Arme­ni­en 2010: Aus­ge­rech­net Bananen

Welch wun­der­bar absur­de Dar­bie­tung: kaum hat man sich kurz dar­über beöm­melt, dass die arme­ni­sche Vor­ent­schei­dung aus irgend­ei­nem Grund Euro­stuhl zu hei­ßen scheint (so viel Schei­ße dabei?), erschrickt man schon zu Tode. Denn aus dem tie­fen Dun­kel der Büh­ne taucht unver­mit­telt Gevat­ter Hein, der grim­me Schnit­ter, auf und quäkt ein paar jau­len­de Töne durch eine Block­flö­te. Gera­de älte­re Zuschau­er könn­ten an die­ser Stel­le den­ken, nun habe ihr letz­tes Stünd­lein geschla­gen. Gefolgt von einem mafi­ös aus­se­hen­der Gitar­ris­ten und einer haar­ver­län­ger­ten Yvonne Schnat­ter­feld (unter dem Tarn­na­men Eva Rivas), die im Hoch­zeits­kleid und in einem Misch­masch aus typisch grot­ti­gem Ost­block-Eng­lisch und ande­ren, genau so wenig dechif­frier­ba­ren Lau­ten ges­ten­reich Apri­ko­sen­ker­ne beschwört.


Mit Apri­ko­sen­ker­nen gegur­gelt? Die schö­ne Eva

Musi­ka­lisch klingt das übri­gens über wei­te Stre­cken eher wie eine stark ver­wäs­ser­te Ver­si­on von Shaki­ra, außer an den Stel­len, an denen wie­der die Flö­te quäkt. Bei der es sich, wie uns Dr. Wol­ther im NDR-Blog auf­klärt, selbst­ver­ständ­lich um das arme­ni­sche Natio­nal­in­stru­ment Duduk han­delt, eine aus Aprikosenholz[ref]Die Arme­ni­er ver­fü­gen augen­schein­lich sym­pa­thi­scher Wei­se zuir Iden­ti­täts­stif­tung nicht über ein Wap­pen­tier wie Löwe oder Adler, son­dern ein Natio­nal­obst: die Aprikose![/ref] geschnitz­te Oboe. Bezie­hungs­wei­se, wie Herr Deli im Euro­fi­re-Blog hilf­reich erläu­tert: “wenn man die Arme­ni­er in der Welt irgend­wie errei­chen will (was für das Voting uner­läss­lich ist, immer­hin leben 80 % der Arme­ni­er im Aus­land), dann muss ein Duduk wei­nen”. Wie wohl auch die meis­ten Nicht­arme­ni­er wei­nen dürf­ten, wenn im Mai dank der vie­len Exil­ha­yasta­ner die­se kru­de Num­mer wie­der in den Top Five landet.


Der Oslo-Remix

Nach­trag: im noch etwas druck­vol­ler abge­misch­ten fina­len Remix für Oslo lässt sich (zumin­dest in der hier prä­sen­tier­ten Stu­dio­fas­sung) bes­ser erah­nen, ja stel­len­wei­se sogar ver­ste­hen, dass es sich bei dem je nach Geschmack sehn­suchts­vol­le Hei­mat­ge­füh­le beschrei­ben­den oder sub­til natio­na­lis­ti­schen Text tat­säch­lich aus­schließ­lich um Eng­lisch han­deln soll!

14 Comments

  • Weiß gar nicht, was Du hast. War einer mei­ner drei Favo­ri­ten (the Mer­maid song hät­te ich noch lie­ber gehabt). Außer­dem natür­lich (sie­he Duduk und Apri­ko­sen) sehr typisch. Aber offen­bar gibt es im Land selbst hef­tigs­te Dis­kus­sio­nen dar­über, wie­so Frau Rivas, die sich plötz­lich als Arme­nie­rin sieht und kein Wort arme­nisch sprä­che, für die Nati­on antre­ten dür­fe. Ich weiß nicht, wo sie sonst lebt, aber am wahr­schein­lichs­ten dürf­te wohl USA sein, also nix mit Ostblock-Englisch.

  • Naja, das mit dem garan­tier­ten Top-5-Finish für Arme­ni­en hat schon letz­tes Jahr nicht mehr so funktioniert…und das hier ist noch unzu­gäng­li­cher gehal­ten als Jan-jan. Und wenn die Dame in den USA oder sonst­wo im eng­lisch­spra­chi­gen Raum lebt, hat das nicht son­der­lich abge­färbt – das ist aller­schöns­tes Ost­block-Pseu­do-Eng­lisch à la Nel­ly Ciobanu.

  • Nach Info von Herrn Deli lebt Frau Rivas im rus­si­schen Ros­tow am Don und ist mit einem dor­ti­gen Ölma­gna­ten liiert (Ange­li­ca Agur­bash, anyone?).

  • Apri­ko­sen wer­den auch ’ Arme­ni­sche Pflau­men ’ genannt und sind daher in der Tat eine Art ’ Natio­nal­obst ’ ( iro­ni­scher­wei­se ist die Tür­kei heut­zu­ta­ge das größ­te Aprokosenanbaugebiet…wie war das also mit dem Mother­land 😉 )- daher bie­tet sich das The­ma an,wenn man die Dia­spo­ra errei­chen will, zu der sich Frau Rivas laut Text ja selbst auch zählt. Als Sym­bol für die Hei­mat einen Apri­ko­sen­kern geschenkt zu bekom­men, ist schon irgend­wie sympathisch.

