Endlich mal jemand, der das Thema Handhygiene in Zeiten der Pandemie richtig ernst nimmt! Beim gestrigen ersten Semifinale der serbischen Vorentscheidung Pesma za Evroviziju 22, dem inhaltsgleichen Nachfolgeformat zur wegen eines Namensrechtsstreits nicht mehr sogenannt werden dürfenden Beovizija, erregte die Künstlerin Konstrakta (bürgerlich: Ana Đurić) Aufsehen mit ihrer bizarren Show, zu der ein sehr ausgiebiges und mehrfach wiederholtes, beinahe schon rituell zu nennendes Händewaschen gehörte. Dafür stand vor der auf einem Stuhl sitzenden Ana eigens eine befüllte Waschschüssel bereit, um sie herum gruppierte Nichttänzer reichten ihr zwischendurch Handtücher an. Die Merkwürdigkeit dieser Darbietung korrelierte perfekt mit dem ausgefallenen musikalischen Elektro-Rap-Bett und dem vollkommen absurden Songtext, der sich in der ersten Strophe mit dem “Geheimnis von Meghan Markles gesundem Haar” befasste sowie medizinische Tipps verbreitete, so beispielsweise, dass “dunkle Augenringe auf Leberbeschwerden” hinwiesen. Das Ganze gipfelt in der in die Brücke überleitenden Behauptung: “Als Künstlerin muss sie gesund sein”. Was wohl den Hintergrund habe, so jedenfalls entnahm ich es Twitter-Kommentaren, dass in Serbien manche freischaffenden Menschen (wie eben Sänger:innen) aus bürokratischen Gründen nicht der gesetzlichen Krankenversicherung unterlägen und damit, wie es auch in der zweiten Strophe heißt, “keine Karte” bekämen.
Besser nicht anstecken, wenn man die Behandlung selbst bezahlen muss: Konstrakta.
Neben diesem sozialpolitischen Thema beleuchtet ‘In Corpore sana’ (‘In einem gesunden Körper’) im Refrain zudem noch ein zweites, derzeit allgegenwärtiges Problem: die geistige Gesundheit in diesen herausfordernden Zeiten nämlich. “Eine traurige Seele in einem gesunden Körper / Ein verzweifelter Geist in einem gesunden Körper / Ein verängstigter Geist in einem gesunden Körper / Was machen wir jetzt”? fragt uns Ana abschließend, und das erklärte auch ihren zugleich bohrenden wie entrückten Blick. Das fantastische Gesamtkunstwerk kam (gemeinsam mit acht weiteren Konkurrent:innen) Gott sei Dank weiter ins für diesen Samstag angesetzte Finale, und ich kann nur hoffen, dass wir es in Turin wiedersehen. Unter den im ersten Semi Ausgeschiedenen sind keine wirklichen Verluste zu beklagen, stattdessen beherrschten die als Stargäste eingeladenen Vorjahresvertreterinnen Hurricane den beinahe schon sanremoesk langen Abend. Die serbischen Discogöttinnen gaben nämlich neben ihrem Eurovisionsbeitrag ‘Loco Loco’ und der bei einer serbischen Vorentscheidung augenscheinlich gesetzlich vorgeschriebenen Rendition von ‘Molitva’ auch ein fast zehnminütiges Medley von uptemporären Grand-Prix-Knallern wie ‘Fuego’ und ‘Qele qele’ zum Besten, zu dem sie im Vollplaybackverfahren die Lippen bewegten, die Haare fliegen ließen und über die Bühne stöckelten, wie es eben nur echte Regentinnen vermögen. Ich neige mein Haupt tief in den Staub vor ihnen!
Der absolute Overkill: derartig potente ESC-Drogen sollten nicht in dieser Überdosis verabreicht werden! (Plus Playlist mit ihren beiden anderen Auftritten).
Kaum zu glauben,das Gesamtkunstwerk wurde gewählt.
Der ESC wird dieses Jahr nicht eintönig!
Dem schließe ich mich gerne an !
Frankreich und Serbien haben den NDR-Bonzen gezeigt, wie moderner ESC geht.
Natürlich ist Konstraktas Song ein Wagnis, aber im zweiten Semifinale könnte man damit herausragen. Zudem hat das Ganze auch einen ernsten Hintergrund. Ein Mitglied ihrer Band ist an Krebs gestorben, weil er als Künstler keinen Zugang zur ärztlichen Behandlung hatte, die er bezahlen konnte.
Ich werte mit 10,5 von 12. Da freue ich mich drauf !
Wow, Konstrakta hat tatsächlich gewonnen.
Hypnotisch und visuell fantastisch umgesetzt.
Könnte so auch als Videoperformance im Moma in New York ausgestellt werden