San­re­mo 2016: Ita­li­en schickt die zwei­te Wahl

Es geht ein­fach nicht ohne gro­ßes Dra­ma in dem Land, das die Oper erfand und mit dem San Remo Fes­ti­val auch die Blau­pau­se für den Euro­vi­si­on Song Con­test. Im Fina­le des­sel­ben soll­te ges­tern Abend eigent­lich auch der Reprä­sen­tant des stie­fel­för­mi­gen Adria­staa­tes für den gesamt­eu­ro­päi­schen Wett­be­werb im Mai 2016 ermit­telt wer­den. Das gelang nur bedingt: am Ende der wie immer gna­den­los über­zo­ge­nen Sen­dung kür­ten irgend­wann tief in der Nacht gleich zwei Jurys und die Tele­vo­ter die Rock­grup­pe Sta­dio zum dies­jäh­ri­gen Sie­ger: eine Ansamm­lung älte­rer Her­ren, deren Front­mann mit rau­er Reib­ei­sen­stim­me zu einem kraft­los vor sich hin plät­schern­den Hin­ter­grund­ge­du­del einen Strom der Wor­te ins Mikro­fon sprach – von Sin­gen kann hier beim bes­ten Wil­len kei­ne Rede sein. Nach zwei Minu­ten ent­deck­ten sei­ne Beglei­ter dann doch noch, dass sie da ja Gitar­ren in den Hän­den hiel­ten, und rock­ten unver­mit­telt los, wor­auf­hin man als Zuschau­er panisch aus dem Schlaf hoch­schreck­te. Eine Dar­bie­tung, wie sie bei einem Pop­wett­be­werb wie dem ESC frag­los Nil Points beim Publi­kum ein­ge­sam­melt hät­te, plus ein paar Mit­leids­zäh­ler bei den Jurys. Doch die­ser Kelch geht an uns (und der RAI) nun vor­bei: Sta­dio lehn­ten das Ticket nach Stock­holm dan­kend ab.

Der vor­aus­sicht­li­che ita­lie­ni­sche Bei­trag 2016.

Jeden­falls hieß es so noch in der Nacht. Sonn­tag­mor­gen, so berich­te­te der NDR, hat­ten es sich die Her­ren dann schon wie­der anders über­legt und baten um ein wenig Bedenk­zeit. Was die Euro­vi­si­ons­fans in Angst und Schre­cken ver­setz­te, die bereits flei­ßig Über­le­gun­gen anstell­ten, nach wel­chen (mei­nes Wis­sens nach nicht vor­han­de­nen) Regu­la­ri­en die RAI denn nun vor­ge­hen und wen zum Ersatz-Act ernen­nen könn­te. So herrsch­te völ­li­ge Kon­fu­si­on: fah­ren Sta­dio oder nicht, wie lan­ge kön­nen sie die Ent­schei­dung hin­aus­zö­gern, wer­den bereits Alter­na­ti­ven gesucht? Doch am Nach­mit­tag kam die Ent­war­nung: nach einem Blick in ihren Ter­min­ka­len­der ent­deck­ten die Opis, dass sie im Mai bereits auf Tour sind, und für so einen pope­li­gen Song Con­test wer­fen gestan­de­ne Rocker wie Sta­dio nun mal nicht ihre Plä­ne über den Hau­fen. Glück für Fran­ce­s­ca Michie­lin: die zwan­zig­jäh­ri­ge ehe­ma­li­ge X‑Factor-Sie­ge­rin erhielt als Zweit­plat­zier­te von der RAI das Ange­bot, nach­zu­rü­cken. Und muss­te kei­ne zwei Minu­ten über­le­gen. Nun ist nur noch offen, mit wel­chem Song: ihr San-Remo-Bei­trag ‘Nes­sun Gra­do di Sepa­ra­zio­ne’ scheint aller­dings eher für den inner­ita­lie­ni­schen Gebrauch kom­po­niert zu sein als für den inter­na­tio­na­len Wett­be­werb. Und das Arm­we­deln muss Fran­ce­s­ca noch unter Kon­trol­le bekom­men, da wird einem ja ganz schwummerig!

Blei­ben uns erspart: die Gruf­tro­cker Stadio.

