Natio­naal Song­fes­ti­val 1957: Iwan, der Messerwerfer

Busi­ness as usu­al bereits im zwei­ten Jahr des nie­der­län­di­schen Euro­vi­si­ons­vor­ent­schei­des, dem Natio­naal Song­fes­ti­val: erneut tra­ten vier Künstler:innen gegen­ein­an­der an, die wie schon im Vor­jahr jeweils zwei Lie­der vor­tra­gen durf­ten; erneut stimm­te in vor­bild­lich demo­kra­ti­scher Wei­se das Publi­kum per Post­kar­ten­zu­schrift über das Ergeb­nis ab; erneut kam die Sen­dung aus den AVRO-Stu­di­os in Hil­ver­sum und erneut führ­te Karin Kraay­kamp durch den Abend. Mit der Sän­ge­rin Cor­ry Brok­ken fand sich sogar eine der Teil­neh­me­rin­nen des Vor­jah­res erneut im Line-up, und erneut (!) mach­te sie das Ren­nen. Und zwar mit der so geschmack- wie dezent schwung­vol­len Bal­la­de ‘Net als toen’, die in Frank­furt am Main, wo der Grand Prix 1957 statt­fand, sogar die Kro­ne holen sollte.

Zwei Minu­ten tun es auch: Cor­ry mit einer erfreu­lich gekürz­ten Ver­si­on ihres Sie­ger­lie­des bei einem TV-Auf­tritt in Frankreich.

Knapp 7.000 Post­kar­ten schick­ten die Holländer:innen dafür ein, fast zwei­ein­halb­tau­send mehr als für den zweit­plat­zier­ten Song, der eben­falls von Cor­ry gesun­gen wur­de und der die (jeden­falls der Musik nach zu urtei­len) dra­ma­ti­sche Geschich­te von ‘Iwan, de Mes­sen­wer­per’ erzähl­te, eines rus­si­schen Zir­kus­rei­sen­den, in den sich die Erzäh­le­rin ver­guckt hat­te. Da kei­ne Auf­zeich­nung exis­tiert, ist nicht über­lie­fert, ob sich die baum­lan­ge Sän­ge­rin, gefes­selt an eine rotie­ren­de Dreh­schei­be, wäh­rend ihres Vor­trags von einem Varie­té­künst­ler mit dem Schneid­werk­zeug bewer­fen ließ. In mei­nem Kopf­ki­no sehe ich es aller­dings förm­lich vor mir! Ver­mut­lich aber unter­sag­te der nie­der­län­di­sche Sen­der eine sol­che Show auf­grund von Sicher­heits­be­den­ken, muss­te er doch fürch­ten, dass Cor­rys Mitkandidat:innen die Chan­ce nüt­zen wür­den, ihre unbe­zwing­ba­re Kon­kur­ren­tin in die ewi­gen Jagd­grün­de schi­cken zu lassen.

Lei­der nur als Audio: Iwan, der Messerwerfer.

Dazu zähl­ten der weit­hin unbe­kann­te flä­mi­sche Trom­pe­ter und Sän­ger Mar­cel Thie­lem­ans; die noch viel weni­ger bekann­te und von ihrem Ehe­mann, der im Aus­wahl­ko­mi­tee des Sen­ders saß, in die Vor­ent­schei­dung geschmug­gel­te Hea Sury, die unter ande­rem ein ‘Lied­je van niets’, also ‘Ein Lied über nichts’ zum Vor­tra­ge brach­te und damit auf dem letz­ten Platz lan­de­te; sowie der Schla­ger­sän­ger John de Mol, der mit dem Titel ‘Hiep hiep hiep hoera’ (lei­der alle­samt im Netz nicht auf­find­bar) einen ers­ten Vor­ge­schmack auf noch fol­gen­de hol­län­di­sche Meis­ter­wer­ke der Lin­gu­is­tik wie bei­spiels­wei­se ‘Ding A Dong’ (NL 1975) gab. John soll­te zwei sehr erfolg­rei­che Kin­der in die Welt set­zen: zum einen die blon­de TV-Mode­ra­to­rin Lin­da de Mol, wel­che in Deutsch­land vor allem durch die RTL-Show ‘Traum­hoch­zeit’ Berühmt­heit erlang­te. Und dadurch, dass sie 2001 in der nie­der­län­di­schen Game­show Deal or no Deal einen Kan­di­da­ten, der den Kom­po­nis­ten der deut­schen Natio­nal­hym­ne (Joseph Haydn) nicht kann­te und des­we­gen 9 Mil­lio­nen Gul­den ver­lor, mit den Wor­ten “Ach, das ist eh ein Scheiß­li­ed” trös­te­te.

Der Seni­or blieb dem Kin­der­lied­haf­ten ver­bun­den: hier mit sei­nem 1960er Vor­ent­schei­dungs­bei­trag über das Karussell.

Dabei begann Lin­das TV-Kar­rie­re mit einem wei­te­ren euro­päi­schen Pop­mu­sik-Pro­jekt: Ende der Acht­zi­ger prä­sen­tier­te sie die wöchent­li­che Euro­chart Top 50, eine aus sämt­li­chen (west-)europäischen Pop-Charts kom­pi­lier­te Hit­pa­ra­de. Sowohl der bri­ti­sche Kabel­ka­nal Sky als auch der in Mün­chen behei­ma­te­te Pri­vat­sen­der Tele 5 strahl­ten die von Lin­da dem­entspre­chend in eng­lisch und deutsch mode­rier­te Show aus, eine Pro­duk­ti­on ihres Bru­der John de Mol jr., der es als TV-Mogul und Finanz­jon­gleur, dem zeit­wei­lig eige­ne Sen­der gehör­ten, zu Ruhm und beacht­li­chem Reich­tum brach­te: sei­ne Fir­ma Ende­mol hält die Hand auf den Lizen­zen prak­tisch aller quo­ten­träch­ti­ger Unter­hal­tungs­for­ma­te (z.B. Big Brot­her, Fear Fac­tor, The Voice), mit Aus­nah­me des Euro­vi­si­on Song Con­test. Doch auch zum Grand Prix gibt es eine Ver­bin­dung: John Juni­or war vier Jah­re lang mit Wil­le­ke Alber­ti, der nie­der­län­di­schen Grand-Prix-Reprä­sen­tan­tin von 1994, ver­hei­ra­tet. Die Euro­vi­si­ons­welt, sie ist ein Dorf!

Aus den Pio­nier­ta­gen des Pri­vat­fern­se­hens: die blut­jun­ge Lin­da sagt die aktu­el­len euro­päi­schen Top-Hits 1988 an.

Vor­ent­scheid NL 1957

Natio­naal Song­fes­ti­val. Sonn­tag, 3. Febru­ar 1957, aus dem AVRO-Stu­dio in Hil­ver­sum. Vier Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Karin Kraaykamp.

#Interpret.inTitelPost­kar­tenPlatz
01Hea SuryDe Brom­tol53207
02Hea SuryEen Lied­je van niets14008
03John de MolHav­an­nah is zo ver81406
04John de MolHiep hiep hiep hoera81905
05Mar­cel ThielemansIk weed nog goed96504
06Cor­ry BrokkenIwan (de Messenwerper)4.69202
07Cor­ry BrokkenNet als toen6.92701
08Mar­cel ThielemansSim­pe sam­pe sompe2.54403

Letz­te Über­ar­bei­tung: 21.03.2020

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