Vier­ter Super­sams­tag 2018: ent­mün­digt die Esten!

Rei­hen­wei­se fan­den am gest­ri­gen Super­sams­tag neben den abschlie­ßen­den Ent­schei­dun­gen in Däne­mark und Ita­li­en noch Semi­fi­na­le quer durch Euro­pa statt, bei denen sich die abstim­mungs­be­rech­tig­ten Zuschauer/innen und Juror/innen mal wie­der von ihrer schlech­tes­ten Sei­te zeig­ten und eine kata­stro­pha­le Fehl­ent­schei­dung nach der ande­ren tra­fen. Am wenigs­tens aus­ge­prägt erstaun­li­cher­wei­se dies­mal in Schwe­den, wo sich das zwei­te Semi­fi­na­le des all­ge­mein belieb­ten Melo­di­fes­ti­valen musi­ka­lisch noch schwä­cher prä­sen­tier­te als das eigent­lich schon unter­ir­di­sche ers­te vom vor­ver­gan­ge­nen Sams­tag. Mit den Augen­schmäu­sen Limaoo und Samir & Vic­tor wähl­ten die Skandinavier/innen drei ker­ni­ge Kna­ben mit trä­shi­gen Titeln ins Fina­le wei­ter, woge­gen sich natür­lich nicht das Gerings­te ein­wen­den lässt. In die Wir-quä­len-Dich-ein-zwei­tes-Mal-Run­de Andra Chan­sen dele­gier­te man die pol­ni­sche Kräch­ze Mar­ga­ret, deren Aus­schei­den beim Vor­ent­scheid ihres Hei­mat­lan­des im Jah­re 2016 mit dem in den inter­na­tio­na­len ESC-Wett­quo­ten bis dato bereits ganz weit oben lie­gen­den Titel ‘Cool me down’ für euro­pa­wei­te Ner­ven­zu­sam­men­brü­che bei den Fans sorgte.

Eine wei­te­re Mit­rei­sen­de auf dem ‘Despacito’-Zug: Mar­ga­ret lockt uns in ihre Strand­hüt­te (SE).

Beim Mel­lo 2018 ver­such­te es die blon­de Polin mit einem super­bil­li­gen Feri­en­club-Ani­ma­ti­ons­schla­ger, dar­ge­bo­ten in einem Out­fit, das, trü­ge es ein Mann, all­ge­mein als “Schnell­fi­cker­ho­se” bekannt ist. Darf man das Klei­dungs­stück bei Mar­ga­ret auch so bezeich­nen oder wäre das sexis­tisch? Oder wäre es sexis­tisch, es nicht so zu nen­nen? Urtei­len Sie selbst! Im Gegen­satz zu ihrem dama­li­gen desas­trö­sen Auf­tritt bei der Kra­jo­we Eli­mi­nac­je sang die Gute beim Mel­lo erstaun­lich kom­pe­tent: wie über­aus prak­tisch, dass dort die Chor­stim­men vom Band kom­men! Über die rest­li­chen Künst­ler des Abends lohnt die Rede kaum, sei es ein ver­härmt wir­ken­der Mitt­fünf­zi­ger namens Jonas Gar­de­ll, der sich auf schwe­disch über die Auf­säs­sig­keit der Jugend beklag­te (oder irgend­et­was ande­res – wo steht der Bus?) oder der eben­falls aus­ge­schie­de­ne Sti­ko Per Lars­son, der hier ledig­lich aus zwei Grün­den Erwäh­nung fin­det: zum einen auf­grund sei­ner Bit­te-hei­ra­te-mich-sofort-Nied­lich­keit; zum ande­ren, weil sein wirk­lich grau­en­haft schlech­tes Lied­chen ‘Schau, wir flie­gen’ hieß. Bezie­hungs­wei­se, in der Lan­des­spra­che inter­na­tio­nal womög­lich etwas miss­ver­ständ­lich, ‘Titta vi fly­ger’. “No, it does­n’t mean what you think it does,” wür­de Lill Lind­fors jetzt sagen (→ ESC 1985).

Süßer Sän­ger, lang­wei­li­ges Lied: Der Jun­ge mit der Gitar­re lässt die Möp­se flie­gen (SE).