Scha­de ist es um den Sie­ger in der Nach­wuchs­ka­te­go­rie Nuo­ve Pro­pos­teFran­ces­co Gab­ba­ni, den eini­ge Fans im Zuge des Sta­dio-Deba­kels eben­falls als Ersatz­kan­di­dat ins Gespräch brach­ten. Was gar nicht so abwe­gig gewe­sen wäre: schon 2011, bei der ers­ten Euro­vi­si­ons­teil­nah­me nach jahr­zehn­te­lan­ger Pau­se, schick­te die RAI den Nach­wuchs­sie­ger, Rapha­el Gual­az­zi. Sei­ner­zeit lei­der, denn Rapha­el kam mit einem furcht­ba­ren Bar-Jazz-Geklim­per. Fran­ces­co aber gewann mit ‘Amen’, einem fröh­li­chen, sich selbst auf die Schip­pe neh­men­den Rap­song. Und wirk­te beim Vor­trag wesent­lich locke­rer, sym­pa­thi­scher und selbst­si­che­rer als sei­ne Vor­na­mens­vet­te­rin Fran­ce­s­ca. Bei­de, so kann hier freu­dig ver­merkt wer­den, tru­gen übri­gens bei ihren Auf­trit­ten gut sicht­ba­re Regen­bo­gen­bän­der, mit denen sie ihre Unter­stüt­zung für die der­zeit erst im ita­lie­ni­schen Par­la­ment dis­ku­tier­te, von der im Land mäch­ti­gen katho­li­schen Kir­che aber bis aufs Blut bekämpf­ten Homo-Ehe signa­li­sier­ten. Bra­vo! So oder so: Haupt­sa­che, uns blei­ben die schlim­men Rent­ner-Rocker erspart.

Rockt sei­nen Ober­lip­pen­bart: der schnuck­li­ge Francesco.

Nach­trag 16.02.2016

Mitt­ler­wei­le hat Fran­ce­s­ca bestä­tigt, dass sie mit ‘Nes­sun Gra­do di Sepa­ra­zio­ne’ nach Stock­holm fährt. Der Bei­trag soll musi­ka­lisch noch mal gründ­lich auf­ge­bü­gelt wer­den – eine Kür­zung auf die euro­vi­si­ons­kon­for­men drei Minu­ten ist ohne­hin erfor­der­lich. Dass sie im Nach­gang aber noch einen rich­ti­gen Refrain in das Can­zo­ne ein­baut, bezweif­le ich. Und somit dürf­te Ita­li­en in die­sem Jahr wohl eher wie­der unter “Fer­ner lie­fen” lau­fen. Schade!

Soll­te Fran­ces­co Michie­lin mit ‘Nes­sun gra­do di sepa­ra­zio­ne’ antre­ten oder einem ande­ren Song?

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4 Comments

  • Yay, gleich drei ein­ge­bun­de­ne Vide­os, die gleich­zei­tig auto­ma­tisch star­ten. Das ist ganz groß­ar­tig tech­nisch gelöst von der Rai!

  • Wäre für Amen, fin­de den Song von Fran­ce­s­ca zwar nicht sch­echt – halt auch nicht berau­schend – aber immer noch bes­ser als Sta­dio. Ist deren Song text­lich so gut? Denn musi­ka­lisch ist das doch ziem­lich seicht.

  • Ich hof­fe instän­dig, dass die gewähl­te reprä­sen­tan­tin mit einem ande­ren lied in schwe­den antritt, als die­sem höl­lisch öden mid­tem­po­ge­jau­le. der hier zu hören­de titel müss­te eigent­lich “nes­sun gra­do di modu­la­zio­ne” heis­sen, singt die dame doch über die gesam­te dau­er des vor­trags bestän­dig auf einem ton her­um (sie kann wohl nur den) und wenn dann die ton­la­ge geän­dert wird, kommt nur noch ein jäm­mer­li­ches kiek­sen.…. gru­sel­fak­tor 10

    das sie­ger­lied gefällt mir in der video­fas­sung aus­ge­spro­chen gut. lei­der haben die her­ren in ihren live­auf­tritt der­art viel thea­tra­lik her­ein­ge­legt, dass damit der lyri­sche cha­rak­ter kom­plett ins lächer­li­che gezo­gen wird. viel hilft eben doch nicht immer viel.…

  • ich fin­de den eigent­li­chen sie­ger­ti­tel von sta­dio gar nicht so übel – wäre immer­hin eine abwechs­lung zum for­mat­ra­dio­main­stream die­sen jahr­gangs; aber ich kann etwa­ige abnei­gun­gen gegen lied und band nach­voll­zie­hen (auch wenn ich sie nicht tei­le). was die rai dazu bewo­gen hat, signo­ri­na michie­lin zu nomi­nie­ren (der wett­be­werb muss in die­sem jahr ganz schwach gewe­sen sein, dass sie damit sogar zwei­te wer­den konn­te), wer­den nur die ver­ant­wort­li­chen selbst wis­sen. und sich spä­tes­tens am grand­prix-abend in den aller­wer­tes­ten bei­ßen, dass sie sich nicht für den nach­wuchs ent­schie­den haben (ok, da steckt sicher eine gewal­ti­ge men­ge ganz bil­li­gen sexis­mus­ses hin­ter mei­ner mei­nung, ach was sag ich: der typ ist ein­fach ne gei­le sau *oops!*). denn “amen” ist ja wohl musi­ka­lisch und auch text­lich ne hei­ße num­mer und hät­te mei­ner unmaß­geb­li­chen mei­nung nach kla­re top-10-chan­cen. scha­de, ita­lia, soll in die­sem jahr wohl nicht sein…

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