Stell dir vor, du bist der Regierungschef eines bevölkerungsreichen, das geologische Scharnier zwischen Vorderasien und Europa bildenden Staates. Das Buhlen deines Landes um eine Aufnahme in die EU stößt – auch aufgrund der problematischen Menschenrechtslage bei dir zuhause – permanent auf taube Ohren. Beim jährlichen Wettsingen Europas, dem Eurovision Song Contest, feierte dein Land zwar für eine kurze Zeit (nämlich die des reinen Televotings) glorreiche und wohlverdiente Erfolge, doch nun hat die EBU extra wegen deiner anruffreudigen Diaspora die Jurys zurückgeholt, nur um dir eins reinwürgen zu können. Mit Erfolg: 2011 fliegt dein Land bereits in der Qualifikationsrunde raus – ein Schock, den du bis heute nicht verdaut hast. Eigentlich wolltest du da schon beleidigt aussteigen, aber 2012 fand der ESC in deinem Bruderland Aserbaidschan statt, also schicktest du aus Solidarität einen letzten Vertreter zu dem deiner Meinung nach ohnehin die falschen Werte propagierenden Spektakel. Dann aber ziehst du endgültig den Stecker. Schließlich träumst du schon seit langem von einem Wiedererwachen des sagenumwobenen, historischen osmanischen Reiches – natürlich unter deiner starken Hand. Also lässt du flugs einen eigenen Liederwettbewerb der Turkvölker aus der Taufe heben: die Türkvizyon.
“Liebe mich zurück”, flehte die Türkei 2012 ein letztes Mal beim ESC. Vergeblich. Seitdem macht sie ihr eigenes Ding.
Keinen passenderen Ort hättest du für die Première dieser Veranstaltungsreihe bestimmen können als die seinerzeitige Kulturhauptstadt der “türkischen Welt” und Partnergemeinde meiner Heimatstadt Frankfurt am Main, die anatolische Provinzmetropole Eskişehir. Steht doch Anatolien, aus dem ein Großteil der heute in Deutschland lebenden türkischen Arbeitsmigranten der Sechzigerjahre stammt, für den stark religiös geprägten, gesellschaftlich konservativ-rückwärtsgewandten Teil der Türkei, dem du als Regierungschef deine Macht verdankst. 24 Länder und Regionen Eurasiens folgten deiner Einladung, darunter nicht nur welche aus dem historischen Ausdehnungsbereich Osmaniens, sondern auch zahlreiche autonome russische Republiken. Wie beispielsweise das westlich des Ural gelegene Tatarstan; wie bereits der Name suggeriert, ein Hauptsiedlungsgebiet des Turkvolkes der Tataren, das dort knapp die Hälfte der heutigen Bevölkerung stellt. Deutlich weniger, nur noch ein Achtel, sind es auf der damals noch ukrainischen Schwarzmeer-Insel Krim. Jamala brachte uns beim Eurovision Song Contest 2016 aus aktuellem Anlass in Erinnerung, warum das so ist.
Im zweiten Weltkrieg aufgrund der Kollaboration mit den Nazi-Deutschen von der Krim vertrieben: die türkischstämmigen Tataren.
