Eine so schnelle und einsichtige Reaktion hätte ich dann doch nicht erwartet. Am 28. Juni diesen Jahres forderte ich angesichts der Veröffentlichung der getrennten Jury- und Zuschauervoten des ESC 2010 und des daraus ersichtlichen Kuunkuiskajatgate: “Ich erwarte den Rücktritt von Svante Stockselius”. Nur zwei Monate später kam der oberste Eurovisionsbeamte meiner Aufforderung nun nach und erklärte am Rande des Oslo-Nachbereitungstreffens der EBU in Belgrad seinen Verzicht auf das Amt des Supervisors für den Grand Prix. Ein schöneres Geburtstagsgeschenk hätte Svante mir gar nicht machen können! Seit Istanbul 2004 trug Stockselius die Verantwortung für den Eurovision Song Contest. Im Verbund mit dem Leitungsstab, der Reference Group, setzte der Schwede dabei so wegweisende Reformen durch wie die Einführung der Qualifikationsrunden (Semifinals) und eines einheitlichen Eurovisionslogos. Leider erwies er sich in der Zensur-Affäre um den georgischen Beitrag ‘We don’t wanna put in’ (2009) gegenüber dem damals gastgebenden russischen Despoten Putin als winselnder, willfährig alle demokratischen Grundsätze über Bord werfender Arschkriecher. Die selbe wachsweiche Grundhaltung offenbarte sich auch in seiner Fehlentscheidung, aufgrund des Geflennes der Grand-Prix-Gründerväter über ihre (verdienten) schlechten Platzierungen das untaugliche Bevormundungsinstrument der Jury, erst 1998 vom deutschen Delegationsleiter Jürgen Meier-Beer nach langem Kampf endlich besiegt, nur zehn Jahre später wieder einzuführen, um gegen den Mehrheitsgeschmack der Zuschauer:innen endlich wieder ein Westland an die Spitze zu manipulieren.
Da können die Russ:innen noch so sehr an sich und eine faire Chance auf ein gleichberechtigtes Miteinander in Europa glauben: Dimas ESC-Sieg 2008 löste den Rückschlag des West-Imperiums aus.
Ein, wie die Ergebnisse der letzten Jahre beweisen, untaugliches Konzept. Nicht nur Alexander Rybak aus Norwegen hätte 2009 bei reinem Televoting noch überzeugender gewonnen als in Kombination mit der Jury. Der strahlende Sieg von Lena Meyer-Landrut in diesem Jahr bewies nun ein für alle mal, dass entgegen allem “Schummel-Grand-Prix”-Geschreie eben auch Deutschland (und somit jedes westeuropäische Land) gewinnen kann, wenn es denn nur einen guten Song und eine überzeugende Interpretin schickt. Zu Stockselius’ Demission indes dürfte wohl entscheidend beigetragen haben, dass ausgerechnet sein Heimatland Schweden, eines der fleißigsten und überzeugtesten Eurovisionsteilnehmer, dessen Vorentscheidung Jahr für Jahr von Fans in ganz Europa verfolgt und leidenschaftlich diskutiert wird, in diesem Jahr zum Opfer der Jurys wurde. Eine Form der ausgleichenden Gerechtigkeit, die nun in Svantes Rücktritt ihren Abschluss findet. Und mit diesem erfreulichen Ereignis soll die aufrechtgehn.de-Sommerpause ihr Ende finden. Schönere Nachrichten hätte es zum Start der Saison 2011 kaum geben können!
Nur als hochgepitchter Remix erträglich: der zu Recht abgestrafte schwedische ESC-Beitrag 2010.
Good and bad news Ich kann mich dem Kommentar nur anschließen: Stockselius hat alle Sympathien, die er bei mir nach der Einführung der Semis erhalten hat, mit der Entscheidung, den schlimmsten Horror des ESCs, die Jurys, zu reanimieren, verspielt. Und dann war er nicht einmal mutig genug, den wahren Grund – Erpressung durch einige ‘Westler’ – zu nennen. Die Zuschauer sollen Gebühren zahlen, werden aber die kleine Kinder, die ja nicht wissen, was sie tun, bevormundet! Und das im 21.Jahrhundert. Dabei ist die Lösung des Problems so einfach: von Osten lernen und den ESC ernst nehmen, überzeugende Lieder und Interpreten schicken, für die man/n sich nicht in Grund und Boden schämen muss (Dt 05/08/09)und schon klappt es! Nun zu den ‘bad news’.…leider ist der, ebenfalls unsägliche, Björkman als Nachfolger Svantes im Gespräch. Warum Björkman, möchte man meinen? Eine Person, die beim ESC grandios scheiterte und das MF seit Jahren Stück für Stück zerlegt: die schlechten ESC-Resultate – allesamt hochverdient – belegen dies. Nun, wie in der Politik,solle er wohl ‘weggelobt’ werden, weil SVT ihn sonst nicht loswird (seit Jahren wird über seinen Rückzug vom MF spekuliert – doch immer bleibt er). Also, better the devil you know. Dann lieber Svante. Schlimmer geht’s immer…leider.
Na, na, mal abwarten Es wird sich zeigen müssen, ob der Nachfolger (oder die Nachfolgerin, bleiben wir mal politisch korrekt) von Herrn Stockselius das besser hinbekommt. Ich sehe da wenig Hoffnung, wenn ich ehrlich sein soll. Schlimmer geht immer, wie mein Vorredner schon so überzeugend argumentierte. Wobei mir spontan eine Frage in den Sinn kommt: warum sollte eigentlich wieder jemand von SVT den Job bekommen? Mal unabhängig vom juryinduzierten Ausscheiden Schwedens dieses Jahr waren die Ergebnisse der Tre Kronor auch in den letzten Jahren nicht so berauschend. Die Zeiten der ESC-Großmacht aus Nordeuropa sind vorbei – warum nicht mal jemand von NRK oder gar Yleisradio? Oder warum geben wir nicht sogar direkt den Osteuropäern mal die Chance, sich auf diesem Posten zu beweisen?
Und übrigens… Willkommen zurück aus dem Urlaub! Ich hatte schon Befürchtungen – nul-points.net scheint die Domain verloren zu haben, und nachdem hier auf der Seite fast zwei Monate lang nichts mehr passierte, war ich schon bei schlimmsten Szenarien (oh Gott, nur noch von esctoday und eurovision.de leben?!). In diesem Sinne: Danke, dass ich widerlegt wurde.
Ausgleichende Gerechtigkeit In der Tat. Während Charlotte Perelli von den Juries gerettet wurde, wurde Anna Bergendahl von ihnen abgesägt. Im Endeffekt kann sich da doch keiner beschweren. 😉
Na bitte… Tja. Was habe ich gesagt? Wie esctoday gerade vermeldet, hat Herr Sand von NRK den Job bekommen.