
Stell Dir vor, es ist Eurovisionsvorentscheidung, und keiner schaut zu. So war es beim gestrigen Finale von Unser Star für Baku: lediglich 2,19 Millionen Zuschauer sahen den von Anfang an erwarteten Sieg von Roman Lob. Das ist die schlechteste Quote der letzten zwanzig Jahre und weniger als die Hälfte des Publikums von Unser Star für Oslo 2010. Selbst die desaströse Vorentscheidung von 2005, als das Castingsternchen Gracia Baur gegen zwei von Siegel geschickte Castingsternchen gewann, hatte anderthalb mal so viel Zuschauer. Von den durch Guildo Horn eingeleiteten Glanzzeiten um die Jahrtausendwende, als jeweils so um die 8 Millionen Menschen einschalteten, ist USfB jedenfalls meilenweit entfernt. Hat also das Raab’sche Castingshowformat als Vorentscheidungskonzept ausgedient? Erst zwei Jahre ist es her, dass der Kölner TV-Entertainer mit dem von ihm bereits 2004, noch unter dem Rubrum SSDSGPS, getesteten Format eine hohe mediale Aufmerksamkeit erzeugte und die selbst gestellte “Aufgabe von nationaler Bedeutung” mit Bravour erfüllte, in dem er Deutschland mit Lena Meyer-Landrut nach 28 Jahren endlich wieder eine Eurovisionssiegerin schenkte.
Lovely Lena zur Stippvisite im USfB-Green Room: Roman scheint unangenehm berührt.
Seinerzeit punktete seine Castingshow gegenüber der auf Krawall und dem Bedienen voyeuristischer Gelüste auf niedrigstem Niveau basierenden Konkurrenz von Dieter Bohlen noch mit einem Alleinstellungsmerkmal: der sorgsame Umgang mit den Kandidat:innen und das Indenvordergrundstellen der musikalischen Komponente sorgte zwar auch schon für gelegentliche Langeweile und Kritik am Kuschelkurs des “bonbonfarben illumierten Waldorfkindergarten“s, machte das Zuschauen aber für jeden, der sich nicht gerne an der öffentlichen Bloßstellung von Menschen im Fernsehen delektiert, zum Vergnügen. Und da, wie bereits Helmut Kohl treffend feststellte, “entscheidend ist, was hinten rauskommt”: mit LML förderte die Show einen echten Star zutage, der Deutschland zumindest für ein halbes Jahr in mehr oder minder kollektive Verzückung versetzte. Nachdem Raab 2011 sein Format mit einer extrem zähen, neunstündigen Dauerwerbesendung für Lenas neues Album selbst demontierte, entschied er sich in diesem Jahr zum endgültigen Verrat seiner Idee. Mit der sich als Zufallsgenerator entpuppenden Blitztabelle führte auch er ein gnadenloses Bloßstellungselement in die Show ein.
Der Vorentscheid auf Neun-Live-Niveau: die Blitztabelle.
Es tat körperlich weh, das spür- und sehbare Unbehagen der USfB-Kandidaten aushalten zu müssen, wenn diese sich kollektiv auf der Bühne vor laufenden Kameras dem Sympathievoting der Zuschauer beziehungsweise den bestenfalls an Roulette erinnernden Entscheidungen über Ausscheiden oder Weiterkommen stellen mussten. Das hatte etwas von der Grausamkeit der spanischen Inquisition. Dazu kam der aktuelle Castingshowoverkill mit Formaten auf allen Kanälen, die den menschlichen Umgang miteinander, Raabs ursprüngliches Alleinstellungsmerkmal, teilweise aufgriffen (man denke an das erfolgreichere, zeitgleich laufende Voice of Germany). Verstärkt durch eine in peinlich lobhudelnde Kuscheljury, den immergleichen, zu Tode nervenden Einspielern und weitestgehend austauschbaren Kandidat:innen blieb so nichts als ins Unendliche ausgewalzte Ödnis. Natürlich macht es auch der so unfaire wie unvermeidliche Vergleich mit Lena Meyer-Landrut schwer, an den Glanz der ersten Staffel auch nur ansatzweise heranreichen zu wollen. Und noch bleibt abzuwarten, ob der äußerst kuschlige Roman Lob mit ‘Standing still’ nicht doch noch einen veritablen Verkaufshit und eine achtbare Platzierung in Baku zu erreichen vermag, was die Agonie von USfB im kollektiven Gedächtnis sicher wieder ein wenig abmilderte.
