Rank and File 2019: Platz 41 – Sebi

Heu­te in neun Wochen wird der Euro­vi­si­on Song Con­test 2019 schon wie­der Geschich­te sein. Höchs­te Zeit also, uns in Vor­be­rei­tung auf die Fest­spie­le noch mal mit den hier­für aus­ge­wähl­ten Bei­trä­gen zu befas­sen. Und zwar selbst­ver­ständ­lich auf mög­lichst sub­jek­ti­ve Wei­se: ange­fan­gen mit dem nach dem Emp­fin­den des Haus­her­ren furcht­bars­ten Lied für Tel Aviv, dann in täg­li­cher Fol­ge auf­stei­gend bis zum bes­ten. Als Grund­la­ge dient der abso­lut emp­feh­lens­wer­te ESC Sor­ter von Mr. Ger­bear, mit des­sen Hil­fe ich direkt nach dem Abschluss der Vor­ent­schei­dungs­sai­son ein per­sön­li­ches Ran­king erstellt habe, des­sen Ergeb­nis­se sich ziem­lich prä­zi­se in vier gleich gro­ße Grup­pen zusam­men­fas­sen las­sen: näm­lich in “Uner­träg­lich” (Rän­ge 41–31), “Ver­zicht­bar” (Rän­ge 21–30), “Ganz nett” (Rän­ge 11–20) und “Rich­tig geil” (Rän­ge 1–10). Begin­nen wir also in der Abtei­lung der akti­ven Schmer­zens­brin­ger. Und wer könn­te da bes­ser den Auf­takt machen als das slo­we­ni­sche Depressionspärchen?

Platz 41: Slo­we­ni­en – Zala Kralj + Gaš­per Šantl: Sebi (Du selbst)

Auch wenn es sich bei der ver­träum­ten Elek­tro-Bal­la­de um mei­nen größ­ten per­sön­li­chen Hass­ti­tel die­ses Jahr­gangs han­delt, muss ich den Slo­we­nen Respekt zol­len. Denn ‘Sebi’ gehört ein­deu­tig in die Kate­go­rie der Mar­mi­te-Songs, also der Lie­der, die man umge­hend ent­we­der kom­plett ver­ab­scheut oder aber hart liebt. Und ich kann sogar ver­ste­hen, war­um: wenn ich die Augen schlie­ße und nur den Track auf mich wir­ken las­se, ver­mag ich eine Ahnung davon zu erha­schen, war­um so vie­le Men­schen das durch und durch melan­cho­li­sche Lie­bes­lied so sehr mögen.

This is not Ame­ri­ca / Sha­la­la­la: der offi­zi­el­le Video­clip zu ‘Sebi’.

Doch beim Euro­vi­si­on Song Con­test, der schließ­lich in aller­ers­ter Linie eine TV-Show ist, hört das Auge bekannt­lich mit. Und ins­be­son­de­re Zala Kralj wirkt auf mich wie die Fleisch gewor­de­ne kli­ni­sche Depres­si­on: abge­wandt, bleich, völ­lig ver­schlos­sen, mit leb­lo­sen Augen. Ihr Gespons, der Kasch­per, steht ihr da nicht unbe­dingt nach: der Live-Auf­tritt der Zwei beim slo­we­ni­schen Vor­ent­scheid EMA müss­te eigent­lich mit einer Trig­ger­war­nung für sui­zid­ge­fähr­de­te Men­schen daher­kom­men. So viel stum­men Schmerz strah­len die reg­los-autis­tisch hin­ter ihren Instru­men­ten ver­har­ren­den Bei­den aus, so wenig Lebens­wil­len, dass man sich fragt, ob sie es bis zum Ende ihrer drei Minu­ten durch­ste­hen oder sich vor­her auf offe­ner Büh­ne ent­lei­ben. Das passt natür­lich zu ihren phi­lo­so­phi­schen Lyrics über die End­lich­keit des Seins (“Die Ewig­keit und die­ser Pla­net sind kei­ne Freun­de”) und die ver­bin­den­de Kraft gemein­sam ertra­ge­nen Leids (“Uns ver­bin­den die­sel­ben Trä­nen und die­sel­be Angst”), ist jedoch für Men­schen wie mich, die von Natur aus zur Trau­rig­keit nei­gen und im Pop den heil­sam ablen­ken­den Effekt der Eupho­rie suchen, kaum zu ertra­gen. Daher bleibt für die Zwei nur mein letz­ter Platz.