Türkvizyon 2013: die Teilnehmerliste
1. Song Contest des türkischen Kulturraumes. 19. und 21.12.2013 in Eskişehir, Türkei.Land / Republik | Teil von | Interpret | Song | Übersetzung |
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Altai | RU | Artur Marlujokov | Altayım Menin | Mein Altai |
Aserbaidschan | AZ | Fərid Həsənov | Yaşa | Leben |
Balkarien | RU | Eldar Zhanikaev | Adamdı Bizni Atıbız | Sein Name ist Adam |
Baschkortostan | RU | Diana Ishniyazova | Kuray Şarkısı | Das Qurai-Lied |
Bosnien | BA | Emir & the frozen Camels | Ters Bosanka | Zänkische Bosnierin |
Chakassien | RU | Vladimir Dorju | Tus çirinde | Traum |
Gagausien | MD | Ludmila Tukan | Vernis Lubov | Komm, mein Schatz |
Georgien | GE | Eynar Balakişiyev + Afik Novruzov | Kalbini Saf Tut | Halte dein Herz rein |
Irak | IQ | Ahmed Duzlu | Kerkük’ten yola Çıkak | Von Kirkuk aus |
Kasachstan | KZ | Rin’Go | Birlikpen Alğa | Gemeinsam voran |
Kemerowo | RU | Çıldız Tannakeşeva | Şoriya’nın Unu | Der Klang Bergschoriens |
Kirgisien | KG | Çoro | Kaygırba | Sei unbesorgt |
Kosovo | KO (RS) | Ergin Karahasan | Şu Prizren | Nach Prizren |
Krim | UA | Elvira Sarihalil | Dağların Elları | Bergpfade |
Mazedonien | MK | İlkay Yusuf | Düşlerde Yaşamak | Leben in Träumen |
Nordzypern | CY | Gommalar | Havalanıyor | Aufsteigend |
Rumänien | RO | Genghiz Erhan Cutcalai | Ay Ak Shatır | Weiße Linie |
Sacha (Jakutien) | RU | Olga Spiridonova | Sulus Uonna Tuun | Fliegend |
Tatarstan | RU | Alina Şaripjanova | Üpkelemim | Ich bin nicht nachtragend |
Türkei | TR | Manevra | Sen, Ben, Biz | Du, ich, wir |
Tuwa | RU | Sailyk Ommun | Cavidak | Ohne Sattel |
Ukraine | UA | Fazile Ibraimova | Elmalım | Mein Apfel |
Usbekistan | UZ | Nilüfer Usmanova | Unutgin | Vergiss mich |
Weißrussland | BY | Gunesh Abasova | Son hatiralar | Letzte Erinnerungen |
https://youtu.be/klAXw9oSEPQ
Der Siegersong der Erstausgabe: Fərid Həsənov – Yaşa (AZ).
Um den Einfluss den zahlreichen russischen Republiken und ihrer Juror/innen auf das Endergebnis zu dezimieren, ließest du dem Finale der ersten Türkvizyon am 21. Dezember 2013 ein zwei Tage zuvor veranstaltetes Semi vorausgehen, aus dem sich 12 Teilnehmerländer qualifizierten. Außerdem schafftest du so im Finale genügend Sendezeit für die sehr ausführlichen Ansprachen einer endlosen Reihe eminent wichtiger türkischer Würdenträger. Wie von dir gewünscht, ging dort Aserbaidschan als Gesamtsieger aus der Première hervor, was angesichts der äußerst engen Bindungen der beiden Länder, des Involviertseins früherer aserbaidschanischer Eurovisionsteilnehmer/innen in die Organisation und Präsentation der Sendung und des eher durchschnittlichen Songs von Fərid Həsənov, um es mal vorsichtig auszudrücken, ein kleines Geschmäckle aufwies. Um die bereits erwähnten Tataren nicht zu verprellen, ließest du die Gastgeberschaft der Türkvizyon, anders als beim ESC, jedoch nicht mit dem Vorjahressieg verknüpfen, sondern die Sendung offiziell als Projektreihe der türkischen Kulturhauptstädte konzipieren. Damit ging es 2014 nicht nach Baku, sondern in die tatarische Metropole Kasan, die den Staffelstab am 21. November 2014 von Eskişehir übernahm.
https://youtu.be/1FHKzSfzucg
Das mit der richtigen Beleuchtung üben wir aber noch mal, ja, liebe Türken? Alina Şaripjanovas Auftritt führte zu Schneeblindheit (Tatarstan).
