Wie die Titelmusik zur weißrussischen Version der Sendung mit Maus, so klingt der heute vorgestellte belarussische Eurovisionsbeitrag 2021. Das offizielle Video zeigt einen Haufen mittelalter weißer Männer und eine einsame jüngere Schellenkranz-Schüttlerin, die in einem nachgebauten Wohnzimmer auf dem Sofa sitzen und eine handgeklampfte, hauptsächlich aus dem Refrain bestehende Lagerfeuerhymne intonieren. In Landessprache, und eurovision.de zufolge übersetzt sich der Songtitel ‘Ya nauchu tebya’ mit ‘Ich bringe dir bei’, was zur Kinderliedhaftigkeit der Musik passt. Soweit auf den ersten Blick alles harmlos. Intern bestimmte der Staatssender BTRC die “aus Musikern und Komikern” bestehende Band Galasy ZMesta; die für ihre notorischen “Spasiba”-Auditionen berühmt-berüchtigte Vorentscheidung fiel diesmal aus. Und das verwundert angesichts der aktuellen politischen Lage in dem Land kaum. Seit den letzten, wie immer massiv manipulierten Präsidentschaftswahlen im vergangenen Sommer existiert dort nämlich erstmals eine hauptsächlich von mutigen Frauen angeführte Protestbewegung gegen den mit brutaler Härte an der Macht klebenden Diktator Lukaschenko.
Dient wohl eher der innenpolitischen Indoktrination als dem außenpolitischen Punktesammeln: Lukaschenkos Lakaien mit ihrem scheinbar harmlosen Geplänkel.
Der ließ zwischenzeitlich tausende von Demonstrierenden zusammenknüppeln und inhaftieren, führende Oppositionelle verschleppen oder ausweisen. Für das Erste scheint der Widerstand mittlerweile gescheitert, auch weil Europa bis auf wohlfeile Solidaritätsadressen wenig konkrete Hilfe leistet, und weil Lukaschenko noch immer auf Putins Unterstützung zählen kann. Zu den Unterstützern des Diktators zählt auch die nun ausgewählte Band, die sich – anders als die demzufolge umgehend vom Sender geschassten Vorjahressieger Val – ausdrücklich distanzierten von der auch von vielen Künstler:innen getragenen Protestbewegung. Und so dürfte es vermutlich vor allem Gehorsam gegenüber dem Führer sein, den das Quintett den belarussischen Kindern “beibringen” möchte. Was die Nummer noch einmal deutlich problematischer erscheinen lässt als frühere, ebenfalls von ganz Oben ausgesuchte, zum Ausgleich aber wenigstens musikalisch campe Lukaschenko-Belobigungen wie ‘I love Belarus’.
Wenn schon musikalisches Stiefellecken, dann wenigstens mit Stil und Glamour wie hier bei der Vinnikova!
Sendung mit der Maus, Löwenzahn oder doch etwa “Wie schön dass du geboren bist”? Absolut egal! Die Nummer ist ein verdammtes Machwerk! Alles andere als ein knallhartes Semi-Aus wäre mit einem Weltwunder gleichzusetzen. Ich will’s nicht heraufbeschwören! Keineswegs!
Und damit wir das mal klarstellen, da manche es schon fordern: Die EBU zum Ausschluss von Belarus zu bringen, löst absolut kein Problem im Land! Dennoch bin ich sehr gespannt, ob sich Belarus dieses Jahr beim ESC noch hält. Mache mir schon mal das Popcorn für ein mögliches Drama warm!
Also doch keine Braids aus Belarus, sondern nur ein alter Zopf, der dringend abgeschnitten gehört.
Einen gewissen perversen Humor kann man Lukaschenko mit dieser Wahl freilich nicht absprechen.
Eine Übersetzung des Songtextes findet sich übrigens bei Merci, Chérie.
Und das klingt schon alles sehr bizarr, allerdings bestätigt insbesondere der Refrain-Part schon ziemlich meine Vermutung, oder?
@Oliver: Absolut!! Das ist alles gerade so unverfänglich getextet, dass die EBU hier nichts unternehmen kann, aber das ständige wiederholen „ich werde Euch lehren.…“ noch dazu in Landessprache kann in der dortigen politischen Lage nur als unterschwellige Drohung verstanden werden.
Ich stimme Esclucas zu, dass ein Ausschuss von Diktaturen oder fragwürdigen Demokratien eher Kontraproduktiv sind, schließlich kann der Rest Europas (Russland wahrscheinlich ausgenommen) durchaus mit Nichtbeachtung abstimmen. Schließlich hätten wir in den 60er und 70er Jahren auch auf viele tolle spanische, portugiesische und jugoslawische Beiträge verzichten müssen und das wäre dann ja auch schade gewesen, zumal es der Bevölkerung eh nichts genutzt hätte.
Immerhin wird hier nationale Authentizität gezeigt, das ist doch ehrlicher als die Beiträge der letzten Jahre.Bringt einen lustigen Kontrast in den ESC.
In dieser Hinsicht war “Born in Belarussia” (das durch ‘I love Belarus’ ersetzt wurde) aber noch gekonnter und stilvoller.
You made my day: Schellenkranz-Schüttlerin! Köstlich!
Der Refrain ist wirklich starker Tobak, für sich genommen schon Grund genug den Sänger von der Bühne zu jagen.
Ich bin gespannt wie das für deren Delegation und Band in Rotterdam in den 2 Wochen läuft.
Wie das im Saal beim Auftritt ankommen wird, kann man sich vorstellen.
Musikalisch eine fröhliche Belanglosigkeit, von der vielleicht deswegen ein klein wenig hängen bleibt, weil hier das Russische so gar nicht zum Lied passen will, was irgendwie auch für den Leadsänger gilt.
Vom Text her, das Reaktionärste und Diktatorenfreundlichste ever der Grand Prix-Historie. Dürfte ein Rekord für die Ewigkeit sein. Gratulation.
12 Points für den neuen Belarussischen Beitrag!
Und ein Blick in eine bessere Zukunft für das Land
@Thomas
Das Video habe ich auch schon gesehen, aber das ist doch nicht bestätigt, oder?
Habe schon von anderen Leuten Gerüchte gehört, dass Belarus sich nun doch zurückziehen wird.
Nein, das war ironisch gemeint…ich glaube nicht, das ein Video bei dem Lukaschenko sozusagen im übertragenen Sinne den Kopf verliert, Belarus vertritt.
So wie ich das verstanden habe, ist der Song von Exil-Weißrussen in der Ukraine entstanden.
Der Song geht mir aber ziemlich unter die Haut, von daher tatsächlich 12 Points 😉