Nur noch eine knappe Woche ist es hin bis zur vierten Ausgabe der Türkviyzon – Zeit für das nächste Update. Am kommenden Sonntag, dem 20. Dezember 2020, soll der Musikwettbewerb der Turkvölker ab 14 Uhr deutscher Zeit (16 Uhr Ortszeit) beim türkischen Musikkanal TMB über den Sender gehen. Über den (etwas ruckeligen) TMB-Livestream auf der Senderseite bzw. bei Twitch sowie über den offiziellen Youtube-Kanal kann man die Show online mitverfolgen. Die Schauspielerin und Sängerin Esra Balamir sowie der TV-Moderator Refik Sarıöz führen durch den Nachmittag, das heißt, sie sagen die Clips an. Denn aufgrund der auch am Bosporus wütenden Pandemie ist eine Live-Show nicht möglich, die Beiträge wurden in den bis dato 24 26* Teilnehmerländern im Blue-Screen-Verfahren aufgezeichnet. Ein paar Nationen scheiterten vorab an der technischen Hürde: sowohl der niederländische Vertreter Elcan Rzayev als auch die Schwedin Arghavan schafften es nicht, (rechtzeitig) einen den Vorgaben aus Istanbul genügenden Clip zu produzieren und sind bereits wieder raus. Zum Ausgleich gibt es einige Neuzugänge: so geht für die erstmals an der Türkvizyon teilnehmende, mit dem Bundesland Niedersachsen verschwisterte russische Oblast Tjumen (Westsibirien) die 17jährige Adilya Tuşakova an den Start, die einem Interview mit Eurovoix World zufolge per Zufall durch einen Freund von der Türkvizyon erfahren habe und “natürlich” sofort dort mitmachen wollte.
Kurz aber schmerzlos: dieser unlängst veröffentlichte Teaser findet sich auf dem Youtube-Kanal des kasachischen Vertreters Almaz Kopzhasar. Ob es sich um seinen Türkvizyons-Beitrag handelt, ist nicht bekannt.
Gleich zweifach vertreten ist Kasachstan: Emina Rakhmetzhan und Salamatkhan Ivuellaeva heißen die Repräsentantinnen der Volksgruppe der Uiguren. Richtig: die kennen sie aus dem Auslandsjournal, von Berichten über die staatliche Unterdrückung dieser muslimisch geprägten Ethnie in ihrem benachbarten Hauptsiedlungsgebiet, der chinesischen Provinz Xinjiang. Emina und Salamatkhan gehören zum musikalischen Ensemble des Quddus-Khojamyarov-Staatstheaters und treten als Sada Ensemble an. Ihr Konkurrent Almaz Kopzhasar singt hingegen für das Land als Ganzes. Andere ‑stans fahren gar einen argen Schlingerkurs in Sachen Türkvizyon: sagten die russische Teilrepublik Sascha (Jakutien) und die im Kaukasus lebende Volksgruppe der Nogaier noch Anfang Dezember nach anfänglich signalisiertem Interesse zunächst wieder ab, so überlegten sie es sich beide nur wenige Tage später und sind jetzt doch dabei. Für das riesige, menschenleere Jakutien geht die 30jährige Umsuuara mit dem erstmalig im Jahre 2017 veröffentlichten Titel ‘Mokhsoğollor’ (‘Falken’) ins Rennen. Sie ist bei Weitem nicht die Einzige mit einem nicht mehr ganz taufrischen Song: ‘Halkyma’ (‘Für meine Leute’), das Lied, mit dem Ziliya Bahtieva für die bevölkerungsreichste russische Teilrepublik Baschkortostan antritt, hat auch schon zwei Jahre auf dem Buckel.
Maultrommel trifft Schlagerbeat: die bezaubernde Ziliya mit ihrem Türkvizyons-Beitrag.