Die Blockflöte des Todes (BuViSoCo 2010): so was hätte ich gerne mal!
Dessenungeachtet zeigen die Zuschauerzahlen aber, dass Raabs Format nicht mehr zu überzeugen vermag. Da die in Unterhaltungsdingen bekanntermaßen völlig planlose ARD sicherlich gerne am Kölner Macher festhalten mag, würde ich mir wünschen, dass ab nächstem Jahr stattdessen der Bundesvision Song Contest als Vorentscheidungsformat dienen sollte. Oder?
Taugt Unser Star für… noch als Vorentscheidungskonzept?
- Nein. Nächstes Jahr bitte etwas anderes. (64%, 44 Votes)
- Nein. Und bitte keine Zusammenarbeit mehr mit Raab! (20%, 14 Votes)
- Ja. Die Quote ist doch egal, das Ergebnis zählt. (16%, 11 Votes)
Total Voters: 69

Diese Sendung wäre viel besser, wenn man die die Sendung unnötig in die Länge ziehende Elemente weglassen würde. Wenn ein Lied knappe 4 Minuten dauert (was schon eine mehr als erlaubt ist), und dann von den Moderatoren wirklich ganz kurz interviewt wird, während sich der nächste vorbereitet, dann müsste doch ein Kandidat in 5 Minuten “abgearbeitet” sein. Beim ESC macht man das ja dann auch so. Einspielfilmchen und direkte Jurykommentare sind ja unnötig. Am Anfang so 5 bis 10 Minuten Blabla und nach dem letzten Beitrag dann etwa 15 bis 20 Minuten Zeit zum Abstimmen. In dieser Zeit kann ja eine Jury nochmal kurz alles revue passieren, was passiert ist, wenn es sein muss. Für Pro Sieben noch ein bisschen Werbung und die 10er-Show wäre um 21:45 zu ende, ohne dass was wichtiges fehlt. Man könnte im Ersten sogar eine 20er-Show machen, die etwa um 22:30 zu Ende wär.
Hier deshalb mal mein ganz persönliches Konzept für 2013:
1. Show im Ersten: 20 Kandidaten tragen jeweils den einen Song vor, den sie schon immer mal live vor Publikum singen wollten. Super-Kurz-Interviews, keine Einspieler und Jury nur am Ende zusammenfassend. Meinetwegen so eine Kurzvorstellung wie in diesem Jahr zu Beginn jeder Show, allerdings, ohne dass da schon abgestimmt werden darf. Der Drops ist um 22:30 gelutscht, was die Sendung doppelt so effektiv macht wie die 10er-Shows in diesem Jahr. Man erkennt eine Ähnlichkeit zum ESC. Wichtig: Bands und Duette dürfen auch auftreten und nicht nur Solo-Künstler.
2. Show auf ProSieben: Die 10 besten der vergangenen Woche covern noch einmal ein Lied, doch diesmal heißt es: Motto-Show ESC. Wir wollen ja einen Bezug zur Aufgabenstellung herstellen. Sendung ist um 21:45 zu Ende.
Nun, in Vorbereitung für die restlichen Shows, suchen sich die 6 Erstplatzierten jeweils 3 Lieder aus, mit denen sie sich vorstellen könnten, für Deutschland anzutreten. Eines davon darf nicht auf Englisch sein. Dabei wird die Unsitte, dass die meisten Lieder von allen gesungen werden müssen, abgeschafft.
3. Show auf ProSieben: Die besten 6 schaffen es hier her. Jeder trägt nun einen der drei von ihm ausgesuchten Lieder vor. Da es nur noch 6 Lieder sind, gibt es ein bisschen mehr Zeit, die Kandidaten vorzustellen und noch, um so lustige kleine Dinge einzubauen, wie eine Vorschau auf Beiträge anderer Länder.
