Bri­ti­scher Vor­ent­scheid 2010: Step back in Time

Für das Ver­ei­nig­te König­reich tritt ein Neun­zehn­jäh­ri­ger mit der Aus­strah­lung von Rick Ast­ley und den stimm­li­chen Qua­li­tä­ten von Man­dy Smith an. Mit einem Song, der so klingt, als habe ihn Jason Dono­van sei­ner­zeit schon als Füll­ma­te­ri­al für sein Album abge­lehnt. Denn neben der teu­ren Hei­mat wähl­ten ges­tern Abend noch ein paar ande­re unbe­deu­ten­de euro­päi­sche Natio­nen ihren Song für Oslo. Dar­un­ter das Mut­ter­land des Pop, das nach dem letzt­jäh­ri­gen Erfolg mit der Musi­cal­le­gen­de Andrew Lloyd Web­ber ein wei­te­res Song­schrei­ber­fos­sil aus den Acht­zi­gern aus­ge­gra­ben hat­te: die Bubble­gum-Pop-Legen­de Pete Water­man näm­lich! Der ließ sechs hoff­nungs­vol­le jun­ge Acts um die Ehre antre­ten, den von ihm geschrie­be­nen Song ‘That sounds good to me’ auf­zu­füh­ren. Wobei er im Gegen­satz zu Unser Song für Oslo-Mas­ter­mind Ste­fan Raab, der sei­ne “Kin­der” immer wie­der zu indi­vi­du­el­ler Inter­pre­ta­ti­on ermu­tig­te, von Anfang an klar mach­te, dass er genau das nicht wünscht (“We dont’ wan­na hear your ver­si­on, thank you very much!”), son­dern sie die Noten exakt so sin­gen mögen, wie er sie vor­ge­ge­ben habe.


“Ande­re Natio­nen sind irrele­vant”: der unglaub­lich unsym­pa­thi­sche Pete Water­man im Interview.

Daher durf­ten sich die sechs voll­kom­men unbe­kann­ten Nach­wuchs­hoff­nun­gen zunächst auch nur an mehr als zwan­zig Jah­re alten Lie­dern aus sei­nem umfang­rei­chen Kata­log ver­su­chen, wie ‘Never gon­na give you up’ oder ‘What do I have to do’, mit denen die S/A/W‑Hitfabrik sei­ner­zeit ein hal­bes Jahr­zehnt lang die hei­mi­schen und fest­lan­d­eu­ro­päi­schen Charts mas­siv domi­nier­te. Unter­stützt von der bri­ti­schen Vor­jah­res­sän­ge­rin Jade Ewen und dem Tanz­show-Juro­ren Bru­no Tono­li hand­ver­las Water­man aus ihnen per­sön­lich die drei Finalist:innen, die sich sei­ner künst­le­ri­schen Knecht­schaft am strik­testen unter­war­fen und zur Beloh­nung an sei­nen eigens für den Euro­vi­si­on Song Con­test aus dem Müll­ei­mer gefisch­ten neu kom­po­nier­ten Titel ‘That sounds good to me’ her­an durf­ten. Das Publi­kum bestimm­te dann aus den letz­ten Drei sei­nen Lieb­ling und ent­schied sich für einen jun­gen Mann, der sich von sei­nem Äuße­ren und sei­nem Auf­tre­ten pro­blem­los in einen Grand Prix der Sech­zi­ger­jah­re ein­fü­gen wür­de. Josh Dubo­vie, so ver­rät es die BBC-Kurz­bio­gra­fie, spielt seit sei­nem neun­ten Lebens­jahr Thea­ter und hat­te mit 15 die ers­te Rol­le in einem Musical.

Die Play­list mit den Auf­trit­ten der sechs Your Coun­try needs you-Finalist:innen.