Einigkeit ohne Recht auf Freiheit
Eine fragwürdige Veranstaltung also, diese Türkvizyon? Aus westlicher Sicht ganz sicher. Dennoch nicht unbedingt eine ungeschickte: natürlich kann und muss man den äußerst durchsichtigen (und erfolglosen) Versuch Erdoğans kritisieren, an die glorreichen Zeiten des osmanischen Reichs anzuknüpfen und zur führenden Instanz in der selbst so postulierten “türkischen Welt” aufzusteigen. Und obgleich sowohl die Türkei selbst als auch die EBU sich in offiziellen Stellungnahmen beeilten, die kulturelle Bedeutung der Türkvizyon als (von modernen westlichen Zumutungen wie sich küssenden Frauen oder bärtigen Dragqueens freien) Gegenentwurf zum Grand Prix herunterzuspielen, so ist ihr Beitrag zur weiteren Abwendung des Landes von Europa unverkennbar. Genauso allerdings auch die Parallelen: Turkvölker wie die Aserbaidschaner oder türkischsprachige Minderheiten wie die Gagausen in Moldawien existieren im gesamten eurasischen Raum, Wikipedia zählt an die 200 Millionen Sprecher/innen von eng miteinander verwandten Turksprachen. Diese stärker aneinander zu binden, dazu bietet sich ein solcher Gesangswettstreit an: schließlich wurde auch der Grand Prix Eurovision einst erfunden, um das kriegsgeschüttelte Europa im friedlichen Wettstreit einander näher zu bringen.
Altai: Artur Marlujokov – Altayım Menin (Vorschauvideo).
Doch auch für das geneigte westeuropäische Auge und Ohr erweist sich die Türkvizyon als Gewinn, bietet sie doch in homöopathischer Dosierung Einblick in eine (jedenfalls mir) bislang weitestgehend unerschlossene musikalische Welt. Da gab es bei der Première herrlich bizarren mongolischen Kehlgesang zu entdecken, endlose orientalische Klagelieder zu erdulden (das ist keine Übertreibung: die beim ESC geltende Drei-Minuten-Regel kam hier nicht zur Anwendung) und sich an scheinbar unpassenden Instrumenten wie der Flöte in Hardrocksongs zu erfreuen. All das natürlich neben klassisch trashiger Orient-Disco, hochdramatischen Balladen, pittoresken Kostümierungen und völlig ernst gemeinten, in ihrem popkulturellen Scheitern dadurch nur um so lustigeren Lobliedern auf die teure Heimat, wie zum Beispiel dem Beitrag ‘Mein Altai’ aus, Sie erraten es, der gleichnamigen russischen Hochgebirgsrepublik, vom Verdienten Sänger des Volkes Artur Marlujokov voller Pathos vorgetragen. Trotz eines erstaunlich guten fünften Platzes im Finale blieben die Altaier mit der fadenscheinigen Ausrede, keine Einladung erhalten zu haben, weiteren Ausgaben der Türkvizyon übrigens seither fern.
https://youtu.be/pBi19X_SXiw
Kam direkt von ihrer Tagschicht als Saftschubse bei Air Sewastopol und hatte etwas Wartelounge-Musik mitgebracht: Elvira Sarıhalil (Krim).