Vor­ent­scheid SE 2018 (2. Semi)

Melo­di­fes­ti­valen. Sams­tag, 10. Febru­ar 2018, aus dem Scan­di­na­vi­um in Göthe­borg. Sie­ben Teilnehmer/innen. Mode­ra­ti­on: David Lindgren.
#Interpret/inTitelPunk­tePlatz
01Samir & ViktorShuf­fla1.237.06301
02Ida RedigAll­ting som vi sa779.52405
03Jonas Gar­de­llDet finns en väg490.91107
04Mar­ga­retIn my Cabana865.21403
05Sti­ko Per LarssonTitta vi flyger529.19406
06Mimi Wer­nerSong­b­ur­ning812.72404
07Lia­mooLast Breath1.151.26302

Die Mut­ter von Dschun­gel­camp-Insas­sin und Film­stern­chen San­dra Steffl rock­te beim Söng­va­kepp­nin die Büh­ne (IS).

Meh­re­re Liter Red Bull brauch­te, wer beim ers­ten Semi des islän­di­schen Söng­va­kepp­nin wach blei­ben woll­te. Lau­ter lah­me Schmalz­bal­la­den und sonst­wie ret­tungs­los alt­mo­di­sche Rohr­kre­pie­rer bevöl­ker­ten das Feld. Ich kann nur hof­fen, dass der Sen­der RÚV die guten Songs im zwei­ten Semi ver­steckt hat, denn von den sechs gest­ri­gen Titeln über­zeug­te nicht einer. Am sym­pa­thischs­ten noch das Damen­quar­tett Hei­mi­lis­tó­nar, vier gut gelaun­te, paten­te Schul­se­kre­tä­rin­nen mitt­le­ren Alters, die in pas­tell­far­be­nen Abend­klei­dern und in Beglei­tung zwei­er ver­gleichs­wei­se jugend­li­cher männ­li­cher Backings einen Rock’n’Roll-Schlager zum Bes­ten gaben, der beim Gala­abend im Alten­stift sicher für Stim­mung sor­gen wür­de. Lobens­wert aller­dings ihre Spiel­freu­de und das enga­gier­te Hüft­schwin­gen, dass mir spon­tan mein Lieb­lings-Läs­ter-Zitat aus einem mei­ner Lieb­lings­fil­me, der wun­der­ba­ren Tra­gi­ko­mö­die Magno­li­en aus Stahl, ins Gedächt­nis rief: “Als ob zwei Wild­schwei­ne unter der Decke mit­ein­an­der kun­geln”. Für opti­sche Unter­hal­tung sorg­te zudem eine blond­pe­rück­te Dame namens Þórunn Antonía, die mit Hil­fe zwei­er mus­ku­lö­ser Beglei­te­rin­nen und einer Lei­ter eine artis­ti­sche Show ablie­fer­te. Die jedoch ihr fades Elek­tro­ge­plod­der auch nicht rettete.

Tol­le Show, schwa­cher Song: Þórunn Antonía über­zeug­te als Artis­tin, weni­ger als Sän­ge­rin (IS).

Vor­ent­scheid IS 2018 (1. Semi)

Söng­va­kepp­nin. Sams­tag, 10. Febru­ar 2018, aus dem Hás­kóla­bíó Kino in Reykja­vik, Island. 6 Teilnehmer/innen. Mode­ra­ti­on: Rag­nhil­dur Stein­unn Jónsdóttir.
#Inter­pretTitelTele­vo­tingPlatz
01Þórunn AntoníaÉg mun skínax
02Tómas Hel­gi Weh­mei­er + Sól­borg GuðbrandsdóttirÉg og þúx
03Ari Ólaf­s­sonHeim–>
04Hei­mi­lis­tó­narKúst og fæjó–>
05Fókus hópu­rinnAld­rei gefast upp–>
06Guð­mun­dur ÞórarinssonLitirx