4. Show im Ersten: Die besten 3 der 3. Show tragen nun alle drei Songs vor. Nach einem kurzen Beginn bekommt jeder Künstler oder jede Band 15 bis 20 Minuten Zeit, sich selbst und seine drei Songs zu präsentieren. Dann gibt es wieder etwas Zeit zum Anrufen und um ca. 21:30 steht für jede Gruppe ein Lied fest, mit dem sie nun im “Superfinale” antreten. Um 22:00 sollte dann auch das Finale geschafft sein.
Klingt das nicht etwas kurzweiliger? ProSieben kann dann ja auch das Casting und die Promotion wieder in die Hand nehmen.
Oliver, wie würde denn eine Vorentscheidung aussehen, die du nach einen Wünschen gestalten dürfest? Und welche Acts wären dabei?
Da
die in Unterhaltungsdingen bekanntermaßen völlig planlose ARD
sicherlich gerne am Kölner Macher festhalten mag, würde ich mir
wünschen, dass ab nächstem Jahr stattdessen der Bundesvision Song Contest als Vorentscheidungsformat dienen sollte. Oder?
BuViSoCo als offizieller ESC-Vorentscheid, daraus wird natürlich nichts.
ProSieben wird den BuViSoCo nicht der ARD schenken, und die ARD wird ProSieben nicht den ESC-Vorentscheid schenken. Alleine daran würde es schon scheitern.
Darüber hinaus ist ein ganz wichtiges Markenzeichen des BuViSoCo die Sprachregelung. Ich persönlich möchte nicht, dass der ARD-(ProSieben-)Beitrag zukünftig zwingend auf deutsch sein muss.
* * *
Trotzdem muss eine weitere Reform her. Ich habe kein grundsätzliches Problem damit, dass Raab es wieder macht. (Andererseits hatte er ja eigentlich schon seinen Rückzug vom ESC verkündet – Butter bei die Fische, Stefan.)
Aber eine Reform muss her. Der Vorschlag von Christian S. gefällt mir beispielsweise recht gut nach dem ersten Lesen…
* * *
Und weg mit der permanenten Blitztabelle!!!
Von mir aus kann man zwischen den Songs mal kurz die Tabelle einblenden. Aber nicht während der Songs, wenn vermeintlicher Szenenapplaus einsetzt, der aber eigentlich einem anderen gilt, der gerade einen Sprung in der Tabelle gemacht hat – das ist unwürdig.
Dann von mir aus nach dem letzten Song nochmal eine kurze Einblendung, dann aber bitteschön weg damit für die letzten, ma’ sag’n, 10 Minuten der Abstimmung.
Ach, am besten ganz weg mit der Blitztabelle…
Sorry Oliver, schon wieder dieses Phänomen…
Den Absatz ganz oben wollte ich eigentlich zitieren, aber er erschien nicht im Textfeld (Copy & Paste). Ich wollte sichergehen, dass das da oben nicht wieder passiert, hab’ darum die Seite geschlossen und neu aufgerufen. Und doch… *shrug*
Ach ja, was vielleicht noch wichtig wäre und durchaus im Einflussbereich von ProSieben liegen sollte:
Nicht wieder mit “Voice of Germany” kollidieren!!!
(Wenn ich mir deren Siegerin anhöre, könnte das qualitativ eher dünne USFB-Teilnehmerfeld tatsächlich damit zu tun gehabt haben.)
@969b6bb4c95fccf3bf6c3b8500076d08:disqus @9c72cf37330099020f939863c16d149c:disqus
Ich glaube nicht, dass ProSieben der ARD den BuViSoCo “schenken” muss. Der Raab hat den schließlich von der ARD bzw. der EBU dreist geklaut. Denn es ist ja nichts anderes als eine Miniatur-Eurovision. Die ARD könnte den – natürlich unter anderem Namen – also jederzeit problemlos auch selbst durchführen. Sie wäre mit ihren Landesrundfunkanstalten ja auch dafür prädestiniert. Man hat ja jetzt schon versucht, die Radiowellen mit ins Boot zu holen (mit eher unsäglichen Nebeneffekten): das kann die ARD besser! Sie muss ja auch nicht 16 Bundesländer gegeneinander antreten lassen – neun Landesrundfunkanstalten tun es auch. Dann läuft die Identifikation halt nicht übers Bundesland, sondern über meine ARD-Popwelle – eine Win-win-Situation für diese Sender!
