Wie bereits ganz zu Anfang dieser Artikelserie erwähnt, entstand das zugrundeliegende Ranking der Beiträge kurz nach dem Ende der Vorentscheidungssaison 2019, also vor gut einem Monat. Es illustriert daher das unter Grand-Prix-Fans wohlbekannte Phänomen des Schönhörens, denn mittlerweile liegt dieser Song bei mir mindestens zehn, wenn nicht gar fünfzehn Positionen höher.
Platz 19: Nordmazedonien – Tamara Todevska: Proud (Stolz)
Dabei hat sich meine Meinung über das Lied seither gar nicht geändert. Ich zitiere wörtlich aus meiner Besprechung nach der Bekanntgabe des mazedonischen Beitrags am Weltfrauentag: “Handelt es sich bei ‘Proud’ doch um eine Ballade zum Thema der weiblichen Selbstermächtigung, die den zusammengecasteten deutschen Sisters, die mit dem gleichem Sujet unterwegs sind, zeigt, wo der Hammer hängt. Und zwar sowohl musikalisch, wo nach einem etwas spröden, verhaltenen Anfang ein zwar schon hundertmal gehörter, aber gerade deswegen sofort mitsingbarer Refrain kommt und wo der Song ziemlich unvermittelt in die Vollen geht und dabei fast schon gospelhafte Qualitäten entwickelt. Aber auch textlich: wie dem deutschen Beitrag wohnt ‘Proud’ ebenfalls ein direkter Appell inne, der sich jedoch nicht in vergleichsweise nett-verzagten “lasst uns lieb zueinander sein”-Aufrufen erschöpft, sondern die unbedingte Stärke und den Stolz der Frauen betont und damit deutlich kampfeslustiger und kraftvoller wirkt. Hinzu kommt der hymnenhafte Aufbau, der die anfänglich spür- und hörbare Traurigkeit über die noch immer herrschenden patriarchalischen Zustände in produktive, fordernde Wut verwandelt.”
Wir sind Familie: Tamaras Tochter und ihre Schwester sind mit dabei im Frauenpower-Clip.
Semi: 2. Finalchancen: Mein Leser Jorge kommentierte nicht ganz unzutreffend: “Aus der Restasche von ‘Rise Like A Phoenix’ zusammengekratzt. Netta hatte ihr den unverkrampfteren Ansatz zum Thema voraus”. Das stimmt, spielerisch kommt ‘Proud’ nun wirklich nicht herüber, sondern – wie RLAP – eher vor Pathos triefend. Finde ich aber einen ebenso berechtigten Ansatz wie Nettas augenzwinkernde Herangehensweise. Mich jedenfalls kriegt die Nummer, ich mag ihre effektive Simplizität und Hymnenhaftigkeit, und je öfter ESC Radio sie mir vorspielt, desto mehr verliebe ich mich in den Titel. Die Frage bleibt jedoch, wie auch die relativ niedrige Platzierung hier belegt, ob der Funke direkt beim ersten Hören überzuspringen vermag. Wenn es kosmische Gerechtigkeit gibt, findet sich Tamara, die bekanntlich 2008 trotz eines zehnten Platzes im Televoting von der Jury gekegelt wurde, diesmal im Finale wieder. Ich hoffe und bange jedenfalls mit ihr.
Beste Textzeile: “All the Rules are made for you to lose” – das Patriarchat in einem Satz zusammengefasst. Amen, Schwester!
In welche Kategorie fällt ‘Proud’ für dich?
- Ganz nett. (41%, 26 Votes)
- Absolut geil. (34%, 22 Votes)
- Verzichtbar. (16%, 10 Votes)
- Unerträglich. (9%, 6 Votes)
Total Voters: 64
Also ich muss gestehen, dass mich der Song tatsächlich gleich beim ersten Anhören mitgenommen hat. Großartige Stimme, ernsthaftes Pathos und – wie ich finde – ohne süßlichen Kitsch. Es steigerst sich und steigert sich und hach – schön. Und ein Video (das war auch meine erste Begegnung mit dem Song), welches mir unglaublich gut gefällt. Also Frau Jagelovsk äh Todevska gehört auf jeden Fall unter die finalen 26. Und denn heißt es anrufen wie verrückt. Meine Top 10 auf jeden Fall.
In den Video sind ja (fast) alle versammelt; Netta leibhaftig und Conchita (“ machen sie eine typische Armbewegung” ) habe ich sofort erkannt.… und ja; das Lied hat mehr drive als unsere ( falschen) Schwestern. Aber die Musiklinie ist immer die Gleiche und wird für mich dann doch etwas anstrengend. Ein Frauenpower-Song… ganz gut gemacht… aber mitreißen wie Nettas’ Toy tut er mich nicht. Ins Finale… wäre o.k. … …halt die notwendige Ballade, die man so kennt.
Hab schon nach einem Begriff oder Wort gesucht, warum ich zu diesem Lied keinen Zugang finde. Das hier benutzte “verkrampft” trifft es aber wohl recht genau. Klar, das Thema ist ein wichtiges, kann man mit viel Ernst interpretieren, aber die Stimme hat für mich einfach nichts, was mich berührt. Und das wäre notwendig, wenn man diesen Weg der Vermittlung der Botschaft wählt. Deshalb wirkt es auf mich persönlich zu gewollt, ich kann keine Sympathie dafür entwickeln.
Hört her Sisters!! So muss ein Appellsong klingen!! Ich mag es sehr gerne und wünsche ihr den Finaleinzug von ganzen Herzen!!
Ich finds klasse und drücke ihr ganz fest die Daumen!
Darf von mir aus gerne ins Finale und dafür dann Armenien oder Malta draußen.