Da dürften wohl etliche Fans beiderlei Geschlechtes eine Pfütze unter sich machen: wenig überraschend entsendet Tschechien das 23jährige Exmodel Mikolas Josef zum Eurovision Song Contest 2018 nach Lissabon. Der smarte Jüngling konnte, wie bereits vor einer Woche verkündet, in dem vollständig ins Internet ausgelagerten Vorentscheid Eurovision Song CZ die Stimmen der internationalen Jury gewinnen. Auch die per Eurovisions-App votierenden Zuschauer/innen gaben ihm anscheinend ihr Plazet, selbst wenn bei der dürren Verkündigung seiner Grand-Prix-Teilnahme in den heutigen Abendnachrichten des Senders Česká Televize nicht ein Wort über die dort erreichten Punkte oder die Platzierungen seiner fünf Konkurrent/innen fiel. Was die böse Vermutung aufkeimen lässt, die wenig eurovisionsbegeisterten Tschech/innen könnten sich vielleicht der Abstimmung ganz enthalten haben? Wie dem auch sei: die Wahl von Mikolas ist eine kluge, sein schmissig-funkiger Popsong ‘Lie to me’ mit den fantastischen Handclaps klingt wie etwas, das auch in den realen Charts stattfinden könnte. Für Lissabon muss er jedoch seinen Songtext, in dem mehrfach das Wort “Fuck” vorkommt, noch etwas entschärfen.
So unschuldig er aussieht, so faustdick hat er’s hinter den Ohren: Mikolas Josef.
Wie man das vom amerikanischen Hip-Hop kennt, existiert von seinem Lied denn auch bereits ein radiofreundlicher Clean Edit, aus dem man das anstößige F‑Wort einfach per Stummschaltung entfernte. Dabei liegen die wirklich saftigen Schweinereien an ganz anderen Stellen seiner mit zahlreichen Slangbezeichnungen und kreativen Umschreibungen arbeitenden Lyrics verborgen. “I know you ‘bop-whop-a-lu bop’ on his Wood Bamboo” ist so eine exquisit pikante Textzeile, oder “Plenty Motherfuckers wanna eat my Spaghetti”. Dabei erzählt der tschechische Justin Timberlake letztlich eine ähnliche Geschichte wie weiland Johnny Logan (→ IE 1987) in ‘Hold me now’: zu einem allerletzten nostalgischen Abschiedsstößchen möchte Mikolas seine Ex überreden, bevor sich ihre Wege endgültig trennen – den selben Plan verfolgte der irische Schmalzbarde damals auch. Und lustigerweise verursacht die von Josef besungene Feier der Promiskuität – angesichts der Skills und der Hotness seines Babes scheint es ihm wenig auszumachen, dass sie wie wild durch die Gegend vögelt – in heutigen Zeiten, da das Pendel überall bereits zurückschlägt und offen zelebrierte Sexualität auch unter dem Deckmäntelchen der Political Correctness als anrüchig gebrandmarkt wird, ebenfalls beinahe nostalgische Gefühle.
Sinn für Ironie hat er, der Mikolas: die entschärfte Radiofassung – unterlegt vom süffisanten Text.
Lustigerweise bekam Josef, wie eurofire zu berichten weiß, bereits im Vorjahr den damaligen tschechischen Eurovisionsbeitrag ‘My Turn’ angeboten, den er jedoch klugerweise ablehnte. Bekanntlich schickte ČT an seiner Stelle dann die schwerpunktmäßig in Deutschland lebende Bar-Jazz-Interpretin Martina Bárta nach Kiew, wo sie im Semifinale scheiterte. Was wohl zu einem bitteren familiären Zerwürfnis führte, wie Martina am vergangenen Wochenende unter Tränen dem deutschen RTL-Publikum gestand. Denn die Sängerin trat dort tatsächlich bei Deutschland sucht den Superstar an. Von der stolzen Grand-Prix-Repräsentantin zur Castingshow-Bewerberin: einen tieferen Fall kann man sich kaum vorstellen! In Dieter Bohlens TV-Hölle verlor Bárta allerdings kein Wort über ihre Eurovisionsteilnahme. Stattdessen heulte sie der Jury, in der auch die deutsche Vorentscheidungsteilnehmerin von 2016, Ella Endlich, sitzt, nach dem Vorsingen eins vor, weil ihr Lied sie an ihren Vater erinnere, mit dem sie seit geraumer Zeit kein Wort mehr wechsele, nach dem dieser sie wegen eines Auftrittes bei einem nicht näher bezeichneten “Wettbewerb”, den er “kacke” fand, am Telefon maßregelte. Welcher Wettbewerb das wohl war?
Schlimmes Schicksal: Martinas eigener Vater verstieß sie nach diesem Auftritt.
Vorentscheid CZ 2018
Eurovision Song CZ. Montag, 29. Januar 2018, aus Prag. Sechs Teilnehmer/innen (Siegerverkündung).# | Interpret/in | Titel | TV | Jury | Platz |
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1 | Debbie | High on Love | 3 | 54 | 02 |
2 | Eddie Stoilow | We rule the World | 2 | 27 | 05 |
3 | Eva Burešová | Fly | 6 | 27 | 03 |
4 | Pavel Callta | Never forget | 4 | 34 | 04 |
5 | Mikolas Josef | Lie to me | 8 | 68 | 01 |
6 | Doctor Victor | Stand up | 1 | 30 | 06 |

Ein grandioser Blog und ein grandioser Beitrag. Seit Jahren “lurke” ich regelmässig bei aufrechtgehn.de und habe mich endlich entschlossen, den Witz und die Weisheit des Hausherrn zu loben. Danke für diesen intelligenten Blog und diese liebevolle Homepage zum ESC.
Der Vergleich zu Johnny Logan und seinem Wunsch nache “einem allerletzten nostalgischen Abschiedsstößchen” ist grandios. Wie würde der selbsternannte Mr Eurovision darauf reagieren? Und was hätte Misteeeer Naef zu diesen doch etwas gewagten Lyrics gesagt? Und v.a., wieviel muss der arme Jan Ola Sand jetzt wieder schwitzen?
Und warum hat er den Text so geschrieben? Weil er’s kann!
Nett anzusehen, voll im Saft stehend, fantasieficktauglich für Weiblein und Männlein. Wir rufen immer nach Authentizität – hier haben wir sie.
Dem Lob von Nocturne kann ich mich nur anschliessen. Ganz grosse klasse, der Blog, vor allem der Humor.