In Litau­en muss­ten wir uns ges­tern in der bereits fünf­ten (!) Vor­run­de der Euro­vi­zi­ja von aus­nahms­los allen (!) bis dato noch ver­blie­be­nen guten Bei­trä­gen ver­ab­schie­den; sei es der so bekiff­te wie schmu­cke Ras­ta­fa­ri Lukas Nor­kū­nas und sein herr­lich schrä­ges, eben­falls nur bekifft gou­tier­ba­res ‘Tegu’, das blon­de Dis­co­flitt­chen Ger­man­tė Kin­dery­tė und ihr super­bil­li­ger Trash-Titel ‘Turn it up’ oder, schlimms­ter Ver­lust von allen, der offen­sicht­lich durch­ge­knall­te Vidas Barei­kis und sein fan­tas­ti­scher Elek­tro-Klop­per ‘Pus­va­lan­du­ko’, der sich eigent­lich schon allei­ne durch das Qua­li­täts­merk­mal “dop­pel­te Hand­klat­scher” hät­te für das Fina­le qua­li­fi­zie­ren müs­sen. Gut, das spart uns Arbeit: so kön­nen wir uns an den noch bevor­ste­hen­den, stres­si­gen Super­sams­ta­gen mit ihren Myria­den gleich­zei­tig lau­fen­der Vor­ent­schei­dungs­run­den die wei­te­re Beob­ach­tung der Euro­vi­zi­ja nun voll­ends spa­ren, da sich dort schlicht­weg über­haupt nichts mehr in Line-up befin­det, das der Bericht­erstat­tung in irgend­ei­ner Wei­se lohnt. Man­che Län­der wol­len halt mit Gewalt im Semi kle­ben blei­ben. Bit­te, war­um nicht?

Man­che Natio­nen erken­nen gro­ße Kunst auch dann nicht, wenn sie ihnen direkt ins Gesicht springt (LT).

In Ungarn schräg­te es im ers­ten von zwei A‑Dal-Halb­fi­na­len die Zigan­ka­pel­le Ham ko Ham und ihr eher so mit­tel­präch­ti­ges ‘Bár­mer­re jár­sz’ sowie den super­se­xy bösen Buben Gulyás Roland mit sei­ner eher so unter­präch­ti­gen Poprock­bal­la­de ‘Hyp­no­ti­zed’, in bei­den Fäl­len also ein ver­kraft­ba­rer Ver­lust. Erstaun­lich eng wur­de es aller­dings auch für die (in ihrer Vor­run­de noch die Wer­tung top­pen­den) Bom­bastro­cker Lean­der Kills, die sich von den Zuschauer/innen ins Fina­le ret­ten las­sen muss­ten, nach­dem sie im Split­vo­ting nur den vier­ten Rang beleg­ten. Das gest­ri­ge Semi gewann das Büb­chen Dániel­fy Ger­ge­ly mit sei­ner hin­ge­bungs­voll dahin geschmalz­ten Gitar­ren- und Gei­gen-Bal­la­de ‘Azt mond­tad’ (‘Du sag­test’), dem Kla­ge­lied eines abge­leg­ten Lieb­ha­bers, des­sen Ange­be­te­te Kar­rie­re mach­te und ihm nun nicht mehr ihre Auf­merk­sam­keit schenkt. Und die er zur Rache mit sei­nem Buhl­ge­sang in einen tau­send­jäh­ri­gen Tief­schlaf klamp­fen möch­te. Jetzt liegt alle Hoff­nung auf dem zwei­ten A‑Dal-Semi am nächs­ten Sams­tag und den dort antre­ten­den Hea­vy-Metal-Hau­de­gen AWS.

Dáni­elfy Brühl Ger­ge­ly schmach­te­te sich in Beglei­tung zwei­er Sai­ten­vir­tuo­sen und einer gigan­ti­schen War­ze in die Her­zen der Jury (HU).

