Man muss sie nicht unbedingt verstehen, die Tendenz des spanischen Senders TVE, es sich unnötig schwer zu machen mit seiner nationalen Vorentscheidung. Speziell 1969, da man nach dem ersten, mit tatkräftiger deutscher Hilfe realisierten Eurovisionssieg des damals noch diktatorisch geführten Landes eigentlich alle Hände voll zu tun hatte, den diesjährigen Wettbewerb in Madrid auszurichten. So entschied sich der Sender, die seinerzeit 29jährige Maria Rosa Marco Poquet alias Salomé, die bereits im Vorjahr kurzzeitig als Ersatz für den von Franco geschassten Juan Manuel Serrat im Gespräch war, die Rolle als künstlerische Kollaborateurin jedoch ablehnte, direkt zur Repräsentantin des Landes zu ernennen. Dennoch veranstaltete man einen öffentlichen Vorentscheid zur Auswahl ihres Beitrags. Und zwar nicht in der spanischen Hauptstadt, sondern in Palma de Mallorca, der allseits touristisch bekannten Metropole der seinerzeit noch nicht zum 17. deutschen Bundesland herabgewürdigten Baleareninsel. Um die Geschichte noch komplizierter zu gestalten, schaltete man sogar ein Halbfinale mit zehn Liedern vor und ließ diese sowohl von Salomé selbst als auch von zehn verschiedenen (!) Zweitinterpret:innen singen, was nun wirklich überhaupt keinen Sinn machte. Außer vielleicht, um den Abend für die Zuschauer:innen etwas abwechslungsreicher zu gestalten.
Auch beim zweitplatzierten ‘Amigos’ kam Salomé nicht ohne ein kräftiges “Hey!” aus (plus Playlist mit den verfügbaren Vorentscheidungstiteln).
Immerhin ein kleines bisschen sollte sich die Teilnahme am Festival de la Canción Española für den am Anfang seiner kurzen Karriere stehenden Sänger Daniel Velázquez lohnen, der das von ihm mitinterpretierte ‘Palabras’ (‘Worte’) auch in Portugal und einigen lateinamerikanischen Ländern als Single veröffentlichte und Jahre später in Anlehnung an seinen ersten Erfolg gar ‘Palabras, solo Palabras’ (‘Worte, nur Worte’) nachschob. Danach verlegte er seine Tätigkeit aufs Komponieren, Produzieren und Organisieren von Musikveranstaltungen und betrieb eine Zeitlang verschiedene Discotheken. Bereits am Ende ihrer Karriere als Beatschlagerstar stand die als María José Guillén Torres geborene Adriàngela, die bis ins Vorjahr mit spanischen Coverversionen von internationalen Hits Erfolge feierte. Der im Februar 2021 verstorbene Lorenzo Valverde, hier ebenso wie Velázquez Zweitplatzierter, verfolgte neben der Musik noch weitere künstlerische Tätigkeiten wie die Malerei und die Schauspielerei, ob im Film, Theater oder im Musical, wie zum Beispiel in der spanischen Produktion von ‘Victor / Victoria’ (mit Paloma San Basilio in der Hauptrolle). Letztlich hätte sich TVE den ganzen Aufwand aber schenken können: das schmissige ‘Vivo cantando’, ebenso wie der Vorgänger ‘La la la’ ein extrem eingängiges und kraftvolles Lied über die Freude am Singen und am Leben als solches, vereinte fast zwei Drittel aller verfügbaren Jurypunkte auf sich.
Mit etwas weniger Bling-Bling am Outfit, dafür mehr Kuhglocken in der Instrumentierung: ‘Vivo Cantando’ in der Vorentscheid-Fassung.
Beim Auftritt im Eurovisionsfinale zu Madrid trug die bereits im Vorentscheid dem Glitzer keinesfalls abholde Salomé dann einen 14 Kilogramm schweren, vom seinerzeit führenden iberischen Modemacher Manuel Pertegaz designten und von aberhunderten schmaler Porzellanfransen bedeckten Hosenanzug, was der keine Sekunde lang stillstehenden Sängerin die Möglichkeit eröffnete, als menschliche Rassel zu fungieren und die Juror:innen mithilfe der im stakkatoartigen Takt ihres Sommerschlagers wild umherfliegenden Röhrchen zu hypnotisieren. Der Rest ist Geschichte: das Land siegte erneut, allerdings punktgleich mit drei weiteren Nationen, was im Teatro Real für eine heillos überforderte Moderatorin, amüsiert johlendes Saalpublikum und eine massive Sendezeitüberziehung sorgte. Nach diesem Eklat wollte die um die Reputation des Wettbewerbs besorgte EBU die Show nicht noch einmal an Spanien geben. Seither kam das Land nie wieder über einen zweiten Platz hinaus, seit der Einführung der Semifinale parkt es praktisch dauerhaft am hinteren Tabellenende. Auch für Frau Marco Porquet, die im gleichen Jahr noch heiratete, schloss sich keine große Karriere mehr an, sieht man mal von Nostalgiebuchungen bei Contestjubiläen oder Fanclub-Veranstaltungen ab.
https://youtu.be/gkOfzv6SkEA
Nie wieder kam jemand an diese Art von Tschakka-tschakka ran: Salomé.
Vorentscheid ES 1969
Samstag, 22. Februar 1969, im Teatro Balear in Palma de Mallorca. Eine Teilnehmerin. Moderation: Marisa Medina & Joaquín Prat. Jury (Songwahl).# | Interpretin | Songtitel | Jury | Platz |
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01 | Salomé | Amigos, Amigos | 08 | 02 |
02 | Salomé | Buenos Días | 04 | 04 |
03 | Salomé | Palabras | 08 | 02 |
04 | Salomé | Una Vida bueno | 03 | 05 |
05 | Salomé | Vivo cantando | 47 | 01 |
Letzte Aktualisierung: 16.06.2021
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