Feuer brennt nicht nur im Kamin
Schon die Vorentscheidungen zur Erstauflage der Türkvizyon boten Highlights in Hülle und Fülle: so musste das nationale Finale in Ufa, der Hauptstadt von Baschkortostan, wegen eines Brandes im Veranstaltungsgebäude abgebrochen werden, an die tausend Menschen wurden evakuiert. Glücklicherweise kam es zu keinerlei Personenschäden und auch die Siegerin und baschkirische Repräsentantin Diana İşniyazova überstand der Vorfall unversehrt. Im türkischen Teil Zyperns trat eine Teilnehmerin mit einer Coverversion von ‘I will survive’ an: anscheinend hatte ihr niemand gesagt, dass sie einen eigenen Titel braucht. Ein anderer dortiger Finalist zeigte sich über die Kritik der Jury an seiner Darbietung über die Maßen erbost und debattierte eine Viertelstunde lang erhitzt mit dem Punktegremium, vor laufenden Kameras! Das würde ich mir mal bei deutschen Castingshows wünschen! In der bereits erwähnten Republik Altai dauerte es elf Stunden, bis sich die Jury für den bereits erwähnten Heimatlobgesang entschied. Und das erst spät hinzugekommene Kabardino-Balkarien (doch, das gibt’s wirklich!) wählte die Hauptstadt der Nachbarrepublik Karatschai-Tscherkessien (auch… das auch) als Austragungsort seiner nationalen Vorentscheidung – die beiden russischen Kaukasusrepubliken mit dem gemeinsamen Faible für Bindestrich-Namen traten als eine Region an.
https://youtu.be/KDlQnxzDrlE
Dank großzügiger Botox-Gaben ist ihr der Schrecken über die Feuersbrunst beim nationalen Vorentscheid nicht mehr anzusehen: Diana İşniyazova aus Baschkortostan.
Voraus ging ein nicht enden wollendes Hickhack um die Frage, wer denn jetzt eigentlich mitmacht: von ursprünglich angekündigten 20 Teilnehmerländern erhöhte sich die Zahl im Laufe der Wochen scheibchenweise auf 24, in einem Werbespot war sogar mal von 28 Kombattanten die Rede. Dass man bei der ersten Veranstaltung dieser Art organisatorisch noch übte, zeigte sich auch an weiteren, nur mangelhaft kommunizierten Änderungen im Vorfeld: sollten es ursprünglich zwei Vorrunden (zu je zehn Ländern) und ein Finale sein, die zunächst am 19., 21. und 23. Dezember stattfinden sollten, so verlegte man diese Termine zuerst um zwei Tage nach vorne auf den 17., 19. und 21., was von den Wochentagen her (Dienstag, Donnerstag und Samstag) deutlich mehr Sinn machte. Schließlich strich man – zehn Tage vor der Veranstaltung! – das erste Semi und warf – zwei Tage vorher! – noch schnell drei Länder raus, die nicht rechtzeitig mit ihren Beiträgen zu Potte kamen. Dafür nahm man in letzter Sekunde vier weitere hinzu, darunter das völkerrechtlich umstrittene Kosovo und den Irak, genauer gesagt das dortige Siedlungsgebiet der Turkmenen um Kirkuk.
https://youtu.be/s4EqZZDPFg0
Nur der Scheich ist richtig reich: Ahmed Duzlu aus dem erdölreichen Türkmeneli im Nordirak.
Türkvizyon 2013, Semifinale
Song Contest des türkischen Kulturraumes. 19.12.2013 in Eskişehir, Türkei.# | Land / Republik | Interpret | Song | Finale? |
---|---|---|---|---|
01 | Altai (RU) | Artur Marlujokov | Altayım Menin | ja |
02 | Aserbaidschan | Fərid Həsənov | Yaşa | ja |
03 | Baschkortostan (RU) | Diana Ishniyazova | Kuray Şarkısı | nein |
04 | Weißrussland | Gunesh Abasova | Son hatiralar | ja |
05 | Bosnien | Emir & the frozen Camels | Ters Bosanka | ja |
06 | Gagausien (MD) | Ludmila Tukan | Vernis Lubov | nein |
07 | Georgien | Eynar Balakişiyev | Kalbini Saf Tut | nein |
08 | Chakassien (RU) | Vladimir Dorju | Tus çirinde | nein |
09 | Türkmeneli (Irak) | Ahmed Duzlu | Kerkük’ten yola Çıkak | nein |