Am besten lasse man diesen bei der Auswahl ihres Vertreters völlig freie Hand (eigene regionale Vorentscheidung im Dritten, Radiovorentscheid, durch den Intendanten persönlich handverlesener Beitrag, Nachwuchsförderung, wie auch immer) – und der Ehrgeiz ist geweckt! Und sollten sich, wie man das in der ARD kennt, wieder einzelne Landessender quer legen, dann macht man’s halt ohne die – sollen die mal erleben, zu welchen Proteststürmen ESC-Fans fähig sind! 🙂
Und im Finale im Ersten dann natürlich regionales Televoting – ohne die Möglichkeit, dem Beitrag des eigenen Landessender 12 Punkten zu geben. Und ohne deutschtümelnde Sprachregelung wie beim Raab. Das ganze dann noch ohne die von Pro7 bekannten ellenlangen Werbepausen und die unter Zwangsfröhlichkeit und Sprechdurchfall leidenden Privatradio-Punkteansager: schlechter als die jetzige Einschaltquote kann das nicht werden! Und besser, was die musikalische Vielfalt angeht, würde das auf jeden Fall! Und jeder Landessender hätte es in der Hand, aus seiner Vorauswahl auch noch einen identitätsstiftenden und Hörer bindenden Event zu machen.
Das wäre also das von mir bevorzugte Vorentscheidungsformat. Ich hoffe dabei auf etablierte Acts, aber wenn gute Nachwuchsbands kommen, soll es mir auch recht sein. Die Mischung, die der Raab beim BuViSoCo hat, find ich ja im Prinzip nicht schlecht – nur, dass das Event im Moment herzlich sinnlos ist, weil der Sieg dort, außer ein bisschen Aufmerksamkeit, nichts bringt und versandet. Das verknüpft mit der Teilnahme am Grand Prix, was ja im Gegensatz zu den Neunzigern nicht mehr so unbedingt den Nimbus des Peinlichen hat, das könnte ein totaler Renner werden.
Im übrigen finde ich das Konzept von Christian S. aber auch sehr überzeugend!
Es dauerte 25 Minuten, bis der erste Song erklang. Allein das zeigt schon die tödliche Langeweile der Sendung, gegen die das maltesische Finale wie ein Feuerwerk aussah. Würde beim ESC genauso viel gequatscht werden, wäre ich sogar als Live-Zuschauer weg und würde eine Zusammenfassung bevorzugen. Keine ewiggleichen Shows mehr, nur noch 1 oder 2 in straffer Reihenfolge der Songs. Einfach mal etwas von Mello oder MGP abkupfern.
Und wie jedes Jahr mein gleicher Wunsch, bitte auch wieder einige deutsche Texte.
Ich habe nix gegen eine weitere Zusammenarbeit von ARD und Pro Sieben. Aber warum hat sich die ARD bei Unser Star für Baku so wenig eingebracht? Warum mußten auf Pro Sieben 6 Shows laufen und bei der ARD nur 2? Warum nicht bei jedem Sender 4? So sieht ne Partnerschaft aus. Und nicht das der eine Partner fast alles macht und der andere fast nichts. Und was genau machen eigentlich die Radiowellen, außer das sie in der Show kurz erwähnt werden und alberne Spielchen im Netz machen?
Auch fand ich die Sendung vom Aufwand her ziemlich billig. Die ARD und Pro Sieben sollten weiter zusammenarbeiten, denn was rauskommt wenn die ARD alleine herumdoktert, hat man in den Jahren 2005 bis 2009 gesehen. Ein gutes Abschneiden von Roman Lob ist nicht ausgeschlossen und auch wünschenswert. Nicht umsonst ist ja sein Song bei den I‑Tunes-Charts auf die 1 geschossen. Das gehört aber auch zur Bilanz. Eine VE kann unterhaltsam sein, aber dann muß man was dafür tun.
