Es war eine erwartbare Reaktion, und sie kam prompt: in einer Pressemeldung erklärte der musikalische Direktor des Fernsehsenders Russia 1, Yuri Aksyuta, seinen eigenen Kandidaten zum moralischen Sieger des Eurovision Song Contest 2016. “Für mich sind die Ergebnisse des Publikums entscheidend, denn für dieses wird die Musik gemacht. So gesehen war es ein Sieg von Sergey Lazarev,” so Aksyuta. Er warf den Jurys einen gezielten Boykott des russischen Beitrags vor, denn während Sergey aus jedem (!) einzelnen Land Punkte im Televoting erhielt (einschließlich der Höchstwertung aus Deutschland sowie aus der Ukraine), ging er bei der Hälfte der Juryabstimmungen leer aus. Unter den 21 organisierten Lazarev-Verachtern fanden sich mit Estland, Litauen, Georgien und – wenig überraschend – der Ukraine vier ehemalige Sowjetstaaten sowie fünf weitere Nationen, die sich einst hinter dem eisernen Vorhang befanden. Die russische Jury allerdings verhielt sich keinen Deut besser: während die Zuschauer aus dem flächenmäßig größten Staat der Erde zehn Punkte an Jamala rüberschoben, setzten sie die fünf Juroren, die am Dienstag noch durch das Livestreaming ihrer Abstimmung für Aufsehen gesorgt hatten, auf Nulldiät. Etwas versöhnlicher äußerte sich Sergey: “Wie das Sprichwort sagt, jeder liebt einen Gewinner! Ich gratuliere Jamala! Ich bin froh, dass das Publikum für Russland gestimmt hat, für mein Lied, und so empfinde ich keine Frustration”. Er habe besonders den australischen Beitrag von Dami Im gemocht, die in der Juryabstimmung haushoch führte.
Siegte mit Sergeys Segen: die fantastische Jamala (UA)
Philipp Kirkorov (RU 1995), der ‘You are the only One’ gemeinsam mit dem Griechen Dimitris Kontopoulos komponierte, sagte unterdessen auf Facebook, dass er das Ergebnis voll und ganz akzeptiere. “Ich kannte die Regeln und war mit ihnen einverstanden”. Als “Fan dieses Wettbewerbs” sei er jedoch traurig, dass sein Song von gleich 21 Jurys eine dicke fette Null erhalten habe, während das Publikum in ganz Europa Sergey jeweils mindestens drei Punkte oder mehr gab. “Ich glaube, die EBU sollte die Art, wie die Jurys abstimmen, überdenken. Vielleicht nur noch zu 25% zählen? Jedenfalls muss etwas passieren, wenn Russland weiter mitmachen soll. Das ist meine Meinung,” so Kirkorov. Einen weiteren unschönen politischen Zwischenfall gilt es noch nachzureichen: wie etliche Fans in Stockholm beobachteten, zog am Samstagabend vor dem Finale ein Flieger mit dem gut sichtbaren Spruchband “Karabach ♥ Iveta” über der Globen Arena seine Runden, offensichtlich eine direkte Reaktion auf das Schwenken der Flagge der zwischen Armenien und Aserbaidschan umstrittenen Bergregion durch die hajersche Vertreterin Iveta Mukuchyan im ersten Semifinale, die bereits eine scharfe Verwarnung der EBU nach sich zog. Wer hinter der neuerlichen Provokation steckt, ist zur Stunde nicht bekannt. Sollte sich die Spur bis zur armenischen Delegation zurückverfolgen lassen, was natürlich keinesfalls gesagt sein muss, wäre eine nachträgliche Disqualifikation der zeitweilig in Hamburg lebenden Sängerin unvermeidlich.
Sorry der Luftraum über Stockholm gehört aber noch nicht der EBU
Bei den Jurys gewinnt Australien, bei den Zuschauern Russland, insgesamt aber die Ukraine.
Das muss man erst Mal realisieren.
Abgesehen davon, dass mir keines der drei Lieder siegwürdig ist, ist die Situation schon paradox.
Russland und die Ukraine – der ESC in diesen Ländern bereitet mir Unbehagen. Die Show in Moskau und der ESC in Aserbaitschan hatten schon etwas Gespentisches.
Zeigte die “Postkarte” de Ukraine Jamala tatsächlich beim Dekorieren von Pralinen in der Schokoladenfabrik von Präsident Poroshenko?