Es erinnert ein wenig an die Staatsratswahlen in der ehemaligen DDR: mit überragenden 94% endete zu niemandes Überraschung die Internet-Umfrage, mit welcher der Graf um die Zustimmung seiner Fans zur Teilnahme am deutschen Eurovisions-Vorentscheid bat. Rund 30.000 positive Voten, so das offizielle Ergebnis, seien gezählt worden – und nur 2.000 Nein-Sager. “Ich freue mich sehr, dass so viele meiner Fans meinen Traum teilen, mein Land mit einem Lied in meiner Sprache beim Eurovision Song Contest 2014 zu vertreten,” kommentierte der Graf das Ergebnis – und alleine bei diesem vor selbstverliebtem Pathos triefenden Satz kommt mir das Frühstück wieder hoch, auch wenn ich grundsätzlich begeistert bin, dass ein kommerziell derartig erfolgreicher Act wie Unheilig beim Grand Prix mitmacht (wobei: im Vergleich zu den Verkaufszahlen von Vorjahresvertreterin Cascada spielen Unheilig mit gut 3 Millionen verkaufter Tonträger in der Kreisklasse: das Bonner Dancefloorprojekt setzte im Lauf seiner Karriere zehnmal soviel ab). Insgesamt aber dürften wohl die finsteren Zeiten, in denen der Wettbewerb aus deutscher Sicht als Karrieregrab galt, vor dem man sich als erfolgreicher Künstler fernhielt, vorüber sein. Und das ist doch eine frohe Kunde.
Natürlich im Hauptabsatzland gesperrt: die Unheilig-Videos (arbeiten bei den Musikkonzernen eigentlich nur Schwachmaten?)
Da der NDR das Abstimmungsergebnis sogleich auf seiner Eurovisionsseite verkündete, kann es als vorausgesetzt gelten, dass Unheilig am 13. März 2014 in der Kölner Lanxess-Arena dabei sein werden. Der Graf will nun “mit Hochdruck an der Fertigstellung meiner Song-Ideen arbeiten, denn es geht ja sowohl im Vorentscheid als auch beim ESC um Musik und nicht um Personen”. Der letzte Viertelsatz (ab “ESC”) stimmt natürlich, und es dürfte im Hinblick auf seine Ankündigung, in seiner Muttersprache singen zu wollen, und auch in Bezug auf seine teils kitschig-schwermütige Musik hochgradig spannend werden, ob wir mit einem so typisch deutschen Produkt auf europäischer Ebene reüssieren können. Denn dass Unheilig aufgrund ihrer Popularität den Vorentscheid gewinnen, steht für mich völlig außer Frage: beim deutschen Publikum ziehen erfahrungsgemäß eben doch in erster Linie die großen Namen und nicht die Musik, sonst hätten beispielsweise beim letzten Vorentscheid die Blitzkids gewinnen müssen und nicht Cascada. Anders als noch 2004 (wo Max Mutzke ironischerweise ebenfalls mit über 90% der Stimmen die Techno-Millionenseller Scooter abledern konnte) steht auch kaum zu erwarten, dass die Wildcard dem Grafen einen Strich durch die Rechnung macht: der diesjährige Nachwuchskünstler-Wettbewerb besteht aus einem einmaligen Clubkonzert, anders als bei den mehrteiligen Raab-Castingshow SSDSGPS oder USFO findet hier keine Publikumspenetration statt und wird kein Sympathiebonus aufgebaut. Und eine Jury gibt es diesmal auch nicht. Solange der Graf nicht am 13. März von der Bühne aus ins Publikum uriniert, hat er das Ticket für Kopenhagen in der Tasche…
Ebenso authentisch deutsch wie Unheilig: die Kirmestechnohelden Scooter scheiterten 2004 noch an Raabs Nachwuchsstar.
Unheilig wollen beim deutschen Vorentscheid antreten. Was sagst Du?