Oha, Oliver, das gibt es aber schon: http://www.sputnik.de/newmusicaward
Demnach hätten uns die letzten Jahre Kraftklub und Captain Capa vertreten. Hätte ich gut gefunden. 😉
Also BuVisCo, aber unter anderem Namen, ohne Raab, ohne Bundesländer (stattdessen die Rundfunkanstalten), ohne Sprachregelung und ohne Voten für den “eigenen” Beitrag. Da muss ich ein bißchen schmunzeln, denn da bleibt ja letztlich nicht mehr viel BuVisCo übrig 😉
Aber ich denke, ich verstehe Dich schon. Vom Grundkonzept natürlich nicht uninteressant, ich sehe aber zwei Probleme:
* * *
1. Dass man beim BuVisCo quasi für sich selbst voten kann, ist, so glaube ich, dem geschuldet, dass man beim Voten via Handy bzw. SMS nicht die Herkunft des Votums kontrollieren kann. (Man verbessere mich, wenn ich Unsinn rede.)
Um das Eigenvoting auszuschließen, müsste man das Voting demnach auf’s Festnetz beschränken.
Ich glaube, damit käme man beim jungen Publikum gar nicht gut an. Es muss aber das Ziel sein, das junge Publikum anzusprechen, damit der ESC nicht wieder einstaubt.
Außerdem glaube ich, dass auch die ARD auf die Einnahmen aus Handy- bzw. SMS-Voting nicht gerne verzichten würde – die mögen Geld auch ganz gerne…
* * *
2. Beim BuVisCo sind die hohen Punktewertungen hinter der 12 “für das eigene Bundesland” eigentlich immer gleich. Variationen gibt es eigentlich nur bei den kleinen Punktwertungen.
Die kulturellen Unterschiede sind von Bundesland zu Bundesland einfach nicht groß genug, um relevante und damit interessante (!) Punkteunterschiede auszumachen.
Somit ist es eigentlich albern, Punkte von 1 bis 12 aus allen Bundesländern (oder Regionalgebieten) einzuholen, da kann man genauso gut am Ende einfach alle Telefonvoten (sowie Handy- bzw. SMS-Voten) addieren und gut – so wie es früher war.
* * *
Unter’m Strich: Auch ich finde den Vorschlag von Christian S. überzeugend – überzeugend genug auf jeden Fall, um ARD/ProSieben diesen für die nächste Saison ans Herz zu legen.
Ich für meinen Teil glaube nicht, dass das Grundkonzept der Show per se schlecht ist.
Gut, man kann sich über Kandidaten – Einspieler streiten, darüber diskutieren, ab dem internationalen ESC-Zuschauer ein ähnliches Tool zur Verfügung steht oder nicht, aber auch wenn dem nicht so wäre, müssen doch letztendlich WIR mit unserem Kandidaten leben. Weil dem so ist, finde ich die eine oder andere Info über die Sängerin respektive den Sänger nicht ganz unwichtig. (Klar, die Dinger könnten etwas liebevoller gestaltet und nicht, wie in diesem Jahr, vom Halbjahrespraktikanten zusammengeschustert sein!)
Aber auch auf internationaler Ebene gibt es Vergleichbares. Auch dort werden doch bereits Wochen vor dem ESC Final, einzelne Finalisten medial durchgereicht. Wie war das denn bei LML? Die PR-Maschinerie, die vor zwei Jahren angeschoben wurde, war – zumindest auf deutscher Ebene – ein Novum. Lenchen tingelte von Talk zu Talk, gab eine Pressekonferenz nach der anderen, hüpfte von Norwegen gleich mal rüber nach Schweden, gab gleich mehrere Ständchen mit Herrn Rybak und verkörperte dabei immer die sympathisch durchgeknallte Lolita, die WIR auch in den MAZen zu sehen bekommen haben. Gleichzeitig erinnere ich mich daran, in sämtlichen Morgenmagazinen fast jeden Tag mit einem anderen ESC-Final-Teilnehmer penetriert worden zu sein. Klar, das setzt Charisma voraus, das auch international emotionalisiert und genau sind wir beim Problem des diesjährigen Vorentscheids.
Die Kandidaten waren schlecht! Nicht zwingend gesanglich (wobei – genau betrachtet … doch, viele waren es leider auch gesanglich!), aber im Vergleich zum Powerschleudergang mit Kuschelfaktor, standen bei USFB lediglich Weichspülprogramme mit Einlauf- bzw. Einschlafgarantie auf der Bühne. Wo sind die Ecken und Kanten, wo ist die Ausstrahlung, die Empathie – schlichtweg – wo ist der Funke, der einfach mal überspringt. Nichts! Keine Spur davon und wie das Sprichwort von den Blinden schon richtig feststellt: Roman war und ist unter seinesgleichen der Einäugige.