10 | Kabadino-Balkarien (RU) | Eldar Zhanikaev | Adamdı Bizni Atıbız | nein |
11 | Kasachstan | Rin’Go | Birlikpen Alğa | ja |
12 | Kemerowo (RU) | Çıldız Tannakeşeva | Şoriya’nın Unu | nein |
13 | Kirgisien | Çoro | Kaygırba | ja |
14 | Krim (UA) | Elvira Sarihalil | Dağların Elları | nein |
15 | Kosovo | Ergin Karahasan | Şu Prizen | ja |
16 | Nordzypern | Gommalar | Havalanıyor | ja |
17 | Mazedonien | İlkay Yusuf | Düşlerde Yaşamak | nein |
18 | Usbekistan | Nilüfer Usmanova | Unutgin | ja |
19 | Rumänien | Genghiz Erhan Cutcalai | Ay Ak Shatır | nein |
20 | Sacha (Jakutien) (RU) | Olga Spiridonova | Sulus Uonna Tuun | nein |
21 | Tatarstan (RU) | Alina Şaripjanova | Üpkelemim | ja |
22 | Tuwa (RU) | Sailyk Ommun | Cavidak | nein |
23 | Türkei | Manevra | Sen, Ben, Biz | ja |
24 | Ukraine | Fazile Ibraimova | Elmalım | ja |
https://youtu.be/znnt7-Ztr4M
Nein, die Brumm- und Fiepgeräusche sind keine technischen Störungen oder Soundeffekte aus der Maschine, die macht Frau Ommun selbst. Das ist tuwarischer Kehlengesang.
24 Kombattanten traten also in der Qualifikationsrunde am Donnerstag an, streng alphabetisch nach Herkunftsland sortiert, von denen nur Hälfte ins Finale am Samstag weiterkamen, ausgesiebt durch eine überwiegend mit Menschen im fortgeschrittenen Lebensalter besetzte Jury aus mitangereisten Offiziellen der Teilnehmerländer. Was die eingangs erwähnte Begründung des veranstaltenden türkischen Senders TRT für sein Fernbleiben vom Eurovision Song Contest, nämlich wegen der diabolischen Expertengremien, aufs Herrlichste ad absurdum führte. Nun muss man fairerweise konzedieren, dass sich ein Televoting bei der Türkvizyon schon rein technisch nicht organisieren lässt: ein erheblicher Teil der teilnehmenden Länder verfügt über keine ausreichende Netzabdeckung, und schon gar nicht lassen sich Teilregionen wie z.B. die Krim sauber erfassen. In diesem speziellen Fall kam noch hinzu: wenn ich am Abend der Sendung erst verbindlich weiß, wer nun dabei ist, wie soll da noch eine umfassende Publikumsbeteiligung sichergestellt werden? Also stimmten, wie in den Anfangstagen des Eurovision Song Contest, ausschließlich Juroren ab. Und wie man das von diesen so kennt, sortierten sie im Semi natürlich gnadenlos sämtliche musikalisch anspruchsvolleren bzw. interessanteren Titel aus.
Ein Star in ihrer Heimat und darüber hinaus: die legendäre Tschyltys oder Çıldız Tannakeşeva (Kemerowo).
So fiel auch der sensationellste Beitrag des gesamten Jahrgangs, für den alleine sich das Einschalten schon lohnte, dem musikalischen Unverständnis der Wertungsgreise zum Opfer: die Kemerowanerin Çıldız Tannakeşeva annoncierte in ‘Şoriya’nın Unu’ den ‘Klang Bergschoriens’, ihrer Heimat. Und sie hielt ihr Versprechen: zu einem sphärisch einlullenden, mit Maultrommeln apart angereicherten Ambient-Soundteppich lieferte die berühmte “schorische Diva”, die als Inspiration für den im Jahre 2012 unter dem Titel ‘Ausgerechnet Sibirien’ mit Joachim Król verfilmten Roman ‘Der Neuling’ von Michael Ebmeyer diente, für das ungeübte westliche Ohr irgendwie indianisch klingende Schamanengesänge. Und machte uns nebenbei Kraft ihrer frappierenden Stimmtechnik mit der kompletten ornithologischen Fauna ihrer malerischen Bergregion bekannt. Schließlich überraschte sie uns nach fünfeinhalb Minuten mit einem gesungenen Fade-Out – zu meinem großen Bedauern, ich hätte dem Stück, das in jedem Chill-Out-Zelt auf Goa-Partys laufen könnte, gerne noch eine weitere halbe Stunde gelauscht. Mindestens.
