­ver­tre­te­rin von 2016Ene­da Tarifa, ein grie­chi­sches (!) Quar­tett und das ehe­ma­li­ge Pop­stars-Cas­tingstern­chen Elvi­ra Michie­va, 2007 ein Drit­tel der extrem kurz­le­bi­gen, von Bushi­do gecas­te­ten Girl­group Bis­ou, die es 2010 solo ver­geb­lich beim ESC-Vor­ent­scheid in ihrem Geburts­land Aser­bai­dschan ver­such­te und nun für das erst­ma­lig teil­neh­men­de Öster­reich an den Start gehen woll­te. Doch auch dar­aus wur­de nichts: ein bizar­rer Namens­rechts­streit zwi­schen dem tür­ki­schen Fern­se­hen und einem obsku­ren Sän­ger, der (juris­tisch erfolg­reich) behaup­te­te, die ideel­len Rech­te an dem Wett­be­werb zu besit­zen und der offen­bar Geld dar­aus schla­gen woll­te, sorg­te für einen kom­plet­ten Still­stand und die Absa­ge des Wett­be­werbs in Ast­a­na. Dann kün­dig­te man die Wie­der­auf­nah­me der Rei­he für den Monat Okto­ber 2018 an; nach­dem die­ser ver­strich, für Dezem­ber 2018. Schließ­lich war nur noch äußerst vage von 2019 die Rede. Doch auch die­ses Jahr ver­strich ohne wei­te­res Lebens­zei­chen, so dass man zwi­schen­zeit­lich vom Tod des Pati­en­ten aus­ge­hen muss­te. Was echt scha­de gewe­sen wäre, denn in der Ver­gan­gen­heit bot die Show zumin­dest eine inter­es­san­te musi­ka­li­sche Hori­zont­er­wei­te­rung und eine wun­der­ba­re Beschäf­ti­gungs­mög­lich­keit in der ESC-Nebensaison.

https://youtu.be/p‑S1X4jrM9k

Cross­over-Chan­ce ver­passt: Ene­da Tarifa soll­te die ers­te ehe­ma­li­ge ESC-Reprä­sen­tan­tin bei der Türk­vi­y­zon werden.

Tot­ge­sag­te leben länger

So gab es auch zunächst erheb­li­che Zwei­fel, als Anfang Okto­ber 2020 die auf inter­na­tio­na­le Musik­wett­be­wer­be spe­zia­li­sier­te News-Sei­te Euro­voix World ver­mel­de­te, dass die Türk­vi­zyon noch im Lau­fe die­ses Jah­res als Online-Con­test wie­der­auf­er­ste­hen sol­le, ohne hier­für jedoch zunächst einen kon­kre­ten Ter­min nen­nen zu kön­nen. Quel­le hier­für war wohl die emsi­ge bela­rus­si­sche Sän­ge­rin Gunesh Aba­so­va, die schon mehr­fach an den berüch­tig­ten Euro­vi­si­ons-Vor­ent­schei­dun­gen des dik­ta­to­risch regier­ten Lan­des teil­nahm und 2013 bei der Pre­miè­re der Türk­vi­zyon als weiß­rus­si­sche Ver­tre­te­rin star­te­te. Nun agie­re sie als Jury-Vor­sit­zen­de, wie sie Euro­voix World mit­teil­te. Die bei­den aller­ers­ten der unzäh­li­gen Län­der, Regio­nen und Völ­ker, die ursprüng­lich für die vier­te Aus­ga­be gemel­det waren, die gegen­über Euro­voix ver­mel­de­ten, wie­der mit­ma­chen zu wol­len, waren das im Kau­ka­sus leben­de Turk­volk der Nogai­er – und Deutsch­land! Des­sen für 2016 vor­ge­se­he­ner Ver­tre­ter, der in Baku gebo­re­ne, seit 2005 jedoch in Köln leben­de Sey­ran, bestä­tig­te gegen­über aufrechtgehn.de tat­säch­lich, erneut ange­fragt zu sein und an einem neu­en Wett­be­werbs­bei­trag zu arbeiten.

Seyrans Bei­trag zum Publi­kums­wett­be­werb (Reper­toire­bei­spiel).

Wei­te­re Künstler:innen folg­ten, irgend­wann sogar der Ter­min am vier­ten Advents­sonn­tag, und so ruckel­te und zuckel­te sich die Teilnehmer:innenliste für die vier­te Aus­ga­be des Wett­be­werbs auf ESC-kom­pa­ti­ble 26 Partizipant:innen fest. Natür­lich nicht ohne das übli­che Dra­ma und Ver­wirr­spiel: bereits gemel­de­te Namen ver­schwan­den wie­der und wur­den durch ande­re ersetzt, meh­re­re Künstler:innen schaff­ten es coro­nabe­dingt nicht inner­halb der vor­ge­ge­be­nen Zeit, ein den Vor­ga­ben von TMB ent­spre­chen­des Green­box-Video ihres Bei­trags ein­zu­rei­chen und muss­ten stor­nie­ren, etli­che der obsku­ren rus­si­schen Teil­re­pu­bli­ken aus der Grenz­re­gi­on zu Asi­en ver­mel­de­ten zunächst Inter­es­se, sag­ten dann ab und weni­ge Tage spä­ter wie­der zu. Es gab die Mel­dung, dass eine der Inter­pre­tin­nen mit dem tra­di­tio­nel­len kau­ka­si­schen Volks­lied ‘Sari Gelin’ (‘Blon­des Mäd­chen’) antre­ten wol­le – wie sich kur­ze Zeit spä­ter her­aus­stell­te, aller­dings nicht zum jury­be­wer­te­ten Haupt­wett­be­werb, son­dern zu einer par­al­lel zur Sen­dung ver­lau­fen­den Publi­kums­ab­stim­mung, bei wel­cher 13 der 26 Kombattant:innen jeweils ihre Ver­si­on die­ser jahr­hun­der­te­al­ten Bal­la­de vor­stell­ten. Und bei der die ein­gangs erwähn­te Gunesh mit einem aus­ge­spro­chen fischi­gen Vor­sprung von unge­fähr dem zehn­fa­chen an Stim­men der rest­li­chen Teilnehmer:innen “gewann”.