Die aller­größ­te Kata­stro­phe ereig­ne­te sich jedoch im ers­ten Semi­fi­na­le des ehe­mals bes­ten natio­na­len Euro­vi­si­ons­vor­ent­scheids, der Eesti Laul. Augen­schein­lich hilft in Est­land nur noch eine Geschmacks­dik­ta­tur, sprich: die kol­lek­ti­ve Zwangs­ent­mün­di­gung sämt­li­cher Bewohner/innen des Bal­ten­staa­tes und die Bün­de­lung des Jury­stimm­rech­tes in der Hand eines ein­zel­nen Befug­ten, sinn­vol­ler­wei­se in Per­son des Blog­be­trei­bers. In einem Anfall kol­lek­ti­ven Irr­sinns schmis­sen am gest­ri­gen Sams­tag die est­ni­schen Zuschauer/innen gemein­sam mit den Juro­ren den ein­zi­gen (!) guten Song ihres dies­jäh­ri­gen Line-ups weg, näm­lich das wun­der­schön eso­te­ri­sche ‘Külm’ des gran­di­os benann­ten Damen­du­os Etno­pat­sy: zwei dezent rasta­haa­ri­ge Song-Elfen, die Fül­li­ge­re (2017 bereits Teil der noch glo­rio­se­ren Ant­sud) bewaff­net mit einer Art von Umhän­ge-Zither, die eine ster­bens­schö­ne, schwel­ge­ri­sche, mys­ti­sche, zer­brech­li­che Bal­la­de in der Lan­des­spra­che dahin­hauch­ten, zusam­men­ge­hal­ten von einem ein­gän­gi­gen “Heja heja hey”-Cho­rus und beglei­tet von einer agi­len Tra­pez-Artis­tin. Ein Gesamt­kunst­werk also wie direkt aus dem Chill-Out-Zelt eines Goa-Fes­ti­vals, das mein Herz mit nichts als reins­ter, über­schwäng­li­cher Lie­be erfüllte.

Das wäre mein per­sön­li­cher Sie­ger­ti­tel des ESC 2018 gewe­sen. Doch er wur­de mir nicht ver­gönnt (EE).

Hass, die Phi­lo­so­phen wis­sen es, ent­steht bekannt­lich aus ent­täusch­ter Lie­be. Und so, ich muss es schmer­zen­den Her­zens geste­hen, ist mei­ne See­le nach der gest­ri­gen, him­mel­schrei­en­den Fehl­ent­schei­dung der Est/innen ver­gif­tet mit purer, schwä­ren­der Wut. Nur zu ger­ne wür­de ich die unbot­mä­ßi­gen Baltenbewohner/innen ein­zeln übers Knie legen und bestra­fen für ihr schänd­li­ches Tun. Vor allem im Hin­blick dar­auf, wel­chen – ich kann es lei­der nicht anders aus­drück­li­chen – unglaub­li­chen Scheiß­dreck sie statt­des­sen wei­ter­wähl­ten ins Eesti-Laul-Fina­le. Ein grau­en­haf­ter, abge­schmack­ter Pope­ra-Titel namens ‘La For­za’ bei­spiels­wei­se, zuge­ge­be­ner­ma­ßen tech­nisch feh­ler­frei gesun­gen von einer Dame namens Eli­na Netša­je­va: Musik also, die bei einem Pop-Fes­ti­val nichts ver­lo­ren hat (über­all sonst aller­dings auch nicht)? Eine ent­setz­lich kit­schi­ge, abge­han­ge­ne Sülz­bal­la­de namens ‘Home’, die nur des­we­gen wei­ter­kam, weil Stig Räs­ta (→ EE 2016) sie sang? Oder, und das ist der Gip­fel des Gan­zen, ein ent­setz­li­cher Song-Müll namens ‘Drop that Boo­gie’, in pho­ne­ti­schem Eng­lisch rade­brecht von einer Yoko-Ono-Epi­go­nin namens Iiris Ves­ik? Man steht davor und fasst es nicht.

Die Jacke will ich auch haben: Vajé (EE).

Der ein­zi­ge gera­de noch so Akzep­ta­ble unter den ins Laul-Fina­le Wei­ter­ge­reich­ten war ein süd­län­disch aus­se­hen­der Wuschel­kopf namens Vajé. Der rich­te­te sein okayes musi­ka­li­sches Hilfs­an­ge­bot ‘Walk with me’ an die noch immer ziel­los in sei­ner ver­mut­li­chen Hei­mat­stadt ‘Vero­na’ umher­ir­ren­de Lau­ra Põld­ve­re (→ EE 2005, 2017), die seit ihrem Urlaubs­streit mit dem schmier­lap­pi­gen Koit Too­me (→ EE 1998, 2017) ver­las­sen durch die Gas­sen der ita­lie­ni­schen Tou­ris­ten­me­tro­po­le streift. Welch ein Gen­tle­man! Dem Ver­neh­men nach soll das Niveau des zwei­ten Eesti-Laul-Semis am kom­men­den Sams­tag noch­mals nied­ri­ger lie­gen als beim gest­ri­gen ers­ten. Seufz: wohin nur sind die glor­rei­chen Tage ent­schwun­den, da sich hier die Elek­tro-Pop-Per­len, mys­ti­schen Eth­no-Gesän­ge und lus­ti­ger Trash-Punk gewis­ser­ma­ßen die Klin­ke in die Hand gaben? Es will mir schei­nen, dass der kol­lek­tiv schlech­te Geschmack der Esten, die seit jeher aus all der ange­bo­te­nen, gro­ßen Kunst stets ver­läss­lich das Fal­sche wähl­ten, für eine nach­hal­ti­ge Abschre­ckung all derer sorg­te, die einst für den berühm­ten Esto­ni­an Cool standen.