Sei­ner gest­ri­gen Per­for­mance nach zu urtei­len, ver­fügt er über null Cha­ris­ma oder eige­ne Per­sön­lich­keit – ent­spricht also genau der Art von leicht form­ba­ren Gesangs­ma­rio­net­ten, die Pete Water­man sich wünscht und mit denen er in sei­nen gol­de­nen Tagen ja auch Hit auf Hit fei­er­te. Und auch wenn die Num­mer ein knap­pes Vier­tel­jahr­hun­dert nach sei­nen bes­ten Zei­ten ein klein wenig ange­staubt klingt: im dies­jäh­ri­gen Wett­be­werbs­um­feld aus noch ver­staub­te­ren Lang­wei­ler­bal­la­den und halb­ga­rem Eth­no­folk nimmt man sie sehr dank­bar an, weil sie wenigs­tens leicht schmeckt und nicht belastet.


Höre ich da 12 Punk­te? (bei 1:25 Min.)

Nach­trag: Und hier ist sie nun, die mit Span­nung erwar­te­te, lan­ge ange­kün­dig­te fina­le Abmi­schung für Oslo. Mh. Tja. Dass Stock (ohne Ait­ken) Water­man einen an sich schon schwach­brüs­ti­gen Pop­song noch mal seich­ter mixen kön­nen – so ein Kunst­stück hät­te ich ihnen zu ihren bes­ten Zei­ten nicht zuge­traut. Lus­tig nur, dass die spon­ta­ne Tanz­ein­la­ge der bei­den nie­der­län­di­schen Früh­stücks­fern­seh­mo­de­ra­to­ren hin­ter Josh nach der Rückung die Ori­gi­nal-Cho­reo­gra­fie aus der bri­ti­schen Vor­ent­schei­dung um Län­gen schlägt!


Live im hol­län­di­schen Fern­se­hen: der Oslo-Remix.

12 Comments

  • Was soll dar­an so schlimm sein? Ich füh­le mich erin­nert an gute alte Grand-Prix-Zei­ten… also mir gefällts.

  • That Sounds Weird To Me Ja, aber was soll dar­an so gut sein? Ich füh­le mich erin­nert an schlim­me alte Grand-Prix-Zei­ten… Äh, und hab mal ne Fra­ge: wo ist den da der Refrain? Als ich mir die Num­mer das ers­te Mal ange­hört habe, hab ich mir nach ca. 1:50 gedacht: ‘Mönsch, das ist aber ne lan­ge ers­te Stro­phe!’ Nach Anga­ben diver­ser Fan-Foren und ‑Blogs soll der Song aller­dings tat­säch­lich einen Refrain beinhal­ten – etwa da wo die Leu­te plötz­lich mit­ten in der Stro­phe das jubeln anfan­gen? Für sach­dien­li­che Hin­wei­se bin ich dank­bar. Im Übri­gen wet­te ich drauf, dass Water­man die Num­mer schon seit 1988 irgend­wo lie­gen gehabt hat. Klingt musi­ka­lisch wie ein Par­ma­schin­ken: so rich­tig schön abgehangen.

  • re: That Sounds Weird To Me [quote=Maxi]Äh, und hab mal ne Fra­ge: wo ist den da der Refrain? Für sach­dien­li­che Hin­wei­se bin ich dankbar.[/quote] Der Refrain fängt vor­schrifts­mä­ßig bei Minu­te 1:00 an und ist leicht zu erken­nen: da, wo die Back­ground­sän­ger anfan­gen, den Front­mann über­tö­nen, da geht er los. Übri­gens dou­ze Points für den köst­li­chen Ver­gleich mit dem Par­ma­schin­ken, ich hät­te bei­na­he den Kaf­fe auf den Bild­schirm geprustet! 😀

  • Na, also wenn DAS allein nicht schon Grund genug ist, es schlimm zu fin­den! (Für Retro-Shows gibt’s doch schließ­lich RTL!)

  • Alt­mo­di­scher Bubble­gum-Pop. Tut zwar kei­nem weh, aber schön geht den­noch anders. Sehr trau­rig, das aus­ge­rech­net wir die­ses Jahr dem Mut­ter­land des Pop zei­gen müs­sen, wie man eini­ger­ma­ßen frisch und modern her­über kommt. Ich füh­le mich bei dem Song ziem­lich an Scooch erin­nert, aller­dings ohne die iro­ni­sche Über­hö­hung und damit ziem­lich blutleer.

  • Lie­der, die die Welt nicht braucht. Drei­mal gehört und sofort wie­der ver­ges­sen. Klingt wie die B‑Seite einer Sin­gle aus den 80ern. Aber es wird vie­le geben, denen es gefällt.