Aber noch fataler als die Auswahl der Kandidaten war das, was sich Jury nannte. Thomas D. – wie ich finde, der Goethe unter den deutschen Liedtextern, war als Präsident leider kein Dichter, sondern im Vergleich zu Stefan und Alina nur noch dichter. Seine sich immer wiederholenden Phrasen waren austauschbar, beliebig und ohne jeden Mehrwehrt. Auch Alina, die ich als Sängerin sehr schätz, wäre mit ihren Kommentaren wohl besser in einem Waldorfkindergarten aufgehoben gewesen, als im USFB-Studio. Der Einzige, der ein wenig glänzte, war Herr Raab, der mit seinem selbstgefälligen Grinsen und seiner Ralph Siegel Mentalität alles wieder wettgemacht hat. Im Klartext: der ESC ist nicht Schlag den Raab, aber leider inzwischen vom Größenwahn just jenen Herren dominiert. Der Versuch der Titelverteidigung war hoffentlich der Klimax und USFB mit samt Blitztabelle nur ein Ausklang.
Zudem erwarte ich von einer Jury, dass sie den Nagel auf den Kopf trifft – dabei muss man nicht persönlich werden und niemanden demontieren – aber es muss auch mal gesagt werden, dass jemand schlecht singt, wenn er schlecht singt und genau das war leider Gottes mehr als nur einmal der Fall! Und sollte tatsächlich die Jury bzw. der Jurypräsident Schuld an der Auswahl der Kandidaten gewesen sein, sei noch eine – letzte – Frage gestattet: wo ist die Innovation, das Neue, das BAHNBRECHEDE, von dem so viel im Vorfeld gesprochen wurde. Soll es tatsächlich allein die Blitztabelle gewesen sein? Wo waren die Duette, die Gruppen? Wo waren die Polarisierer, die Rebellen und all die – wie Lena – die nicht sind, wie der Rest? Was ist mit den Beiträgen, den eigentlichen Songs? Mein Gott, taken by stranger ist doch der beste Beweis, dass es eben nicht immer 0/8/15 sein muss – standing still ist mit Sicherheit nicht schlecht, aber leider auch eben nur das!
Ja, nächstes Jahr muss sich einiges ändern. Die Funktion der Jury sollte überdacht werden und dabei muss man sich dann auch die Frage gefallen lassen, ob eine TV-präsente Jury überhaupt einen Sinn macht. Bei der Auswahl der Kandidaten sollte nicht nur (noch) mehr Wert auf die stimmliche Qualität, sondern auch auf die Wieder- und Unverwechselbarkeit geachtet werden. Selbiger gesteigerter Wert muss dann aber auch den Songs zuteilwerden. Und immer wieder und wieder muss man sich dann, auf Seiten der Verantwortlichen, die Frage stellen, was ist der USP und was ist beim entsprechenden Beitrag das Besondere. Die Antwort für 2012: leider NICHTS! – Schade!!!!
Vielleicht war unter den Kandidaten auch kein Zweiäugiger, weil man den ESC nicht schon wieder ausrichten will. Scheinbar scheint es jetzt erst wieder ein paar Jahre zu reichen, sich einfach nicht zu blamieren. Danach setzt dann wieder schleichender Verfall ein, bis es doch wieder zu Blamagen kommt und erst dann besteht die Chance, dass wir abermals wie Phönix aus der Asche kommen, weil erst dann wieder der nötige Mut (und der nötige Druck) für Veränderungen da ist. Wer weiß, wer weiß … The history book on the shelf …
Ich bin auch nicht glücklich darüber, dass man von Anfang an auf Gedeih und Verderb auf einen Solisten/eine Solistin festgelegt ist. Duette und Gruppen gehören auch zum ESC und sollten nicht von einem teilnehmenden Sender ausgeschlossen sein.
(Gut, zum Glück gibt es mit dem Schweizer Fernsehen eine Anlaufstelle für absolut alles, was es gibt, und nicht allzu patriotisch belastet ist…)
[…] dem hausgemachten Quotendesaster von Unser Song für Baku und dem erwartbaren schlechten Abschneiden des ultralangweiligen […]