Gegen sie wirkt Daní­el Ágúst Haralds­son (IS 1989) wie ein Hal­lo­dri: die gespens­ter­haf­te Zala (Live-Auf­tritt von der EMA).

Semi­fi­na­le: 1. Final­chan­cen: ‘Sebi’ ist ein klas­si­scher Jury-Schwamm und könn­te als Mar­mi­te-Song auch genü­gend Stim­men aus dem Tele­vo­ting erhal­ten, um gera­de noch so ins Fina­le ein­zu­zie­hen. Leider.

Bes­te Lied­zei­le / bes­ter Ver­hö­rer: der Refrain-Auf­takt “Wie­der­se­hen, Wiederseh’n” (tat­säch­lich: “Ved­no se ne vidi Zvezd / Man kann die Ster­ne nicht immer sehen”).

In wel­che Kate­go­rie fällt ‘Sebi’ für Dich?

  • Abso­lut geil. (40%, 66 Votes)
  • Ganz nett. (29%, 48 Votes)
  • Ver­zicht­bar. (18%, 30 Votes)
  • Uner­träg­lich. (13%, 22 Votes)

Total Voters: 166

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15 Comments

  • Ich kann mich Dir da in jedem Punkt nur anschlie­ßen – das kann man sich kaum drei Minu­ten antun. Ich ken­ne so eini­ge, die das ganz zau­ber­haft fin­den, aber für mich geht das GAR NICHT. Und ich sehe das klar nicht im Fina­le und hof­fe, dass ich mich da nicht irre.

  • Kann mich dem Haus­herrn nur anschlie­ßen, abso­lut schreck­lich!! Der Auf­tritt hat aber zuge­ge­be­ner­ma­ßen die mor­bi­de Fas­zi­na­ti­on eines Unfalls auf der Auto­bahn. Man muss hin­schau­en obwohl man weiß dass es sich eigent­lich nicht gehört.

  • Kann den Hype ähn­lich wie Du auch nicht nach­voll­zie­hen; fängt eigent­lich ganz inter­es­sant an, bleibt dann aber auf exakt dem­sel­ben Level und wirkt dadurch auf mich auch aus­ge­spro­chen depres­siv – die bei­den exis­tie­ren (auch optisch) nur irgend­wie auf der Bühne.
    Ansons­ten super, dass Du Pre­views von allen Songs machst! Auch wenn klar ist, dass Du die femi­nis­ti­sche Hym­ne S!sterz auf der 1 haben wirst, bin ich total auf Dei­ne immer wit­zi­gen Ein­drü­cke gespannt!

  • Das ist aber ein biss­chen streng die Num­mer auf 41 zu set­zen, aber nun gut. Bei mir strei­ten sich Aus­tra­li­en, Por­tu­gal und Geor­gi­en täg­lich um die­se ehren­wer­te Platzierung.

  • Ich find’s ganz nett; dadurch, dass ich heu­er nur unge­fähr drei Bei­trä­ge “abso­lut geil” fin­de, rutscht es in mei­ne Top Ten. Es hat etwas hübsch Hyp­no­ti­sches – wahr­schein­lich spie­len es Tier­ärz­te, wenn sie mal wie­der einen Hund ein­schlä­fern müssen.

  • Allein für “Ihr Gespons, der Kasch­per” gebührt dir der Nobel­preis für Lite­ra­tur. Das Lied hin­ge­gen ist eben­falls nobel­preis­wür­dig… für Medi­zin – als bis­lang höchst­wirk­sams­tes Anästhetikum.

  • Eine Stim­me aus der Frak­ti­on “Abso­lut geil”. Die Pro­duk­ti­on ist anschmieg­sam und auf den Punkt (das kom­plet­te Gegen­teil von Mon­te­ne­gro, das mich regel­recht “anbrüllt”). Noch ein Plus: Lan­des­spra­che. Wie schön und zwar Slove­nisch klin­gen kann, gera­de nach “Hva­la, ne!”

    Und es tut dem ESC nach Blan­che gut, wie­der mal intro­ver­tier­te Leu­te auf die Büh­ne zu las­sen. The xx wur­den immer­hin mit einer ähn­lich eigen­wil­li­gen Büh­nen­show beliebt.

