Der diesjährige Diva-Award für den unnötig dramatischsten Auftritt geht zweifelsfrei an Armenien: erst am gestrigen Samstag, sechs Tage nach der Deadline für das Einreichen der Wettbewerbsbeiträge für den Eurovision Song Contest 2017 bei der EBU, präsentierte das armenische Fernsehen den Song der bereits zu Weihnachten 2016 über eine monatelang laufende Castingshow als Repräsentantin des Landes ausgewählten Artsvik Harutyunyan endlich der bereits voller Ungeduld mit den Hufen scharrenden Weltöffentlichkeit. Hat sich das lange Warten auf ‘Fly with me’, so der Titel des ethnolastigen Uptemposongs, mit dem alle 43 Lieder für Kiew nun komplettiert sind, denn wenigstens gelohnt? Nunja, bedingt. Zwar weiß das artifizielle Stück mit seiner spannenden und anspruchsvollen Mixtur aus orientalischen Anklängen und sphärischen Elektrosounds durchaus zu gefallen, gibt aber zugleich eine Art von Versprechen ab, das es nicht einzulösen vermag. Man hört irgendwie Ofra Haza (→ IL 1983) über die Tonspur von Loreens ‘Statements’ (→ SE Vorentscheid 2017) singen, was zumindest erklärt, warum sich Artsvik das Melodifestivalen-Logo auf das Kleid nähen ließ, obschon ihr Beitrag nicht aus schwedischer Feder stammt, sondern vom selben heimischen Komponisten-Ehepaar, das bereits für ‘LoveWave’ (→ AM 2016) und ‘I’m not alone’ (→ AM 2014) verantwortlich zeichnete. Und man fühlt sich angenehm unterhalten, wartet zugleich jedoch die ganze Zeit darauf, dass es nun endlich richtig losgeht. Oder anders gesagt: der Song klingt wie ein dreiminütiges, hochgradig anregendes Vorspiel, das jedoch genau an der Stelle endet, wo es zum eigentlichen Geschehen überleiten sollte. Als Zuhörer fühlt man sich gewissermaßen angetriggert, aber dann um den Höhepunkt betrogen. Und das passt ja nun wieder zum divaesken Auftritt Armeniens.
Ein Meisterwerk der Haarkunst: Artsviks Teppichklopfer-Zopf und die Bärte ihrer Propheten (AM)
Oliver,
Das, was sie sich da aufs Kleid hat nähen lassen, ist nicht das Melodifestivalenlogo, sondern ganz eindeutig ein Drudenfuß, ein umgedrehtes Pentagramm. Soll wohl symbolisieren, dass das im Song beschriebene Mädchen allerlei Geschichten der Vergangenheit (Aberglauben) aufgeschnappt hat, um es weiter in die Welt zu tragen und mit ihr zu fliegen. Musikalisch ist es an Jamalas“1944” und Loreens “Statements” angelehnt, sich moderner Elektrosounds bedienende Ethnoklänge der Region. Tänzerisch bei Ruslanas “Wild Dances”. Wer es mag, okay. Für mich ist das nichts, dafür ist es nicht gut genug und hat keine zündende Melodie. Diese Musikrichtung wurde schon besser inszeniert.
Mit guter Umsetzung könnte das live alles wegbombem