Der Sie­ger­ti­tel der Türk­vi­zyon 2020: fabel­haf­te Eth­no-Dis­co aus der Ukraine.

4. Türk­vi­zyon, 20. Dezem­ber 2020, Istan­bul, Türkei

Die eigent­li­che Türk­vi­zyon ging dann tat­säch­lich, wie ange­kün­digt, am Sonn­tag­nach­mit­tag über den Äther, nicht aller­dings ohne eine mas­si­ve Pan­ne: da sich die Aus­zäh­lung der Jury­stim­men aus nicht bekann­tem Grund über Stun­den hin­zog (gut, Bestechung zu orga­ni­sie­ren, will gelernt sein), quäl­te der ver­ant­wort­li­che Sen­der TMB die inter­na­tio­na­len Zuschauer:innen mit end­lo­sen Wie­der­ho­lun­gen des Schnell­durch­lau­fes in Dau­er­schlei­fe. Erst, als man vor dem Bild­schirm jeg­li­chen Lebens­wil­len end­gül­tig ver­lo­ren hat­te, erschien das zwei­spra­chig auf tür­kisch und rus­sisch (!) mode­rie­ren­de Gast­ge­ber­trio und ver­kün­de­te schließ­lich die ukrai­ni­sche Gag­aus­in Nata­lya Papa­zoğ­lu, 2016 beim hei­mi­schen Euro­vi­si­ons­vor­ent­scheid noch einer gewis­sen Jama­la unter­le­gen, und ihren lus­ti­gen Brust­pan­zer als völ­lig berech­tig­te Siegerin.

Ein pos­sier­li­cher Nuss­kna­cker: Sey­ran ver­trat Deutsch­land sehr würdig.

Türk­vi­zyon 2020

4. Song Con­test des tür­ki­schen Kul­tur­rau­mes. Sonn­tag, 20.12.2020, ab 14:00 Uhr MEZ aus Istan­bul, Tür­kei. 26 Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Esra Bala­mir und Refik Sarıöz.
#Land / Repu­blikTeil vonInterpret:inSong­ti­telJuryPlatz
01Alba­ni­enALIli­re IsmajliPër­sëri17119
02Staw­ro­pol (Nogai­er)RUJan­na MusaevaMunay­ma15924
03Basch­kor­to­stanRUZili­ya BahtievaHal­ky­ma17417
04Bos­ni­enBAArmin Muza­feri­yaDžeh­va19403
05Nord­zy­pernCYÇağıl İşg­üz­arAci­tir hep Hayallerim17121
06Nord­ma­ze­do­ni­enMKCen­giz SipahiKal Yanim­da17120
07TuwaRSOorz­hak Omak ÇopanoviçBay­la la Talgam17615
08Aser­bai­dschanAZAydan Ilxas­za­deCan Can Qar­daş Can19305
09PolenPLMis­hel­leDoğ­ma Yerlər17218
10Tatar­stanRUDili­ya AhmetşınaĞafu it, awılım19106
11Deutsch­landDESey­ran IsmayilkhanovOdun19008
12IrakIQSar­mad MahmoodKele­bek15026
13Gag­au­si­enMDYulia ArnautKemen­çä18510
14Cha­kas­si­enRUDarya Taçee­vaOt-çalın­da18111
15Ukrai­neUANata­lya PapazoğluTiken­li yol22601
16San­džakRSHaris Ska­repDoži­vot­no osuđen17813
17Kir­gi­si­stanKGAyga­nysh AbdievaJüpi­ter17616
18Bela­rusBYSvet­la­na AgarvalMəni anla16623
19Russ­landRUOlga Shi­mans­ka­yaHadi gel18609
20Rumä­ni­enROSunai Gio­la­kaiNiye?16722
21Kasach­stanKZAlmaz Kopzha­sarKim ol15925
22Mol­da­wi­enMDPela­geya StefogluAteş gibi19107
23Sascha (Jaku­ti­en)RUUmsu­uraMokhsoğol­lor20402
24Tju­menRUAdi­lya TuşakovaHavalar­da19304
25Tür­keiTRErtan & İsrafilNe Yap­tıy­sam Olmadı17912
26Uigu­renKZSada Ensem­belSev­giyi besle17814

Stand: 18.01.2021

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