Melo­di Grand Prix 1968: The Ven­ga­bus is coming

Die nor­we­gi­sche Melo­di Grand Prix lief 1968 exakt so ab wie auch die hei­mi­schen Vor­ent­schei­dun­gen in den Jah­ren zuvor: es gab fünf Songs und fünf Interpret:innen, die man alle bereits von vor­aus­ge­gan­ge­nen Ver­an­stal­tun­gen kann­te, inklu­si­ve des in Deutsch­land gebo­re­nen und nach dem zwei­ten Welt­krieg nach Oslo aus­ge­wan­der­ten Per Mül­ler. Jeder der Bei­trä­ge kam zwei­fach zur Auf­füh­rung, ein­mal beglei­tet von einer klei­nen Band und ein­mal von einem gro­ßen Orches­ter. Zehn regio­na­le Jurys stimm­ten ab und am Ende gewann der sowohl von der MGP-Dau­er­teil­neh­me­rin Kir­s­ti Spar­boe als auch von Odd Bør­re Søren­sen inter­pre­tier­te, jaz­zi­ge Lie­bes­schla­ger ‘Jag har aldri vært så glad i no’en som deg’ (‘Ich habe noch nie jeman­den so geliebt wie dich’), im übri­gen der ein­zi­ge Titel des Abends, der nicht aus der Feder von Tor Hul­tin stamm­te, dem Kom­po­nis­ten des Vor­jah­res­bei­trags ‘Duk­ke­man’. Da Kir­s­ti zu die­sem Zeit­punkt bereits zwei Grand-Prix-Ein­sät­ze hin­ter sich hat­te, optier­te der Sen­der NRK für den Kas­sen­ge­stell­trä­ger Odd. So weit, so gut.

Odd Bør­re mit dem Sie­ger­song des MGP 1968 (Stu­dio­auf­nah­me, Bewegt­bild stammt von ande­ren Auftritten).

Doch dann durch­kreuz­te Cliff Richard unge­wollt die Plä­ne. Den hat­te die BBC als bri­ti­schen Ver­tre­ter für den Wett­be­werb in Lon­don nomi­niert, und beim Durch­hö­ren sei­nes Kata­logs fiel irgend­ei­ner Pet­ze­lie­se auf, dass Odds Lied im Refrain mög­li­cher­wei­se eine win­zi­ge Ähn­lich­keit mit Cliffs 1963er Hit ‘Sum­mer Holi­day’ auf­wei­sen könn­te. Wobei das allen­falls mit viel bösem Wil­len auf die ers­ten vier bis fünf Töne des Refrains zutrifft und heut­zu­ta­ge kei­nen Hund mehr hin­ter dem Ofen her­vor­lock­te, selbst nicht unter noto­ri­schen Grand-Prix-Fans mit zu viel Zeit, die nur all zu ger­ne mit Vor­wür­fen über angeb­li­che Pla­gi­at­skan­da­le um sich wer­fen. Doch sei­ner­zeit sah sich Kari Neer­gaard, die Ton­set­ze­rin von ‘Jag har aldri vært så glad i no’en som deg’, die stets beteu­er­te, ‘Sum­mer Holi­day’ nicht zu ken­nen, nach eige­ner Aus­sa­ge anony­men tele­fo­ni­schen Dro­hun­gen und Belei­di­gun­gen aus­ge­setzt. Ent­nervt von den öffent­li­chen Anschul­di­gun­gen und dem Mob­bing warf sie das Hand­tuch und zog den Titel vier Tage nach dem MGP-Fina­le zurück, noch bevor man beim NRK eine Prü­fungs­kom­mis­si­on ein­be­ru­fen konnte.

Ver­glei­chen Sie selbst: hier der Video­clip zu ‘Sum­mer Holi­day’. Ach­ten Sie bit­te auch auf das Ver­kehrs­mit­tel, das Cliff steu­ert (Reper­toire­bei­spiel).

Der nor­we­gi­sche Sen­der schick­te not­ge­drun­gen den zweit­plat­zier­ten Song zum ESC, wel­chen beim MGP dank glück­li­cher Fügung eben­falls Odd Bør­re gesun­gen hat­te. So trug Herr Søren­sen in Lon­don dann ein Lied mit einem deut­lich kür­ze­ren Titel vor, näm­lich ‘Stress’, pikan­ter­wei­se in der Auf­tritts­rei­hen­fol­ge direkt nach Cliff Richard, dem das hei­mi­sche Publi­kum in siche­rer Erwar­tung sei­nes Sie­ges einen bran­den­den Applaus spen­dier­te. Odds musi­ka­lisch wie text­lich ziem­lich außer­ge­wöhn­li­che, auf der stän­di­gen, stot­tern­den Wie­der­ho­lung ein­zel­ner Sil­ben (“Gå, gå, gå, gå, gå, gå”) basie­ren­de Num­mer wirk­te im Ver­gleichs zu Cliffs eher kon­ven­tio­nel­lem Bier­zelt­stamp­fer natür­lich wie ein Schlag ins Gesicht mit einem nas­sen Hering und muss­te mit ledig­lich zwei ein­zel­nen Trost­pünkt­chen wie­der nach Hau­se fah­ren. Beson­ders lus­tig: das zen­tra­le lyri­sche Ele­ment in ‘Stress’ spiel­te der öffent­li­che Nah­ver­kehr und ins­be­son­de­re die Angst vor dem zu ver­pas­sen­den “letz­ten Bus”. Doch nicht etwa der, den Cliff Richard im Video­clip von ‘Sum­mer Holi­day’ steu­er­te? Bør­re ver­such­te es noch drei wei­te­re Male beim MGP, konn­te aber nie wie­der das Euro­vi­si­ons­ti­cket erlö­sen und stieg schließ­lich in den Nacht­bus nach Nirgendwo.

Dass Schlaf­mit­tel in klei­nen Dosen gesund­heits­för­dernd sein, wie Odd hier behaup­tet, möch­te ich nicht unwi­der­spro­chen ste­hen las­sen. Ansons­ten ist sein Song natür­lich ein Kultklassiker.

Vor­ent­scheid NO 1968

Melo­di Grand Prix. Sonn­tag, 3. März 1968, aus dem Cen­tral­teatret in Oslo. Fünf Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Jan Voigt.
#Inter­pre­tenInter­pre­tenSong­ti­telJuryPlatz
01Per AsplinNora Brock­stedtNysgjer­rig-Per044
02Kir­s­ti SparboeOdd Bør­reStress142
03Nora Brock­stedtPer Mül­lerNord­lys103
04Kir­s­ti SparboeOdd Bør­reJag har aldri vært så glad i no’en som deg201
05Per Mül­lerPer AsplinIngen­manns­land025

Letz­te Aktua­li­sie­rung: 28.02.2021

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