Vor­ent­scheid EE 2018 (1. Semifinale)

Eesti Laul. Sams­tag, 10. Febru­ar 2018, aus den ERR Stu­di­os, Tal­lin. 10 Teilnehmer/innen. Mode­ra­ti­on: Kris­tel Aas­laid und Mar­tin Veisman.
#Inter­pretTitelTVJuryGesamtPlatz
01VajéLau­ra (walk with me)08 | 1.62003 | 0221105
02Iiris Ves­ik + AgohDrop that Boogie04 | 87210 | 0971404
03Etno­pat­syKülm06 | 1.26804 | 0341006
04Sibyl VaneThousand Words07 | 1.44907 | 0781403
05Aden RayEverybody’s dres­sed05 | 97805 | 0591007
06Tiiu x Okym x SemyNäi­ta oma energiat01 | 55601 | 0100210
07Stig Räs­taHome10 | 2.99908 | 0861802
08Mil­jar­didPseu­do­pro­bleem02 | 68606 | 0610808
09Desi­reeOn my Mind03 | 76502 | 0120509
10Eli­na NetšajevaLa For­za12 | 11.79212 | 1132401

Hat­te so viel Geld für Holo­gram­me aus­ge­ge­ben, dass es nicht mehr für ein paar Socken reich­te: Con­stan­ti­ne (UA).

Gro­ßen Mist wähl­ten auch die Ukrainer/innen in ihrem sich über knapp fünf Stun­den (!) hin­zie­hen­den ers­ten Vid­bir-Semi­fi­na­le zusam­men. Und das für nur neun Titel, von denen gera­de mal drei wei­ter­ka­men! Soll noch mal jemand sagen, die Italiener/innen zögen alles unnö­tig in die Län­ge! Berech­tigt erscheint zwar noch das Aus­schei­den des wun­der­hübsch schmoll­lip­pi­gen Schmacht­bar­den Con­stan­ti­ne, der all sein erbar­mungs­wür­di­ges Weh­leid im Refrain sei­nes Bei­trags ‘Mis­to’ in ein paar kräch­zen­de “Oh-hoh-ho-hoh”-Gesän­ge ver­pack­te und die win­se­li­ge Num­mer auf­grund zahl­lo­ser schie­fer Töne kom­plett gegen die Wand fuhr. Auch sein Kol­le­ge Ser­hiy Bab­kin setz­te merk­wür­di­ge Prio­ri­tä­ten: für­sorg­lich hat­te er sei­nem Mikro­fon (samt Stän­der und Kabel) einen roten Über­zie­her gestrickt, auf dass die­ses im win­ter­li­chen Kiew nicht frie­re. Augen­schein­lich aber muss­te er, um sich die Baum­wol­le leis­ten zu kön­nen, sei­ne eige­nen Schu­he ver­set­zen: bar­füs­sig stand der Schmalz­lap­pen auf der Büh­ne und sülz­te sei­ne ster­bens­lang­wei­li­ge Bal­la­de über die Augen sei­ner Ange­be­te­ten aus dem Hand­ar­beits­la­den vor sich hin.

Hap­pi­ness is a warm Cigar Micro­pho­ne: der für­sorg­li­che Ser­hiy (UA).