  • Water­man hat durch­aus damit recht, dass erst mal ande­re Natio­nen irrele­vant sind: Wenn man sich selbst nicht über­zeugt, kann man auch kei­ne ande­ren über­zeu­gen. So weit, so gut.…leider braucht es offen­sicht­lich ziem­lich wenig, dass Pete Water­man von sich selbst über­zeugt ist… Es ist ein klas­si­scher Feh­ler von Fern­seh­sen­dern, wenn sie einen Kom­po­nis­ten ver­pflich­ten, der vor vie­len Jah­ren mal erfolg­reich war. Unab­hän­gig vom akus­ti­schen Schrott, den er damals ver­ur­sach­te, denn Water­man hat ja damit mas­sen­haft Leu­te ange­zo­gen wie eine unsäg­lich häss­li­che Kle­be­fal­le Flie­gen. Das ist durch­aus ein mess­ba­rer Wert, Ziel erfüllt. Uns Sie­gel hat es ja auch ein paar Jah­re ver­stan­den Lie­der zu schrei­ben, die zumin­dest auf Grand Prix-Ebe­ne zogen. Aber meis­tens ist es so, dass man irgend­wann mal den Bezug zu aktu­el­len Strö­mun­gen ver­liert, man die Hör­ge­wohn­hei­ten der Leu­te nicht mehr rich­tig trifft. Bei Water­man kann man den Begriff der Halb­wert­zeit nicht mehr ver­wen­den, er hat die Voll­wert­zeit schon über­schrit­ten: Abwracks­tem­pel drauf und ab in den Son­der­müll! Wobei Retro sei­nen Charme und auch beim ESC sei­ne Berech­ti­gung haben könn­te. Wenn es rich­tig gut gemacht ist. Doch dat Ding hier hät­te auch in Water­mans Hoch­pha­se nicht mehr getaugt als zu einer klei­nen Beschäf­ti­gung wäh­rend eines lang­wei­li­gen Nach­mit­tags, die man danach in den Papier­korb kickt.

  • That sounds good to him?? … und Du beschwerst Dich ueber die man­geln­de Aus­strah­lung von Harel Ska’at. Der ist ja nun wirk­lich ein Cha­ris­ma­ti­ker im Ver­gleich zu die­sem Joshi­lein. Der wahr­schein­lich nie an den Par­ma­schin­ken sei­nes Songs her­an­rei­chen wird (gross­ar­ti­ger Ver­gleich, wirk­lich. Das allein ret­tet das Hoe­ren des songs 🙂

  • …aber!… … wenn man dann noch das Abba-Med­ley schaut, dass es auch noch gege­ben hat (mit den Kan­di­da­ten??), dann weiss man, dass Josh’s Sieger-‘Interpretation’ noch nicht ein­mal das Schlimms­te an dem Abend gewe­sen ist. Gute Guete!!

  • Hey, die Tän­ze­rin­nen sehen ja genau so aus wie bei unse­ren Bei­trag letz­tes Jahr Miss Kiss Kiss Bang. Sie tan­zen auch genau so. Das nen­ne ich flexibel.

  • Trotz aller Kri­tik haben Stock Ait­ken Water­man in den 80er Jah­ren wah­re Per­len der Pop­mu­sic geschaf­fen. Wer Songs wie Bet­ter The Devil You Know, Never Gon­na Give You Up oder die Pro­duk­tio­nen von You Spin Me Round oder Venus als Weg­werf­pro­duk­te kri­ti­siert, ist in der Regel nichts wei­ter als ein pseu­do-intel­lek­tu­el­ler Snob. Das Pro­blem bei That Sounds Good To Me ist aber, dass es zu den Hoch­zei­ten von SAW – wie bereits erwähnt ‑bes­ten­falls die B‑Seite einer Sin­gle oder der Trai­ler einer Fern­seh­sen­dung gewor­den wäre. Mike Stock hat offen­bar sei­ne Krea­ti­vi­tät und Ener­gie und Pete Water­man sein Gespür für den Mas­sen­ge­schmack ver­lo­ren. Schade!

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