Vor wenigen Tagen veröffentlichte das finnische Fernsehen YLE auf einen Schlag alle 18 Beiträge für die drei Vorrunden der Uuden Musiikin Kilpailu (UMK), inklusive dazugehöriger, in einem eigenen Youtube-Kanal bereit gestellter, professionell produzierter Musikvideos (und ja, ich schäme mich dafür, dass der ungleich finanzstärkere öffentlich-rechtliche Sender meines Landes nicht mal das hinbekommt). Einziger mir bekannter Name im Line-Up ist Tapio Huuska alias Cristal Snow, der 2008 schon mal am finnischen Vorentscheid teilnahm. Er hat mit ‘Love is blind’ eine klassische Liebesballade mit cleveren Textzeilen wie “You look like Jesus / but you taste like Sin” im Gepäck, für die ich wirklich gerne entflammen würde. Zumal sie eine schwule Liebesgeschichte erzählt, was das dazugehörige Video auch ansprechend illustriert. Aber leider wirkt die Nummer, bis auf die wirklich gelungene, herausragende Rückung, doch ein bisschen lauwarm; ihr heterosexuelles Kitsch-Pendant ‘Good enough’ von Annica Milán und Kimmo Blom kommt sowohl musikalisch als auch mit seinem düster-romantischen Bonnie-und-Clyde-Video deutlich eindrucksvoller daher. Und liegt auch in den ersten Wettquoten (!) höher.
Im Garten der Liebe: Cristal Snow (FI).
Auch Juliane Werdings ‘Geh nicht in die Stadt (heut’ Nacht)’ würde sich ideal als Soundtrack zu diesem Clip eignen: Annica & Kimmo (FI).
Mit dem dortigen Favoriten Mikael Saari (auch er ein UMK-Wiederkehrer, der 2013 schon mal teilnahm, den ich aber verdrängt habe) und seiner depressiven Ballade ‘On it goes’ kann ich wiederum überhaupt nichts anfangen, sie belegt bei mir Platz 18 im UMK-Ranking – und dürfte damit als Siegertitel feststehen. Vermutlich chancenlos hingegen meine drei diesjährigen UMK-Lieblinge, nämlich zum einen die Rockchicks mit dem fantastischen Bandnamen Barbe-q-Barbies (‘Let me out’) sowie der Umlaut-Amoklauf Pää-äijät, zwei sympathische, prollig-bullige Bartträger in discofizierten Trucker-Outfits, die ein wenig wirken, als seien sie aus längst vergangenen Rednex-Zeiten übrig geblieben. Und die mit dem heftig bouncenden Partytrack ‘Shamppanjataivas’ ungehemmt gute Laune verbreiten – etwas, das in den Zeiten der Jurys bekanntermaßen unter Höchststrafe steht. Auch keinen Stich machen dürfte wohl die nicht mehr ganz taufrische Elektro-Schlagersängerin Eini, deren Beitrag ‘Draamaa’ ich alleine schon wegen des Titels und seiner äußerst passenden finnischen Schreibweise favorisiere. Und wegen des dazugehörigen Videoclips natürlich!
2 Tons of Fun: Pää-äijät (FI).
Wer würde seine Karosserie nicht gerne von solchen Kfz-Mechanikern checken lassen? Eini (FI).
Ab 6. Februar 2016 gehen die UMK-Vorrunden los, das Finale findet am 27. Februar 2016 statt. Bereits sehr viel länger draußen sind die zwanzig Eesti-Laul-Beiträge (Semis am 20. und 27. Februar, Finale am 5. März 2016). Dass ich über sie bislang noch nichts schrieb, hat neben Zeitmangel auch damit zu tun, dass ich ehrlich gesagt nicht wüsste, was. Fast alle zwanzig Titel lassen sich mehr oder minder als sehr coole, angenehm schräge Elektro-Songs klassifizieren, oftmals sphärisch und als Soundtrack für ein sehenswertes Off-Movie geeignet. So ziemlich alle sind gut, bei fast keinem will ich beim Anhören vorspringen und beinahe jedes wäre auf seine Art eine Bereicherung für das Wettbewerbsumfeld. Es gibt aber umgekehrt auch keinen Eesti-Laul-Beitrag, bei dem ich spontan sagen könnte: “Wow. Der ist es”. Mit vielleicht einer einzigen Ausnahme: Meisterjaan, das musikalische Genie hinter dem besten nicht gewählten Vorentscheidungssong aller Zeiten, ‘Unemati’ (2011). ‘Parmupillihullus’, sein diesjähriger Streich, erweist sich als hochgradig verstörender Track mit Maultrommel, Kehlgesang und trippig stolpernden Elektrobeats und hat natürlich nicht die geringste Chance, auch nur ins Finale zu kommen, lässt aber aber alles Andere neben sich komplett verblassen. Und damit meine ich wirklich: alles.
