Rotzfrech ins Gesicht gelogen hat sie uns, die Ana Soklič. Es handele sich bei ihrem Eurovisionsbeitrag nicht um eine Ballade, so versprach uns die Siegerin der letztjährigen Vorentscheidung EMA und fix für 2021 gesetzte slowenische Vertreterin noch im Vorfeld der heute Abend erfolgten Liedpräsentation auf der offiziellen Senderwebsite. Gute 70 Minuten reservierte RTVSLO dafür im Hauptabendprogramm. Die wurden zunächst für einen von der fabelhaften Lea Sirk moderierten, einstündigen nostalgischen Trip durch die reiche Grand-Prix-Geschichte des Landes seit 1961 genutzt, sowohl noch während der Zugehörigkeit zu Jugoslawien als auch in eigenständiger Form. Und just, als es beim parallel laufenden Melodifestivalen gerade sehr lustig zuging, schob man in Slowenien Anas aktuelles Lied über die Antenne. Das heißt ‘Amen’ und ist… na was wohl, bei so einem Titel? Eine Powerballade! Genau genommen stellt es sogar die Quintessenz sämtlicher Powerballaden dar, die jemals beim Eurovision Song Contest zur Aufführung gelangten, und klingt wie schon eine Million Mal gehört. Frau Soklič intonierte die deprimierende Baukastennummer voller religiös-reaktionärer Motive anfänglich zurückhaltend (womit sie mich nach fünf Sekunden verlor), ab dem musikalisch bombastisch auftrumpfenden Refrain mit fester Stimme. Und selbst, als am Ende ein aufgezeichneter Gospelchor hinzutrat, war mein heiliger Zorn über den Betrug noch nicht verraucht. Und das wird er wohl auch bis Mai 2021 nicht mehr.
Der einzige vorerst tröstliche Gedanke: der österreichische Beitrag 2021 heißt ebenfalls ‘Amen’. Und ich würde so laut lachen, wenn der ORF versehentlich dasselbe Lied eingekauft hätte wie RTVSLO!
Ach menno! Warum muss man so eine tolle Stimme mit einem so langweiligen Beitrag verbraten?!
Da wünsche ich mir doch glatt “Voda” wieder! Es wird sehr, sehr schwer werden für Slowenien!
Ist euch schon mal der unglaublich reaktionäre Text aufgefallen, der vor archaisch-christlichen Motiven und Doktrinen nur so strotzt?
Ich könnte kotzen!
@Ajax: Ist mir gestern Abend tatsächlich nicht aufgefallen, weil ich so mit meiner Enttäuschung darüber beschäftigt war, dass es nun doch eine Ballade ist, dass ich auf den Songtext gar nicht mehr geachtet habe. Aber ja, der ist echt zum Speien. Ich hab’s oben kurz ergänzt, danke für den Hinweis.
Oha, das fade Stück bekommt durch die religiöse Note zumindest einen kleinen interessanten Aspekt…
Aber während Laura Bretan damals für Rumänien auch eine grandiose Neubesetzung für “Carrie-des Satans jüngste Tochter” gewesen wäre, ist hier der diabolische Aspekt des Kirchenliedes deutlich dezenter, aber bei der roten Ausleuchtung von unten am Ende des Songs dann doch unübersehbar.
Slowenien, da geht noch mehr bis Rotterdam!
Auf den Text habe ich noch gar nicht geachtet. Zu all dem anderen finde ich, dass Ana eine tolle Stimme und durchaus Bühnenpräsenz besitzt. Die ersten 2/3 des Lieds sind sehr o.k., da wird nicht so viel Chichi reingepackt wie bei anderen Balladen, danach übertreiben sie’s mal wieder. Bis zum Ende etwas schlichter hätte dem Beitrag besser gestanden.
Buäh, was für ein langweiliges Stück Musik gepaart mit einem käsigen Text von der Moral-christlichen Kleiderstange. Es ist so Schade um ihre tolle Stimme, die mir bei „Voda“ sehr gefallen hat. Das war zwar auch kein Meisterwerk, aber durch die Landessprache und ihre Art zu singen entwickelt es eine angenehm-mystische Atmosphäre. Ist leider derzeitig mein erster Platz von hinten, sogar hinter dem Schuppen-Shampoo-Song aus Zypern.