Scha­de hin­ge­gen um den anmu­ti­gen Elek­tro-Folk-Titel ‘Dyva’ des Tri­os Kaz­ka, bestehend aus einem bewoll­mütz­ten Flö­tis­ten, einer pro­pe­ren Lead­sän­ge­rin sowie einem hip­ster­bär­ti­gen Sound­pro­gram­mie­rer, und dem Ein­spie­ler zufol­ge bekannt gewor­den durch eine Cas­ting­show. Ihr Song bestand im Wesent­li­chen aus einem ver­spiel­ten Beat und einem herz­haf­ten “Na na na” im Refrain, gefolgt von einer Flö­ten­me­lo­die: mei­ne sofor­ti­gen Dou­ze Points! Und auch im ukrai­ni­schen Ran­king hät­te es viel­leicht für etwas mehr als ent­täu­schen­den Mit­tel­feld­platz gereicht, wenn die Voka­lis­tin ein paar Töne mehr getrof­fen hät­te als nur so jeden drit­ten bis fünf­ten. Völ­lig ver­dient hin­ge­gen der letz­te Rang für das bis auf den Front­mann kom­plett wei­ße Sex­tett The Vyo, das eine äußerst schwäch­li­che Wie­der­auf­be­rei­tung von ‘Reg­gae ok’ (→ FI 1981) zu Gehör brach­te. Hier unter dem Titel ‘Ng’a-ng’a’, was natür­lich, wenn man genau hin­hör­te, nichts ande­res war als eine geschick­te Tar­nung für ihren Appell zur Lega­li­sie­rung von “Gan­ja”. Ste­he ich auch voll dahin­ter, aller­dings erwie­sen sie dem berech­ti­gen Anlie­gen mit die­sem Rohr­kre­pie­rer einen Bärendienst.

Die berühm­te “mon­go­li­sche Nasen­flö­te” (Ter­ry Wogan) kam bei Kaz­ka zum Ein­satz (UA).

Eben­falls bedau­er­lich das Semi-Aus für die Rock­ka­pel­le Kozak Sys­tem, fünf sehr straigh­te Her­ren, die mit ‘Mamai’ einen hin­rei­ßen­den Mix aus Ska, Punk, Hard­rock und Buko­vina hin­leg­ten, apart abge­run­det mit ein paar elek­tro­ni­schen Har­fen­klän­gen. Ihr Unglück: trotz des ukrai­ni­schen Titels san­gen sie den Text ihres end­gei­len Bal­kan-Stamp­fers lei­der auf so etwas wie Eng­lisch. Oder viel­mehr einem Ver­such davon. Das ging lei­der mäch­tig in die Hose und nahm dem Song ein Stück sei­ner unmit­tel­ba­ren Wucht. Unter einem ver­wand­ten Pro­blem lit­ten auch Pur:Pur (→ Vid­bir 2016), bei denen es weni­ger an der (exzel­len­ten!) Arti­ku­la­ti­on lag, son­dern an dem im ver­ein­facht ver­wen­de­ten Frem­di­di­om sehr unrund und ama­teur­haft klin­gen­den Text. Wobei in die­sem Fall die Lan­des­spra­che ‘Fire’ wohl genau so wenig geret­tet hät­te wie der apar­te Glit­zer­helm der elfen­haf­ten Lead­sän­ge­rin: dafür mäan­der­te es ein­fach zu ziel­los vor sich hin. Doch bei aller Kri­tik an den aus­ge­schie­de­nen Stü­cken: sie erwie­sen sich alle­samt den drei Titeln über­le­gen, wel­che die Jury und die Televoter/innen ins Fina­le weiterwählten.

Was Con­chi­ta Wurst kann – näm­lich ihren Bart fär­ben – das kön­nen auch ech­te Ker­le: die Rocker von Kozak Sys­tem (UA).