Arielle auf estnisch: Meisterjaan (EE).
Inklusive der isländischen Songs. Der dortige Sender RÚV gab gestern die zwölf Beiträge für den zeitgleich mit den finnischen Kollegen startenden Söngvakeppnin 2016 (Semis am 6. und 13. Febuar, Finale am 20. Februar 2016) bekannt, wenn auch vorerst nur als Audiotrack: allesamt eher glanzlose, uninspirierte, auf Nummer Sicher gehende Liedlein. Hier sind es gerade mal zwei Titel, die meine Aufmerksamkeit für länger als zehn Sekunden halten können: ‘Raddirnar’ von Greta Salóme Stefánsdóttir (IS 2012), die klassischste und am meisten auf Nummer Sicher gehende Komposition von allen, aber auch die am ehesten auf die Zwölf zielende. Sowie das mit dem Sound von spielhallentauglichen Video-Games der Achtziger experimentierende ‘Kreisí’ von Sigríður Eyrún Friðriksdóttir, das in seiner verspielten Schrägheit tatsächlich fast auch ins Eesti Laul passen könnte, wäre da nicht die vergleichsweise saftige, fast schon kommerziell zu nennende Hook. Diese Nummer wünsche ich mir für Stockholm! Und könnte jetzt schon wetten, dass mich Ende wieder alle drei Länder enttäuschen.
Sieht gar nicht so Kreisí aus: Sigga (IS).
So, wie das unser sympathisches Nachbarland bereits schaffte: dort fand gestern auf Facebook die Abstimmung über die Wildcard für die nationale Vorentscheidung Wer singt für Österreich am 12. Februar 2016 statt. Die aber ohnehin keinerlei Relevanz mehr besaß, da die ORF-Jury von den insgesamt 37 im Vorfeld präsentierten Aspirant/innen lediglich fünf zur Wahl stellte – und dabei natürlich alle guten Beiträge aussortiert hatte. So, als sollte der Wildcard-Sieger auf keinen Fall den ebenfalls unlängst ausgewählten neun regulären Finalist/innen (darunter meine Vorjahresfavoritin Zoë und der schmucke Sankil Jones) gefährlich werden können. Lustigerweise gab es dennoch Drama: wie die auch aus The Voice of Germany bekannte Sara Koell behauptete, sei es in der Endspurt-Phase des 24stündigen Votingfensters auf dem amerikanischen Portal zu auffälligen, nicht aus dem österreichischen Raum stammenden Stimmenhäufungen bei den Konkurrentinnen Laura Kamhuber und Azrah gekommen. Der ORF selbst räumte “Unregelmäßigkeiten” ein und nahm “offensichtlich manipulierte Likes aus der Wertung”, die am Ende dennoch Azrah mit dem total egalen ‘The One’ gewann. Gähn.
Ganz sicher nicht Die Eine: Wildcard-Gewinnerin Azrah (AT).
Eine schöne Analyse, die prima einen ersten Peal der stetig ansteigenden ESC-Fiberkurve darstellt. Der Song der österreichen Wildcard-Gewinnerin ist richtig übel. Das ist Musik wie von den grauenhaften Gemafrei-CDs, die in den 1990er-Jahren immer als akustische Hintergrunduntermalung zu Pornos verwendet wurden.
Weswegen ich Erwachsenenunterhaltungsstreifen ja auch immer mit abgedrehtem Ton schaue, dann muss ich weder die GEMA-freie Musik noch die schlimmen Dialoge ertragen…
stöhn, hechel, schrei, jauchz – mir gehen die Erikative aus!