Hmm, ich scheine ja weit und breit der Einzige zu sein, dem das Teil gefällt, sehr sogar.
Zugegeben, die Komposition ist jetzt nicht gerade originell, aber ich finde sie doch gut aufgebaut. Und mir geht es bei Ana so wie Oliver bei den Mamas: die kann singen, was sie will, es klingt immer grandios.
Punktabzug gibt es allerdings tatsächlich für den wirklich schlimmen Text. Auch ein Landessprachenzwang für exjugoslawische Länder würde in dem Fall wohl nicht weiter helfen, Amen und Halleluja heißen auf slowenisch wahrscheinlich genauso.
Aber ihr wollt den Song doch nicht wirklich mit der zypriotischen Werbe-Rotz-Plastik-Nullnummer vergleichen??? Denkt nochmal drüber nach, falls euer Ärger irgendwann etwas verzogen sein sollte…
Schuppen auf mein Haupt und die Krallen schnell noch nachlackiert und poliert, bevor mich eure Reaktionen (zumindest in Gedanken) niederstrecken.
Ergänzung zum Text des Grauens:
Das gleiche Problem hatte ich letztes Jahr bei Malta: Tolle Stimme und ganz ordentliche Komposition aus dem Bausatz. Dass Destiny mitnichten von einer Teenagerliebe, sondern von ihrer christlichen Erweckung sang, hab ich erst beim zweiten oder dritten Hören mitbekommen.
Wie wäre es in Zukunft mit einem dem Barbara-Dex-Award ähnlichen Soklic-Chukunyere-Award für die größte Text-Künstler-Schere?
Dazu fällt mir nebenbei noch Takasa ein (Schweiz 2013), die Heilsarmee-Band hat ihr christlich Liedlein zwar auch noch grauenvoll gesungen, war aber insgesamt doch irgendwie bizarr-putzig…
@ag9
Ich hab das mit Destiny auch nicht geschnallt. Aber ich hab da weniger Probleme mit. Wenn jemand von seiner Beziehung zu einem eingebildeten Freund erzählt, ist mir das herzlich egal. Auch beim ESC. Manche Liebeslieder richten sich ja auch an Idealpartner, die gar nicht existieren, warum also nicht auch der himmlische Unerreichbare. (Man könnte ja unter dieser Perspektive “Schöner fremder Mann” mal ganz neu für sich entdecken. xD)
Aber mit diesem Text ist es was Anderes: ich brauch mir nicht von einer wiedererweckten Christin beim ESC eine Missionspredigt anhören, in der sie mir erzählt, ich soll Angst haben, damit ich Erlösung finde, soll meine Wunden als Segnungen anerkennen und den Kampf des Lichtes führen. Die christliche Rechte versucht schon seit Jahren mit unschuldig dreinschauenden Mädels auf der ESC Bühne Zeugen Jehova zu spielen. Diese unsägliche Laura Brentan ist uns Gott sei Dank erspart geblieben aber heuer werde ich wohl im Semi fluchtartig verschwinden und mich am Klo auskotzen. Ich kann nur hoffen, dass es nicht zu viele reaktionäre Schwuppen da draußen gibt, die mit tränennassen Äuglein diesen Mist ins Finale wählen. So tief sollst Du niemals sinken, den Kakao, durch den man dich zieht – auch noch zu trinken. In diesem Sinne – Amen!
@Ayax
Da muss ich doch widersprechen.
Ich finde es schlimmer, minderjährige Mädchen wie Laura aber auch Destiny zu benutzen, um über ihre eigene ekstatische religiöse Erweckung zu singen, als wenn das eine erwachsene gefestigte Frau wie Ana tut.
Inhaltlich geht es doch bei allen 3 Songs um die gleiche Werbebotschaft für den Herrn, jeweils Zielgruppengerecht unterschiedlich verpackt.