Auf lediglich etwas über ein Jahr und rund 200.000 Youtube-Hits bringt es der auf bosnisch gesungene Türkvizyonsbeitrag ‘Doživotno osuđen’ von Haris Skarep. Der in Novi Pazar geborene 29jährige vertritt das Sandžak, eine Teile von Serbien und von Montenegro umfassende historische Region, deren Einwohner:innen sich mehrheitlich zu den Bosniaken zählen. Chaos gibt es mal wieder um Albanien: ursprünglich war die Sängerin Rovena Stefa für das Land der Skipetaren nominiert, doch diese sagte aus “persönlichen Gründen” wieder ab. Flugs schubste man die eigentlich erst für 2021 eingeplante, 27jährige Ilire Ismajli in den Ring, eine ausgebildete Violinistin. Ihren Song ‘Perseri’ präsentiert sie zweisprachig auf albanisch und türkisch. Indischen Flavour verspricht hingegen die belarussische Vertreterin Svetlana Argaval, die im Eurovoix-World-Interview von ihrer Liebe zum Bollywood-Kino spricht, das sie mit der eher hohen Tonführung im Gesang des Subkontinentes vertraut machte und dessen Lieder sie bereits als Kind phonetisch mitsang. So sehr faszinierte sie diese Kultur, dass sie gar einen indischen Mann ehelichte und die Sprache lernte. Ihren von der mehrfachen weißrussischen Eurovisionsvorentscheidungsteilnehmerin Gunesh geschriebenen Türkvizyonsbeitrag ‘Məni anla’ (‘Vertrau mir’) präsentiert sie, wie sich bereits am kopfüber stehenden “e” unschwer erkennen lässt, allerdings den Wettbewerbsvorschriften entsprechend in der Turksprache aserbaidschanisch. Scheint, dass für Abwechslung gesorgt ist am Sonntag!
Enthält sehr *räusper* dezente Produktplatzierungen: der Clip zu Haris’ Türkvizyonsbeitrag.
*[Update 19.12.2020]: Im Laufe dieser Woche erhöhte sich die Teilnehmer*innenzahl von 24 auf 26 Länder, Republiken, Regionen oder Völker und liegt nun gleichauf mit einem Eurovisionsfinale. Unter anderem stieß die südsibirische Gebirgsrepublik Tuwa hinzu, die bereits bei der Türkvizyonspremiere im Jahre 2013 mit ihrem kulturellen Markenzeichen, dem knurrenden Kehlengesang, für Aufsehen sorgte. Und auch diesmal ist mit dem 43jährigen “Verdienten Künstler der Republik” Oorzhak Omak Çopanoviç ein nationaler Star nominiert, der die Kunstfertigkeit des vibrierenden Kehlkopfes beherrscht. ESC kompakt fasst die Regularien der Juryabstimmung zusammen: danach darf pro Land ein:e Juror:in jedem Lied (außer dem eigenen) jeweils einen bis zehn Punkte geben. Drei externe “Profis” stimmen ebenfalls mit. Jeweils die höchste und die niedrigste Wertung wird gestrichen und die verbliebenen Punkte zusammengerechnet. Den drei Bestplatzierten winken Preise. Erstmalig kann auch das Publikum voten, allerdings nicht im Hauptwettbewerb, sondern in einer daneben laufenden Online-Abstimmung über den “Türkvizyon Sympathie-Award”. An dem beteiligt sich die Hälfte der diesjährigen Konkurrent:innen, inklusive des deutschen Vertreters Seyran.
‘Ghost – Nachricht von Sam’ auf Kaukasisch: Seyran knetet im Video sehr engagiert an seinem doch etwas phallisch geratenen Töpferwerk.
Sie alle interpretieren dasselbe Lied, die traditionelle Kaukasus-Ballade vom ‘Blonden Mädchen’, dem ‘Sari Gelin’. Das erzählt der offiziellen Türkvizyonsseite zufolge die Geschichte einer verbotenen Liebe zwischen einem Aseri und einer christlichen Kiptschakentochter. Nachdem die Eltern der Beiden einer Hochzeit nicht zustimmen, entführt der junge Mann seine Herzensdame, wird daraufhin jedoch verfolgt und getötet. Die in mehreren Sprachen überlieferte Volksweise galt für kurze Zeit irrtümlicherweise als Türkvizyonsbeitrag der ukrainischen Repräsentantin Natalie Papazoglu. Mitmachen nicht vergessen: Seyran braucht noch mindestens 25.000 Klicks, um die aktuell führende Olga Shimanskaya zu schlagen!
https://youtu.be/L7zFfAP16so
Hier gibt es den Livestream des Türkvizyon Song Contests 2020 zu sehen.