- Oh nein! Bleibt uns denn nichts erspart? (41%, 95 Votes)
- Vielleicht hat er ja ein schönes Lied. Wunder gibt es immer wieder. (31%, 72 Votes)
- Ja geil! Ich freu mich so, so hart! (21%, 48 Votes)
- Wenigstens singt er deutsch. Kriegt meine Stimme. (7%, 16 Votes)
Total Voters: 231
Lieber Olli,
findest du es nicht schon zu früh, das Ticket für Kopenhagen zu verteilen? Wir wissen ja noch nicht einmal, wer die anderen 6 Kandidaten sind. Und außerdem, könnte der NDR, Unheilig ja noch ablehnen. Ich weiß, das ist relativ unwahrscheinlich. Ich finde es toll, das ein bekannter und aktuell erfolgreicher Act für Deutschland beim ESC antreten will. Die von dir genannten Cascada hatten ja ihre besten Zeiten schon hinter sich, wenn man ehrlich ist. Obwohl ich ihren Song Glorious immer noch mag. Da ja in der letzten Zeit, die ruhigen und getragenen Songs beim ESC erfolgreicher sind als die Uptemposongs, dank der Juries, wäre Unheilig für den ESC bestimmt nicht die schlechteste Wahl. Ich habe mir eigentlich, aufgrund des sehr schlechten Abschneidens von Cascada, nicht viel ausgemahlt für dieses Jahr. Ich hätte nicht gedacht, das ein ACT wie Unheilig mitmachen will. Meinen Respekt und Hochachtung für den Mut sich einer VE zu stellen. Das sollte Schule machen. Gegen einen Song in Deutsch hätte ich beim ESC nix. Deutschland kann das ja ohne großen Risiko versuchen.
Also, “Jigga Jigga” war ja mal richtig geil 😀 Scooter hätten den ESC gerockt in dem Jahr! Und das Lied von dem Mutzke mochte ich so überhaupt nicht…
Aber nochmal zu Unheilig: Wenns keine Schnulze wird, könnte das was werden. Oder nicht, oder doch? Wie schön, daß der ESC (und manchmal auch der Vorentscheid) so unberechenbar ist. Auf jeden Fall wird es spannend, in jeder Hinsicht 😉
Bei all den entsetzten Äußerungen, die man allenthalben in diversen sozialen Netzwerken gelesen hat, kann man eigentlich kaum glauben, dass es nur 2000 Nein-Stimmen gegeben haben soll. Den angeblichen Ergebnisverkündern glaube ich kein Wort. Aber ist ja auch egal, weil die ganze Abnstimmung sowieso eine Farce war, bei der das Ergebnis schon vorher feststand, ganz egal, wie die Abstimmung wirklich ausgegangen sein mag.
Ich mach ja ganz gerne mal so unhaltbare Voraussagen, um mich dann zu blamieren, wenn alles ganz anders kommt. 😉 Aber ich kann tatsächlich nicht sehen, wer Unheilig noch Konkurrenz machen soll – Helene Fischer ist ja definitiv nicht dabei… Ich bin ja kein Freund seiner Musik, aber ich finde es auch toll, dass jemand seiner Preisklasse mitmacht. Und dass er auf deutsch singt – weil das bei ihm zum Act passt.
2006.… 2006.…. 2006.… (auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen 😉 )
I know. Eigentlich ist diese apodiktische Vorhersage ja auch nur eine abgefeimte Strategie, um sicherzustellen, dass Unheilig den Vorentscheid *nicht* gewinnen. Aber wenn ich das ausspreche, funktioniert es natürlich nicht mehr. Also pssssst!
Ohne die Wahrheit zu kennen, aber die Erfahrung zeigt, dass kritische Stimmen in der Regel immer lauter sind als lobende.
So, jetzt ham wir den Salat.
Unheilig fechtet die krone gegen Santiano aus.
Aber egal wie’s zwischen den beiden ausgeht, es gibt wohl deutsches pathos in Kopenhagen auf der bühne.
Mal sehen wie das ausland das findet.