Das gilt selbst für den ‘Forest Song’ von Vil­na, einem wei­te­ren eso­te­risch ange­hauch­ten Stück, bei dem sich die als India­ne­rin ver­klei­de­te, ras­ta­zöp­fi­ge Blon­di­ne von zwei als mythi­sche Wald­tie­re ver­klei­de­ten Tromm­lern beglei­ten ließ. Und das so klang, als habe Vil­na letz­tes Jahr sehr genau beim est­ni­schen Vor­ent­scheid hin­ge­hört, hier spe­zi­ell bei Ker­li und ihrem ‘Spi­rit Ani­mal’. Wobei die­ser Ver­gleich natür­lich eine böse Belei­di­gung der Bal­ten dar­stellt, denn selbst gegen­über die­sem schon sehr kom­mer­zi­el­len Titel nimmt sich der ‘Forest Song’ wie ein völ­lig see­len­lo­ser Aus­ver­kauf aus. Ein völ­li­ger Witz ist hin­ge­gen das Wei­ter­kom­men eines Jüng­lings namens Laud: selbst der Mode­ra­tor der Show stimm­te direkt nach sei­nem Auf­tritt den Refrain des von Laud scham­los kopier­ten Mega-Hits ‘Human’ vom Rag’n’Bone an. Dass die Jury aus­ge­rech­net die­sen offen­sicht­li­chen Ideen­dieb­stahl mit der Höchst­wer­tung belohn­te, ist ein wei­te­rer Beleg für die Sinn­lo­sig­keit die­ses angeb­li­chen Exper­ten­gre­mi­ums, das doch nach dem Man­tra sei­ner Befürworter/innen angeb­lich den musi­ka­li­schen Anspruch hoch­hal­ten soll. Und wie!

Sor­ry, ich kauf es Dir nicht ab: Vil­na gibt die eso­te­risch Beseel­te (UA).

Vor­ent­scheid UA 2018 (1. Semi)

Vid­bir. Sams­tag, 10. Febru­ar 2018, aus dem Kul­tur­pa­last der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät in Kiew, Ukrai­ne. 9 Teilnehmer/innen. Mode­ra­ti­on: Ser­hiy Prytula.
#Inter­pretTitelTVJuryGesamtPlatz
01Con­stan­ti­neMis­to02070907
02Ser­hiy BabkinKriz tvoyi Ochi04081205
03LaudWai­ting07091601
04Kaz­kaDyva05040906
05The VyoNg’a-ng’a01020309
06Kozak Sys­temMamai03010408
07Vil­naForest Song09031203
08Pur:PurFire06061204
09The Eri­sedHeroes08051302

6 Comments

  • Danke…Du hast sooo Recht das schlimms­te Lied ist wirk­lich die­ses schreck­li­che La For­za wo alle total aus­flip­pen und schon den Sie­ger in Por­tu­gal sehen…Einfach Horror

  • Die Schwe­den ent­täu­schen die­ses Jahr auf gan­zer Linie. In der ers­ten Vor­run­de waren wirk­lich nur John Lund­vik + Ben­ja­min Ingrosso zu ertra­gen, wobei letz­te­rer einen Fremd­schäm-Auf­tritt hin­ge­legt hat (Jacke halb run­ter­zie­hen und in die Kame­ra nicken???). Aber am Sams­tag war so gar kein halb­wegs gutes Lied dabei, eigent­lich nur Schrott. Und was auch erstaun­lich ist, dass die Schwe­den sehr kon­se­quent alle Titel in der Lan­des­spra­che rauskegeln 🙂

  • @ por­stein: Das hat­te ich völ­lig ver­drängt.… bei Lan­des­spra­che hat­te ich nur noch die­sen älte­ren Mann mit die­ser wirk­lich scheuß­li­chen Frü­he-60er-Gedächt­nis-Hym­ne und den Gitar­ren­zot­tel in Erinnerung 😉

  • Mir gefällt “La For­za” eigent­lich ganz gut. Ich kann aber ver­ste­hen, daß es nicht weni­ge grau­en­voll finden.

  • Auch hier noch­mal kurz der Hinweis:
    durch die Wild­card-Run­de dür­fen Pusvalan“disco”-Freunde wie­der Hoff­nung schöp­fen. Momen­tan liegt zwar Gre­ta Zaz­z­as Euro­pop-Ödnis mit 1921 Punk­ten in Front, aber gleich dahin­ter der gute Vidas mit deut­li­chem Abstand zum drit­ten Platz!
    Micha­el Schul­tes “In My Bones” hat da mit 249 Punk­ten (7.Platz) ver­mut­lich nicht mehr viel zu mel­den, aber die Abstim­mung geht noch bis mor­gen Nacht und ehr­lich gesagt wäre mir der durch­ge­knall­te Dop­pel-Hand­klatsch-Elek­tro-Klop­per sogar noch wichtiger.
    http://www.lrt.lt/projektai/eurovizija/balsuok

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