    (Und hey, wer hät­te gedacht, dass aus Daní­el Ágúst weni­ge Jah­re nach sei­nem ESC-Fias­ko der eine schwei­negei­le Typ von Gus­Gus wer­den würde?)

  • Was bit­te ist denn ein Marmite-Song?
    Hat­te auf Däne­mark als Start­song getippt/gehofft, der erzeugt bei mir die größ­ten see­li­schen Schmerzen.
    Sebi wirkt auf mich null depres­siv, eher medi­ta­tiv. I like

  • @Thomas: Mar­mi­te ist der Mar­ken­na­me für einen Brot­auf­strich aus Hefe­ex­trakt, den sich die Bri­ten und Aus­tra­li­er (dort als Vege­mi­te) aufs Toast schmie­ren. Löst bei fast allen Men­schen ob der teerar­ti­gen Kon­sis­tenz, des wider­wär­ti­gen Geschmacks und ste­chen­den Geruchs sofor­ti­ges hef­ti­ges Wür­gen aus. Aber es gibt eben auch eini­ge Weni­ge, die das Zeug lie­ben und mit gro­ßem Beha­gen ver­zeh­ren. Mar­mi­te wird im Eng­li­schen des­we­gen auch ger­ne als Syn­onym für etwas ver­wen­det, das die Men­schen in ent­schie­de­ne Has­ser und Lieb­ha­ber spaltet.

  • Da stim­me ich dem Haus­herrn unein­ge­schränkt zu. Mir gibt der Titel auch nichts. Könn­te mir mitt­ler­wei­le aber doch vor­stel­len, dass der Song ins Fina­le kommt. Er hat wohl ziem­lich vie­le Anhän­ger, glau­be ich. Nee, letz­tes Jahr fand ich Slo­we­ni­en defi­ni­tiv besser.

  • Ich fin­de das Lied an sich sehr chil­lig cool und ich mag den Sound, aber trotz­dem ist dies ein Lied, das ich nicht als Live-Per­for­mance sehen will, weil da ein­fach 3 Minu­ten lang abso­lut nichts pas­siert. Der Kas­per steht ver­lo­ren auf der Büh­ne rum und Zala nuschelt scheu ins Mikro. Es ist auch nicht davon aus­zu­ge­hen, dass sich da Sta­ging-mäßig noch irgend­was tun wird, wenn man sich so die sons­ti­gen Vide­os der bei­den anschaut.
    Also Fazit: Ich mag es sehr ger­ne hören, will es aber nicht sehen. Und auf mei­ner per­sön­li­chen Lis­te ran­giert Sebi sehr weit ent­fernt vom letz­ten Platz.

  • @aufrechtgehn: Dan­ke für die Info, das klingt ja wirk­lich lecker! Und wie­der was gelernt…

  • Mitt­ler­wei­le emp­fin­de ich das Lied als ziem­lich chil­li­ge, ange­neh­me Hin­ter­grund­mu­sik (die Live-“Performance” kom­plett außer acht las­send). Für einen Wett­be­werb ist das aller­dings ein glat­ter Todes­stoß. Gera­de, weil es so unauf­fäl­lig daher kommt, ver­dient es eigent­lich nicht den letz­ten Platz. Da müss­te was Prä­gnan­te­res her, etwas, dass einen beim Hören und opti­ma­ler Wei­se auch optisch.….ach, mit allen Sin­nen schmerzt. Aus­tra­li­en wäre so ein Kandidat.

  • Bei mir hat inzwi­schen die Schön­hör­pha­se ein­ge­setzt, und zumin­dest in der Audio­ver­si­on schleicht sich das hier klamm­heim­lich nach oben. Ich bin auf die Per­for­mance gespannt, die Bil­der sehen ja ganz gut aus.

    Aber Du hast recht, das schreit nach einer pho­ne­ti­schen Ver­si­on. Eigent­lich müss­te ich mal wieder …

    (und fürs Pro­to­koll: Brett­hart zemen­tiert auf Platz 41 ist bei mir der Mar­mi­te-Song am ande­ren Ende Dei­ner Lis­te. In Gesell­schaft von Polen und Albanien.)

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