  • Ach­tung, Lern­ge­fahr Bis­lang waren Apri­ko­sen für mich ja immer nur so eine Art unrei­fer Pfir­si­che, aber jetzt seh ich die unter ganz ande­ren Augen! 😉 Ich sag’s ja immer wie­der, der Grand Prix erwei­tert den kul­tu­rel­len Horizont! 🙂

  • Na ja, wenn ich schon so schön zitiert wer­de, hier noch ein wenig geschicht­li­che Geo­gra­phie: Das größ­te Apri­ko­sen­an­bau­ge­biet der Welt liegt tat­säch­lich in der heu­ti­gen Tür­kei, aller­dings in genau dem Gebiet , aus dem 1915 die Arme­ni­er ver­trie­ben wor­den und bis zu 1,5 Mil­lio­nen einem kaum ver­gleich­ba­ren Geno­zid-Gemet­zel der sog. ‘Jun­gen Tür­ken’ zum Opfer gefal­len sind. Auch heu­te stellt sich die Bezie­hung zwi­schen den bei­den Län­dern äußerst schwie­rig dar (die Tür­kei hat sich im Kon­flikt um Berg Kara­bach auf die Sei­te von Aser­bai­ds­han gestellt, was zum Anlass genom­men wur­de, die Gren­zen kom­plett dicht zu machen), auch wenn 2009 die Gren­zen par­ti­ell wie­der geöff­net wur­den. Immer­hin liegt auch der hei­li­ge Berg der Arme­ni­er, der Ara­rat (an dem der Saga nach die Arche Noah stran­de­te) auf heu­te tür­ki­schem Ter­ri­to­ri­um. In der Tür­kei wird übri­gens der­zeit kon­tro­vers dis­ku­tiert, ob Evas Lied einen poli­ti­schen Hin­ter­grund hat und die hei­mat­ver­trie­be­nen Arme­ni­er anspricht.

  • re: [quote=Herr Deli]In der Tür­kei wird übri­gens der­zeit kon­tro­vers dis­ku­tiert, ob Evas Lied einen poli­ti­schen Hin­ter­grund hat und die hei­mat­ver­trie­be­nen Arme­ni­er anspricht.[/quote] Dann ist die gute Eva eine Art sin­gen­de Eri­ka Steinbach? 😉

  • Mal zurück zum Song Hat­ten wir das nicht schon ein­mal? Mönchs­kut­ten, Flö­ten und ein Dum­did­deld­um, was genau­so schnell ins Ohr hinein‑, wie auch wie­der raus­geht. Gääähn.… Das ein­zig bemer­kens­wer­te war, daß mich Eva im Pro­fil an Ange­li­na Jolie erin­nert (viel­leicht kann Eva ja ein paar Apri­ko­sen­ker­ne adoptieren)

  • Düm­mer gehts nicht oder ?!?! [size=large]Ich bin tür­kin und cih fin­de das lied sehr gut ich weiß nicht was du hast das du hier in der öffent­lich­keit jeman­den so demü­ti­gen kannst. da sieht mans ja wie­der mal! Des­halb has­se ich deutsch­land und wür­de am liebs­te hier aus­zie­hen… Du ver­stehst das lied nicht weil du ein viel zu kal­tes herz dafür hast. schau dir den text doch mal rich­tig an. und die flö­te fin­de ich auch toll…is halt kul­tu­rell gestal­tet das lied. aus­serr­dem sieht sie wun­der­schön aus. UNd gar­nicht wie dei­ne dum­me deut­sche kater­feld son­dern eher wie ange­li­na jolie..wenn du was zusa­gen hast dann bit­te allei­ne vorm spie­gel und ncht in der gan­zen öffentlichkei9t. eurer lied is auch nicht bes­ser. beson­ders der akzent BAH!! Is ja ekel­haft! -.- [/size]

  • geno­zid 🙄 Die Mas­sa­ker von 1915/16 an den Arme­ni­ern waren weder Dschi­had noch geplan­te Aus­mer­zung. Die Tür­ken stan­den im Krieg, wur­den pro­vo­ziert und ver­tei­dig­ten ihr Reich, behaup­tet His­to­ri­ker Nor­man Stone. Eine pole­mi­sche Replik auf die Geno­zid-The­se von Hans-Lukas Kie­ser in der ver­gan­ge­nen Welt­wo­che. «Der armenische

  • oh! Es geht jetzt nicht um geplann­te Geno­ci­de, was es pas­siert ist von 1915–1922 in West-Arme­ni­en, was heu­te alt Tur­kei bezech­net ist… Eva hat schon viel­mal erzaehlt wor­u­ber das Lied ist…Turkei und ande­re machen sel­ber Provokationen…Wegen schmut­zi­gem Gewis­sen oder??? Weiss nie­mand… Auf jedem Fall ist das Lied toll, die San­ge­rin sup­per, schoen und talentvoll…Ich freue mich fur Lena, aber ich fin­de Eva Rivas die bes­te! Und es ging auch uber Wur­zeln usw… Sie ist Arme­nie­rin, die in Russ­land gebo­ren ist…Sie spricht doch arme­nisch, nicht so sup­per, wie die, die in Arme­ni­en gebo­ren sind…Ich, per­soehn­lich habe gehort, wie sie arme­nisch spricht, und sie ver­steht auch sehr gut armenisch…Und es ist nicht so wich­tig arme­ni­sche spra­che toll zu ken­nen, es ist bes­ser zu fuh­len mit dem gan­zen Her­zen das Lied, und es so inter­pre­tie­ren, wie eine rich­ti­ge Armenierin!

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