Türkvizyon 2020
4. Song Contest des türkischen Kulturraumes. Sonntag, 20.12.2020, ab 14:00 Uhr MEZ aus Istanbul, Türkei. 26 Teilnehmer:innen. Moderation: Esra Balamir und Refik Sarıöz.# | Land / Republik | Teil von | Interpret:in | Songtitel | Jury | Platz |
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01 | Albanien | AL | Ilire Ismajli | Përsëri | 171 | 19 |
02 | Stawropol (Nogaier) | RU | Janna Musaeva | Munayma | 159 | 24 |
03 | Baschkortostan | RU | Ziliya Bahtieva | Halkyma | 174 | 17 |
04 | Bosnien | BA | Armin Muzaferiya | Džehva | 194 | 03 |
05 | Nordzypern | CY | Çağıl İşgüzar | Acitir hep Hayallerim | 171 | 21 |
06 | Nordmazedonien | MK | Cengiz Sipahi | Kal Yanimda | 171 | 20 |
07 | Tuwa | RS | Oorzhak Omak Çopanoviç | Bayla la Talgam | 176 | 15 |
08 | Aserbaidschan | AZ | Aydan Ilxaszade | Can Can Qardaş Can | 193 | 05 |
09 | Polen | PL | Mishelle | Doğma Yerlər | 172 | 18 |
10 | Tatarstan | RU | Diliya Ahmetşına | Ğafu it, awılım | 191 | 06 |
11 | Deutschland | DE | Seyran Ismayilkhanov | Odun | 190 | 08 |
12 | Irak | IQ | Sarmad Mahmood | Kelebek | 150 | 26 |
13 | Gagausien | MD | Yulia Arnaut | Kemençä | 185 | 10 |
14 | Chakassien | RU | Darya Taçeeva | Ot-çalında | 181 | 11 |
15 | Ukraine | UA | Natalya Papazoğlu | Tikenli yol | 226 | 01 |
16 | Sandžak | RS | Haris Skarep | Doživotno osuđen | 178 | 13 |
17 | Kirgisistan | KG | Ayganysh Abdieva | Jüpiter | 176 | 16 |
18 | Belarus | BY | Svetlana Agarval | Məni anla | 166 | 23 |
19 | Russland | RU | Olga Shimanskaya | Hadi gel | 186 | 09 |
20 | Rumänien | RO | Sunai Giolakai | Niye? | 167 | 22 |
21 | Kasachstan | KZ | Almaz Kopzhasar | Kim ol | 159 | 25 |
22 | Moldawien | MD | Pelageya Stefoglu | Ateş gibi | 191 | 07 |
23 | Sascha (Jakutien) | RU | Umsuura | Mokhsoğollor | 204 | 02 |
24 | Tjumen | RU | Adilya Tuşakova | Havalarda | 193 | 04 |
25 | Türkei | TR | Ertan & İsrafil | Ne Yaptıysam Olmadı | 179 | 12 |
26 | Uiguren | KZ | Sada Ensembel | Sevgiyi besle | 178 | 14 |
Die komplette Teilnehmerliste inklusive Startreihenfolge wurde bekannt gegeben, auf Wikipedia kann man sie finden.
Ich freue mich so sehr, nach fünf Jaheen geht’s wieder los.
Tja, dann mal gucken wie das Turkvolk Deutschland beim Wettbewerb abschneidet. Und gegen welche für unsere Ohren eher.….abson.….fremd klingende Klänge es antritt.
JESC, Türkvizyon, sogar das ABU TV Song Festival gab es 2020 online, nur den ESC nicht. Irgendwie schon traurig, was es dieses Jahr dennoch alles gab. Technisch möglich wäre der ESC 2020 als Remote-/Online-Wettbewerb sicherlich gewesen, aber ich kann das niederländische Fernsehen auch verstehen, das so lange auf den Sieg warten musste und dann den Wettbewerb auch “richtig” austragen will. Nur ob das 2021 schon funktioniert? Eher unwahrscheinlich m.M.n.
@Patrick Schneider meiner Ansicht nach war die EBU dieses Frühjahr schlicht und ergreifend zu überfordert mit der Gesamtsituation und hatte keinen konkreten Notfallplan. Aber nicht nur die EBU hatte in diesem Jahr Probleme mit der Pandemie. Im März gab es in vielen Bereichen Unsicherheiten. Das sieht man vor allem an der Austragung des JESC. Eine Veranstaltung, die immer noch in den Augen vieler eine EBU-Nebenveranstaltung ist und dennoch trotz der seit Spätherbst wieder bestehenden, schwierigen Lage, ausgetragen wurde. Der JESC hatte einfach das Glück, im November, acht Monate nach der Absage des ESC, ausgetragen worden zu sein. Da hatte man genügend Zeit, ein Konzept anzufertigen.
Aber ich gebe dir vollkommen recht. Einen “richtigen” ESC, wie wir ihn alle kennen, wird es nächstes Jahr wahrscheinlich nicht geben. Jedoch haben wir jetzt die vier Szenarien und die Absicherung mit aufgezeichneten Auftritten, unabhängig davon, welches Szenario gewählt wird. Eine erneute Absage kann die EBU also nicht bringen.