Als Filmkomödie leider ein bisschen klischeehaft, aber die Liebe des deutschen Spießers zur schorischen Schamanin ist nachvollziehbar. Nebenbei: von seinem “Fremdenführer” würde ich mich auch jederzeit in der Sauna auspeitschen lassen…
Türkvizyon 2013, Finale
Song Contest des türkischen Kulturraumes. 21.12.2013 in Eskişehir, Türkei.# | Land / Republik | Interpret | Song | Pkt. | Platz |
---|---|---|---|---|---|
01 | Türkei | Manevra | Sen, Ben, Biz | 187 | 07 |
02 | Weißrussland | Gunesh Abasova | Son hatiralar | 195 | 03 |
03 | Kosovo | Ergin Karahasan | Şu Prizen | 151 | 12 |
04 | Kasachstan | Rin’Go | Birlikpen Alğa | 178 | 09 |
05 | Bosnien | Emir & the frozen Camels | Ters Bosanka | 187 | 06 |
06 | Tatarstan (RU) | Alina Şaripjanova | Üpkelemim | 192 | 04 |
07 | Ukraine | Fazile Ibraimova | Elmalım | 200 | 02 |
08 | Altai (RU) | Artur Marlujokov | Altayım Menin | 189 | 05 |
09 | Aserbaidschan | Fərid Həsənov | Yaşa | 210 | 01 |
10 | Nordzypern | Gommalar | Havalanıyor | 175 | 10 |
11 | Kirgisien | Çoro | Kaygırba | 183 | 08 |
12 | Usbekistan | Nilüfer Usmanova | Unutgin | 173 | 11 |
Immerhin bewies die Jury ein Händchen für futtigen Dance-Trash und winkte die usbekische Disco-Queen Nilüfer Usmonova ins Finale durch.
Dafür blieb der Heimbeitrag von Manevra, von den Fans beziehungsweise von den busladungsweise herangekarrten Studenten, die im Auftrag des Veranstalters die leer gebliebenen Stuhlreihen auffüllten, im Universitäts-Sportzentrum von Eskişehir frenetisch bejubelt und vom Moderator der Show auch völlig hemmungslos mit nationalem Pathos in der Stimme angesagt, natürlich im Rennen, ebenso wie das Klagelied aus dem türkisch besetzten Teil Zyperns. Am Samstag kämpften dann ab 17:30 Uhr (!) deutscher Zeit im Finale die verbliebenen Zwölf um Ruhm und Reichtum: der Sieger bekam 20.000 Euro und eine 150 Gramm schwere Goldskulptur; die Silber- und Bronzeplätze, die an zwei Klageweiber aus Weißrussland und der Ukraine gingen, erhielten noch jeweils 10.000 Euro. Die türkische Rocknummer erreichte einen moderaten Mittelfeldplatz – alles andere wäre wohl zu auffällig gewesen. Wie mir von einem angereisten deutschen Fan zugetragen wurde, wussten die meisten Einwohner/innen von Eskişehir noch am Tag der Veranstaltung wohl nichts von dem Event, den man hauptsächlich auf quotenschwachen Regional- und Musik-TV-Stationen versendete und von dem – außer ein paar eingefleischten Eurovisionistas – wohl selbst in der Türkei nur die Wenigsten Notiz nahmen. Dennoch sollte es im Folgejahr erstmal weitergehen.
Das Finale der Erstausgabe der Türkvizyon.
Stand: 05.08.2018